Loewe: Nur noch ein Stolperstein muss weg
Autor: Marco Meißner
Kronach, Sonntag, 29. November 2020
Der Neustart von Loewe in Kronach liegt zehn Monate zurück. Wie sich der TV-Gerätehersteller seitdem entwickelt hat, macht den Mitarbeitern Mut. Nun hoffen sie, dass auch der letzte Knoten durchschlagen werden kann.
Wer Andreas Bauer (52) und Detlef Dawel (52) tief in die Augen schaut, erkennt schnell: In den vergangenen Monaten sind ihnen nicht nur Steine, sondern regelrechte Felsbrocken vom Herzen gefallen. Sie sind wieder daheim bei ihrer zweiten "Familie". Das war 2019 nicht zu erwarten. Da schien sich ihre berufliche Heimat, die Firma Loewe, in Rauch aufzulösen. Dann kam die Kehrtwende. Ein Neustart mit neuem Besitzer. Loewe nimmt wieder Fahrt auf. Doch bei aller Freude: Ein Steinchen muss noch aus dem Weg geräumt werden.
"Loewe gehört nach Kronach, und Kronach gehört zu Loewe", bringt Pressesprecherin Madelaine Mahr auf dem Punkt, was die beiden langjährigen Mitarbeiter hoffen - dass die letzte Hürde für einen dauerhaften Verbleib des TV-Geräteherstellers in Kronach genommen werden kann: die Verhandlungen zwischen dem Unternehmen und der Stadt über die Zukunft des Areals.
2014 ist das Gelände in der Unternehmenskrise von der Stadt übernommen worden. Unter dem neuen Investor Aslan Khabliev möchte Loewe aber nicht nur Pächter sein, sondern wieder mehr Handlungsfreiheit für Investitionen auf dem Gelände erlangen. Auf der anderen Seite ist die Stadt nach der Erfahrung der vergangenen Loewe-Insolvenz vorsichtig mit schnellen Zusagen. Doch die beiden Mitarbeiter hoffen, dass auch in diesem Punkt eine Lösung gefunden wird. Und mit Hoffnungen kennen sie sich aus.
Am Abgrund
In den vergangenen Jahren stand Loewe am Abgrund. Mit der Insolvenz 2019 schien das Schicksal des Kronacher Traditionsunternehmens endgültig besiegelt zu sein. "Ich habe diesen Tag zum Glück nicht vor Ort miterlebt", erinnert Bauer an die Momente, als seine Kollegen Schlange stehen mussten, um bei Loewe auszuchecken. "Das hätte ich emotional nicht verkraftet." Auch so habe er gut vier Wochen gebraucht, bis er den Kopf wieder einigermaßen freibekommen hat.
Derweil habe die Verwertungsfirma begonnen, Loewe "gnadenlos zu zerstückeln", blickt Dawel zurück. Da es zuvor aber immer wieder Kundenanfragen gegeben habe, sei er wie so viele Mitarbeiter überzeugt gewesen: "Das kann's nicht gewesen sein!"
Er sollte Recht behalten. Am 16. Januar 2020 ging es wieder los. Erste Arbeitsverträge wurden unterschrieben. Rund eineinhalb Dutzend Frauen und Männer leiteten damals den Neustart ein. Heute ist die 100-Mitarbeiter-Marke längst geknackt. "Aslans ruhige Art bei der Vorstellung hat schon am ersten Tag Vertrauen gegeben", erinnert sich Softwareingenieur Bauer, der seit 2001 im Unternehmen beschäftigt ist. Für ihn ist es "faszinierend, wieder hier zu arbeiten".
"Wir haben gut zu tun", verweist Dawel mit einem Lächeln auf eine Mut machende Situation. Und als ein Urgestein weiß er die Lage einzuschätzen. Seit 1984 gehört er zu Loewe. Er hat über die Jahre mehrere Abteilungen durchlaufen und ist nun im Service tätig.
Neue Strukturen bewähren sich
Als positiv bewerten Bauer, Dawel und Mahr, dass der "Wasserkopf" durch den Neustart abgebaut wurde. Durch die neue Struktur seien die Abläufe jetzt viel effektiver. "Was wir nun in einem halben Jahr erreicht haben, haben wir vorher in fünf Jahren nicht geschafft", unterstreicht Bauer den neuen Geist. Und Dawel ergänzt, dass nach einem Jahr unter neuer Leitung alles Versprochene eingehalten oder sogar übertroffen worden sei.
Dass Loewe trotz des personellen Aderlasses offenbar noch immer wie die viel beschworene Familie funktioniert, ist für die beiden Mitarbeiter ein großer Ansporn. Ein Auftaktmeeting in großer Runde habe Ideen geweckt. Ein abteilungsübergreifendes Miteinander und sogar der Wille ehemaliger Mitarbeiter, privat als Tester mitzumischen - Dawel und Bauer nennen viele Gegebenheiten, die ihre Hoffnungen auf einen weiteren Aufwind für Loewe in Kronach befeuern. Welchen Stellenwert diese Entwicklung für die Region hat, beschreibt Bauer in einem Satz: "Auch wenn wir nicht mehr der größte Arbeitgeber sind, sind wir doch immer noch der emotionalste."
Nun gelte es nur noch, dass letzte Stolpersteinchen aus dem Weg zu räumen und die Grundstücksfrage zeitnah zu klären.
In mehreren Medienberichten der vergangenen Monate wurden Aslan Khablievs Investitionspläne in Kronach immer wieder mit diesem Punkt verknüpft. Dazu hat Bauer eine klare Meinung: "Es muss investiert werden - und nicht erst in fünf Jahren. Das wäre ein Segen auch für die Stadt."
Das sagt die Bürgermeisterin
Wie es mit Loewe in Kronach weitergeht, liegt auch am Ausgang der Verhandlungen zwischen Stadt und Unternehmen. Wir fragten Bürgermeisterin Angela Hofmann nach dem Sachstand. "Die Kronacher Stadtentwicklungs-GmbH steht mit der Loewe Technology GmbH in gutem Austausch", versichert sie.
Der Mitarbeiterentwicklung nach zu urteilen, sei der derzeitige Betrieb als positiv zu bewerten, was Hofmann als frühere Entwicklungsingenieurin, vor allem jedoch als Bürgermeisterin sehr freue. "Es ist schön zu sehen, dass die guten Produkte wieder am Markt sind."
Wertvoller Standort
Der Name Loewe sei mit Kronach fest verbunden, weil der Standort Kronach einen hohen Markt- und Markenwert für das Unternehmen garantiere. Alle Voraussetzungen um TV-Geräte mit Top-Qualität zu produzieren seien vorhanden - vor allem das Expertenwissen und das Know-how der Mitarbeiter.
"Das Ziel der Stadt Kronach ist es, Wertschöpfung auf dem Gelände abzusichern und die Zweckbindung, nämlich Stadtentwicklung zu betreiben, zu gewährleisten", erklärt sie weiter. "Zu der Zweckbindung hat sich die Stadt Kronach beim Kauf des Grundstücks im Jahr 2014 verpflichtet."
Der Pachtvertrag mit Loewe Technology laufe bis Ende 2023. Die Stadt Kronach wolle darüber hinaus mit der Loewe Technology GmbH langfristig zusammenarbeiten. "Daran sind wir sehr interessiert! Der Stadt Kronach ist zudem daran gelegen, mit allen Mietern langfristige Pachtverträge zu vereinbaren und weitere, neue Mieter aus dem Bereich Bildung/Technologie/Produktion zu gewinnen.