Kurzurlauber machen bei Carmen Eismann aus Kronach eine "lila Pause"
Autor: Marian Hamacher
Kronach, Freitag, 19. Februar 2016
Carmen Eismann aus Kronach bietet ihr Gästezimmer über die Online-Plattform "Airbnb" an. Der Hotel- und Gaststättenverband sieht solche Angebote kritisch.
Der Wandel vom Hobby- zum Gästezimmer dauert keine halbe Minute. Mit einer Hand schleift Carmen Eismann kurzentschlossen einen Hometrainer aus dem 16 Quadratmeter großen Raum und lächelt verschmitzt: "Es soll ja schließlich ordentlich aussehen." So eben, wie zahlende Gäste es vorfinden, nachdem sie es im Internet gebucht haben. Liebevoll eingerichtet, wenngleich mit einem deutlich sichtbaren femininen Einschlag.
Zu finden ist das Rosa der Tagesdecke schließlich nicht nur an den Köpfen der Bettpfosten. Auch in einem federgeschmückten Telefon und etwas dunkler in einer Kuckucksuhr aus Plastik taucht die Farbe auf, die wohl das Herz eines jeden (weiblichen) Teenagers höher schlagen lässt. "Das Zimmer hat noch meine jüngste Tochter eingerichtet", erklärt Eismann. Vor drei Jahren suchte auch das letzte der drei Kinder sein Glück außerhalb der heimischen vier Wände.
Viele Hochzeitsgäste
Plötzlich herrschte in dem Haus in der Strauer Straße in Kronach nicht nur noch mehr freier Wohnraum, sondern zeitweise auch eine große Stille. "Das wäre ja ruck zuck richtig langweilig geworden", vermutet Eismann. Daher stellte sie das frei gewordene Zimmer bei "Airbnb" ein - einer Online-Plattform zur Buchung und Vermietung von privaten Unterkünften. Bereits zwei Wochen später stand der erste Gast auf der Matte. "Zufällig gerät hier aber niemand hin", sagt Eismann. Man müsse schon gezielt nach Kronach suchen und einen entsprechenden Anlass wie etwa "Kronach leuchtet" haben, um den Weg in die Cranach-Stadt zu finden.Plattformen wie das 2008 gegründete "Airbnb" nutzt die 51-Jährige selbst gerne für Reisen, die sie schon auf fast jeden Kontinent führten. "Außer auf Patagonien war ich übertrieben gesagt schon überall."
Während sie sich Zeit lässt, um wahlweise die Landschaft oder die Kultur aufzusaugen, wird ihr Gästezimmer meist nur für einen kurzen Zeitraum gebucht. "Selten länger als ein bis zwei Tage", sagt Eismann. Vor allem das Wochenende sei beliebt - was vor allem an Hochzeitsgästen liegen dürfte, die die kurzen Wege offenbar zu schätzen wissen. "Da profitieren wir natürlich von der guten Lage. Über uns ist die katholische, unter uns die evangelische Kirche." Besuch bekommt sie aber auch aus der ganzen Welt: Schotten, Mexikaner, Franzosen oder Ecuadorianer legten auf ihrer Reise durch Franken einen kurzen Zwischenstopp in Kronach ein, um zum Beispiel die Festung zu besuchen.
Neue Freundschaften
40 Euro kostet eine Übernachtung. Um Geld gehe es ihr aber nicht, betont Eismann, die vor 15 Jahren mit ihrer Tochter in das Elternhaus ihres Freundes Eberhard Kraus und dessen zwei Kindern zog. Dafür sei die Zahl der Buchungen viel zu gering, im Winter zudem nahezu nichts los. Das Geld sei ein netter Nebenaspekt, ihr gehe es aber um etwas völlig anderes: "Du lernst Leute kennen, die du sonst niemals kennenlernen würdest. Das reizt mich besonders." Mitbenutzt werden darf neben dem Badezimmer nämlich auch das Wohnzimmer und die Terrasse, sodass sich fast zwangsläufig Gespräche ergeben. Entstanden sei so bereits die eine oder andere Freundschaft. "Ein Paar vom Bodensee, das schon einige Male hier war, hat uns zu sich eingeladen", sagt Eismann. "Die werden wir bestimmt bald mal besuchen."
Einen Mitkonkurrenten hat Eismann auf der Plattform in Kronach. Doch auch im Landkreis nutzen Privatpersonen "Airbnb", um ein Zimmer oder eine Wohnung zu vermieten; etwa in Ludwigsstadt, Wilhelmsthal oder Nordhalben. Deutlich mehr Angebote gibt es dagegen in Bayreuth oder Kulmbach.
Doch wie kommen diese privaten Dienstleistungen in der Hotel- und Gaststättenbranche an? "Airbnb ist bei uns in der Region ein Thema, wird von vielen aber noch nicht so richtig wahrgenommen", sagt Bob Neubeck, Geschäftsführer des "Aparthotel Frankenwald". "Noch gab es nicht so viele Berührungspunkte. Aber wir beobachten die Entwicklung."
Ganz anders sehe es dagegen rund um Kulmbach aus. "Da ist die Situation schon dramatischer. Die bekommen das viel deutlicher als Konkurrenz zu spüren", erklärt Neubeck, der auch Vorsitzender des bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands im Landkreis ist.
Als Konkurrenz zu Hotels oder Pensionen sieht sich die Buchungs-Plattform aber nicht. "Airbnb und die Hotelindustrie können gut nebeneinander existieren und ergänzen sich", teilt Pressesprecher Julian Trautwein schriftlich mit. Beide Konzepte sprächen unterschiedliche Zielgruppen an. "Wir erweitern den Markt", erklärt er. Eine Familie freue sich, wenn in einer Wohnung viel Platz zum Spielen sei und sie im Notfall gleich eine Waschmaschine zur Hand habe.
Einzuwenden hat Neubeck gegen die privaten Anbieter prinzipiell nichts. Für diese müssten jedoch ähnliche Auflagen gelten wie für Hotels, fordert er. Denn eingehalten werden müssen momentan weder Brandschutzauflagen noch die Gewerbeordnung. Auch besteuert werden die Buchungen über "Airbnb" derzeit nicht. "Wenn das alles gleich ist, sind sie ein normaler Mitbewerber", sagt Neubeck.
Eine einfache Entscheidung
Um eine gemeinsame Lösung zu finden, werde verstärkt der Dialog mit politischen Entscheidungsträgern gesucht, so Trautwein. Land scheint auf der Suche aber noch nicht in Sicht zu sein.Sollten für Privatanbieter eines Tages die gleichen Auflagen gelten, weiß Eismann jetzt schon wie ihre Entscheidung ausfallen wird: "Dann höre ich auf. Ich mache es, weil es derzeit so schön einfach ist." Schließlich kann aus dem Gäste- auch mit wenigen Handgriffen wieder ein Hobbyzimmer werden.