Kunst von Albert Russ schmückt die Ludwigsstädter Schule
Autor: Heike Schülein
Kronach, Sonntag, 03. Januar 2021
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden öffentliche Gebäude mit "Kunst am Bau" verschönert. Auch an der Ludwigsstädter Schule werden die Schüler und Lehrer jeden Morgen von zwei hochrangigen Kunstwerken der Nachkriegszeit willkommen geheißen.
Gleich in der Eingangshalle der Grundschule "Am grünen Band" in Ludwigsstadt befindet sich ein zauberhaftes Wandrelief des Bayreuther Künstlers Alfred Russ. Modelliert wurde das "Pflanzen und Tierwelt"-Motiv aus farbig gefasstem Fiberglas.
Dabei handelt es sich um glasfaserverstärkten Kunststoff, kurz GFK (englisch GFRP - glass-fibre reinforced plastic) - ein Faser-Kunststoff-Verbund aus einem Kunststoff und Glasfasern. GFK ist umgangssprachlich auch als Fiberglas bekannt. Dieser Anglizismus hat sich aus fiberglass (AE) bzw. fibreglass (BE), dem englischen Wort für Glasfaser, gebildet.
"Das Wandbild ist in einem sehr guten Zustand", freute sich Kreisheimatpfleger Robert Wachter bei einer Besichtigung mit seinem Amtskollegen Siegfried Scheidig sowie Ludwigsstadts Bürgermeister Timo Ehrhardt über den sorg- und achtsamen Umgang mit dem charakteristischen Kunstwerk.
Geschaffen wurde das sehr lebendig wirkende Wandrelief 1976 durch Alfred Russ. Mit seinen strahlenden Farben und seiner ansteckenden "Fröhlichkeit" passt es gut in eine Schule. An exponierter Stelle beim Treppenaufgang angebracht, tummeln sich darauf die verschiedensten Tierarten - von Fischen und Igeln über eine Schlange und Schnecke bis hin zu Pferden und Vögel.
Zu sehen sind weitere Naturmotive wie Blumen, Pflanzen, Bäume und ein Regenbogen. Die damaligen Schüler hatten diesen Entwurf selbst ausgewählt.
In Ludwigsstadt ist man sich durchaus bewusst, über welchen zwei mal sechs Meter großen Schatz man verfügt. "Wir nutzen das Bild oftmals als schönen Hintergrund bei Fotos", verrieten Rektorin Ulrike Schmidt und ihre Stellvertreterin Birgit Hermann. "Beide zeigten sich sehr interessiert an den neuen Informationen zum Bild beziehungsweise dem Künstler, zumal noch ein weiteres Kunstwerk von ihm alle Lehrer sowie Schüler jeden Morgen willkommen heißt.
So zeichnet Alfred Russ auch für die künstlerische Gestaltung der Brunnen-Plastik in Bronze am Forum im westlichen Pausenhof verantwortlich. Die charakteristische, rund drei Meter hohe Brunnen-Anlage - eine kubische Plastik in einer Dreier-Gliederung - stammt aus dem Jahr 1971; dem Jahr, in dem die Verbandsschule Ludwigsstadt fertiggestellt und am 11. Dezember 1971 eingeweiht wurde.
Schule besteht seit 50 Jahren
Geplant wurde die große Gemeinschaftsschule, die heuer 50-jähriges Bestehen feiern kann, von Architekt Franz Neuner aus Hollfeld. Ihren Baubeginn fand das architektonisch durchaus eigenwillige Bauwerk im Juli 1968. Der Schulverband wurde mit Schuljahr 1969/70 wirksam - zunächst in der Form, dass die 17 Klassen auf die Schulhäuser in Ludwigsstadt, Ebersdorf, Lauenstein und Steinbach/Haide verteilt waren.
Mit Beginn des Schuljahrs 1971/72 wurde das neue zentrale Schulgebäude in Ludwigsstadt mit Schülern aus den Verbandsschulgemeinden gefüllt, um, laut Festschrift der Einweihung, "den Kindern unseres Raumes ein zeit- und zukunftsgerechtes Haus der Erziehung, Ausbildung und Lehre und eine musische Heimstätte zu schaffen". Die Bausumme betrug rund 4,5 Millionen D-Mark. Ludwigsstädter Bürgermeister war zu jener Zeit Louis Welsch; Rektor Willi Meinhardt.
Stolz auf die Schule und ihre wertvollen Kunstwerke zeigte sich auch Bürgermeister Ehrhardt, der sich noch an weiterer "Kunst am Bau" in seiner Gemeinde erfreuen kann. Hierzu zählt auch ein weiteres authentisches Wandrelief - ebenfalls von Russ - in der Sport- und Kulturhalle Ebersdorf.
Bei dem bunten Hingucker in der Ludwigsstädter Schule handelt es sich um "Kunst am Bau", deren Ursprünge bereits auf die Zeit der Weimarer Republik zurückgehen. Demnach war bei allen neuen öffentlichen Bauaufträgen ein bestimmter Prozentsatz der Bausumme für "Kunst am Bau" auszugeben.
Die Regelung gewann insbesondere beim vergrößerten Bauvolumen der Nachkriegszeit in der Bundesrepublik - auch unter wirtschaftlichem Aspekt - mehr Relevanz. Viele Künstler haben auch im Landkreis Kronach im Rahmen dieser Gesetzgebung ihre Spuren hinterlassen; auch Alfred Russ.
Der 1915 in Böhmen geborene Künstler lebte seit dem Zweiten Weltkrieg bis zu seinem Tod 1996 in Bayreuth. Hier wirkte er als freischaffender Maler und Bildhauer, der mit seinen Werken zahlreiche Gebäude in Oberfranken und im Kreis Kronach verschönerte.
Werke von ihm findet man im Landkreis beispielsweise noch in der Volksschule Wallenfels (Brunnenanlage/Wappentafeln von 1971), beim Freizeit- und Tourismuszentrum Steinbach am Wald (Brunnen-Anlage von 1976) und beim Wallenfelser Kulturzentrum (Wandrelief von 1976). An der Volksschule Teuschnitz ist die Brunnen-Anlage von 1975 erhalten. Hingegen leider bei einer Sanierung der Schule zerstört wurde das schöne, aus dem gleichen Jahr stammende Wandrelief in der dortigen Pausenhalle.
Das eine sehr große Fläche umfassende Kunstwerk war ebenfalls aus farbig gefasstem Fiberglas modelliert, wobei hier noch zusätzlich emaillierte Kupferplatten aufmontiert waren. Ein Kunstwerk der Superlative waren seine dynamisch-bunten "Farbwege" am Kronacher "Mississippidampfer" - die größte jemals geschaffene "Kunst am Bau" im Landkreis, woran heute leider nichts mehr erinnert.
Dämmung frisst Kunst
"Leider sind solche Kunstwerke heute stark bedroht", bedauerte Robert Wachter, dass diese mittlerweile oftmals einer Sanierung oder einem Abriss der Gebäude zum Opfer fallen. Auch Energieeinsparrichtlinien machten den Erhalt von Grafik und Skulptur an Häusern nahezu unmöglich; liefen diese doch Gefahr, unter einer dicken Dämmschicht zu verschwinden.
Ein prominentes Beispiel hierfür sind die Kunstwerke von Russ an Häusern der Gemeinnützigen Bayreuther Wohnungsbaugesellschaft in Bayreuth, darunter auch ein sich über fünf Stockwerke erstreckendes Giraffen-Motiv aus dem Jahr 1960.