Kronachs Innenstadt ist nicht barrierefrei
Autor: Vanessa Schneider
Kronach, Mittwoch, 04. Dezember 2013
Barrierefreies Umbauen ist teuer. Es gibt aber Hindernisse, die leicht zu vermeiden sind und wenig kosten. Heinrich Gehring aus Dörfles kennt in Kronach etliche Gefahrenstellen. Einiges hat sich in den vergangenen Jahren schon getan.
Bei Schneeregen ist das Pflaster in der Kronacher Innenstadt rutschig. Schon Fußgänger haben damit ihre Schwierigkeiten. Doch wie geht es erst einer Mutter mit Kinderwagen, einem Rollstuhlfahrer, einem sehbehinderten oder kleinwüchsigen Menschen? Sie müssen sich vor Stürzen fürchten oder weite Umwege in Kauf nehmen. Barrieren lauern überall: Ein Pfosten, der Autos von der Durchfahrt abhalten soll, aber an dem auch kein Kinderwagen vorbeigeht. Ein Rollstuhlfahrer hat keinen Platz zum wenden. Eine Treppe, die falsch markiert wurde und deshalb eine sehbehinderte Frau zu Fall gebracht hat. Oder ein zugeparkter Gehweg, der keinen Platz mehr für einen Rollstuhl lässt.
Heinrich Gehring kennt etliche Gefahrenstellen in Kronach. Der 69-Jährige war früher Abteilungsleiter im Kronacher Straßenbauamt. Seit Jahren engagiert er sich dafür, dass Barrieren verschwinden.
Viele Regelungen, viel Unklarheit
Seit 2002 gibt es das "Behindertengleichstellungsgesetz". Dieses sieht vor, dass "(...) öffentliche Wege, Plätze und Straßen sowie öffentlich zugängliche Verkehrsanlagen und Beförderungsmittel im öffentlichen Personenverkehr" barrierefrei zu gestalten sind. Doch es gibt viele Vorschriften und Normen, die nicht zu durchblicken sind, weiß Gehring. "Nur weil etwas geregelt ist, ist noch nichts passiert." Schwierig wird es vor allem deshalb, weil jeder Mensch, der eingeschränkt ist, andere Bedürfnisse hat. "Für einen Menschen, der mit einem Rollator unterwegs ist, ist ein Bordsteinhöhe von drei Zentimetern ein schwer zu überwindendes Hindernis", erklärt Gehring.
Verzichtet man aber auch einen Bordstein, gefährdet dies wiederum blinde Menschen. Sie orientieren sich mit Hilfe eines Taststocks und brauchen eine Bordsteinkante, um zu wissen, wo die Straße beginnt. Bei Menschen, die ein eingeschränktes Blickfeld haben oder nur Schemen erkennen können, gelten wieder andere Idealbedingungen. Sie brauchen Markierungen am Boden und Kontraste beim Gehwegbelag.
Endstation Bushaltestelle
Doch gibt es auf dem Weg viele Barrieren, helfen auch oft Bahn und Bus nicht. Menschen mit Einschränkungen sind meist auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Doch auch hier gibt es Probleme. Wer in Bus oder Bahn einsteigen möchte, muss ein oder mehrere Stufen überwinden. "In Treppenhäusern sind maximal 17 Zentimeter erlaubt", sagt Gehring. Doch an Bushaltestellen und Bahnhöfen seien beim Einstieg auch schon mal 40 Zentimeter zu überwinden. Die Fahrt mit Bus und Bahn bleiben damit manchen Menschen verwehrt.
In Kronach hat sich in den vergangenen Jahren schon einiges getan, sagt Gehring. Als Beispiel nennt er einen Pfosten in der Innenstadt. Rollstuhlfahrer mussten zuvor auf andere Wege ausweichen, sie kamen nicht durch. Das Hindernis wurde entfernt. Auch die Bahn sei sehr kooperativ, sagt Gehring. Er hatte sie mit ihnen in Verbindung gesetzt, als ihm ein blinder Mann von einem Sturz auf der Bahnhofstreppe erzählte. Das Geländer war einfach zu kurz. Mittlerweile gibt es ein neues, das für mehr Sicherheit sorgt.
Blumenkübel versperrt den Weg
Solche Maßnahmen sind meist teuer. "Aber es muss nicht immer Geld sein", sagt Gehring. Barrierefreiheit gibt es auch kostenlos: Besonders geärgert hat ihn ein Blumenkübel in der Pfählangerstraße. Seit knapp vier Monaten wandert er von Platz zu Platz. Zeitweise standen direkt auf dem Gehweg. "So etwas geht einfach nicht", betont Gehring. Mittlerweile behindert er nicht mehr den Gehweg.
Erst seit einigen Jahren wird versucht, Barrieren beim Neubau von Straßen zu vermeiden. "Früher baute man in erste Linie für die Autos", weiß Gehring. Erst dann dachte man an Fußgänger, anschließend an die Radfahrer. Deshalb sind viele Wege zu eng geplant.
"In den Regelwerken geht man von einer Breite von 75 Zentimetern aus", sagt Gehring. Dies passt aber höchstens auf Menschen ohne Einschränkungen. Der Rentner erklärt, dass ein blinder Mensch mit Langstock eine Breite von 1,20 Zentimetern braucht. Um mit einem Rollstuhl wenden zu können, sind eineinhalb Quadratmeter nötig.
Das mag für viele Menschen weit entfernt sein. Doch Heinrich Gehring warnt: "Jeder kann in diese Situation kommen." Und sei es ein gebrochener Fuß oder ein schwerer Koffer, der einen dankbar für eine barrierefreie Stadt macht.