Kronacherin schreibt Buch über ihre Krankheit
Autor: Heike Schülein
Kronach, Donnerstag, 07. Januar 2021
Anna-Lena Heim leidet an einer manisch-depressiven Erkrankung. Ihre Geschichte hat die Kronacherin in einem Buch niedergeschrieben, das Mut machen soll.
"Wie verzweifelt und verblödet muss man sein, wenn man nachts um 3 Uhr alles andere macht außer schlafen?" Das fragt sich Annie Home (Pseudonym von Anna-Lena Heim) in ihrer im November erschienenen Biografie "Ein Engel, aber flügellos - Aus dem Leben einer Manisch-Depressiven". Beginnend ab dem Jahr 2012, schildert die Kronacherin in schonungslos ehrlicher und zugleich zutiefst berührender Art und Weise ihre Krankheitsgeschichte und den langen beschwerlichen Weg zurück in die "reale" Welt.
Bereits in ihrer Jugend bemerkte die heute 28-Jährige die Anfänge ihrer Erkrankung. In ihrer Schulzeit war sie oftmals wegen ihrer Prüfungsangst sowie Magen-Darm-Problemen bei verschiedenen Ärzten. In der Oberstufe besserten sich ihr seelischer und gesundheitlicher Zustand sowie ihre schulischen Leistungen. Nach ihrem guten Abitur begann sie ein Studium für Gymnasial-Lehramt an der Universität Würzburg für die Fächer Mathematik und Katholische Theologie. "Meine vier Geschwister und ich wurden sehr christlich erzogen", erzählt die junge Frau, der ihr Glaube sehr viel bedeutet. Das Studium musste sie aber abbrechen, da sie damals - wie sie sagt - vor lauter Energie nicht mehr zur Ruhe kam.
2012 ging die Kronacherin in die Türkei, um als Animateurin in einem Club zu arbeiten. "Ich habe viel gearbeitet. Es war sehr anstrengend, aber es hat auch großen Spaß gemacht. Ich war immer in Bewegung, habe immer gesungen, getanzt und hatte ständig neue kreative Ideen", blickt sie zurück.
Den Beginn ihrer Manie habe sie selbst gar nicht so wahrgenommen bzw. aufgrund des ständigen Hochgefühls sogar als eher angenehm empfunden. Ihre Familie und ihr Freund, mit denen sie damals kaum noch Kontakt gehalten habe, spürten jedoch diese Veränderung und machten sich große Sorgen um sie. Schließlich holten sie sie in der Türkei ab und fuhren sie einige Tage später in eine psychiatrische Einrichtung.
Nach dem vierwöchigen Aufenthalt in einer geschlossenen Abteilung erfolgte eine zeitweilige Besserung, da sie durch die Einnahme von Medikamenten nicht mehr dauernd in Aktion war. Ein daraufhin begonnenes Studium der Wirtschaftswissenschaften musste sie aber erneut abbrechen, da ihre Schlafstörungen wieder stärker wurden.
Sie kehrte Würzburg den Rücken und zog wieder zurück in ihre Heimat Kronach. Die ständige Euphorie und Energie kamen zurück, einhergehend mit extremen Gefühlsschwankungen und immer intensiveren Wahnvorstellungen. So dachte sie unter anderem von sich selbst, ein großer Musikstar zu sein. Es folgte ein erneuter Klinikaufenthalt; dieses Mal über sechs Monate.
Aufwärts für sie ging es im Berufsbildungswerk Würzburg, eine Einrichtung der beruflichen Rehabilitation für junge Menschen mit Förderbedarf. Unter den verschiedenen Ausbildungsmöglichkeiten entschied sie sich für eine Ausbildung als Fachverkäufern im Lebensmittelhandwerk mit dem Schwerpunkt Bäckerei - und das höchst erfolgreich. Sie schaffte nicht nur ihre Ausbildung, sondern wurde sogar im Sommer 2020 als Drittbeste ihres Jahrgangs geehrt.
Hinfallen und aufstehen
"Die Freisprechung war ein sehr schönes Erlebnis für mich - ein echtes Highlight. Es gab so viele Stolpersteine und ich musste so viele Anläufe nehmen. Ich bin immer wieder hingefallen; aber ich bin auch immer wieder aufgestanden", freut sich die 28-Jährige. Stolz ist nicht "nur" auf ihre gemeisterte Berufsausbildung, sondern auch auf ihr Buch, an dem sie seit 2012 kontinuierlich geschrieben hatte.
In berührenden Tagebuch-Einträgen schildert darin zudem auch ihre Mutter das Krankheitsgeschehen ihrer Tochter sowie ihre eigenen Gefühle hierzu. Dadurch wird ersichtlich, wie sehr die gesamte Familie von der Erkrankung betroffen ist. Bilder, Zeichnungen, Songtexte und bewegende Gedichte von Anna-Lena Heim wie auch Originalfotos runden die schonungslos offene Biographie ab.
"Ich bin so glücklich, mein eigenes Buch in Händen zu halten. Es ist so ein tolles Gefühl!", strahlt die Autorin. Gewagt habe sie diesen für sie so großen und mutigen Schritt in die Öffentlichkeit insbesondere auch, um damit anderen Betroffenen und deren Angehörigen Hoffnung und Mut zu schenken. "Es ist wichtig, immer weiter zu machen, bis man sein Ziel erreicht hat - auch wenn es ein langer, schwieriger Weg ist. Ich habe gelernt, dass das Leben mit einer psychischen Erkrankung anders ist, und wie man damit umgeht", bekundet die tapfere junge Frau, die heute stabil ist. Die Einnahme von Medikamenten gehört zwar weiterhin zu ihrer täglichen Routine, aber sie hat die Dosis bereits verringern können. Vor allem die vielen positiven Rückmeldungen auf ihre Biographie gäben ihr großen Auftrieb. Daher könne sie sich durchaus vorstellen, noch ein zweites Buch zu schreiben.
Für 2021 hat Anna-Lena Heim, die aktuell Grundschüler an einer Schule betreut, große Pläne, möchte sie doch Pädagogik in Bamberg studieren. So lautet dann auch ihr abschließender Appell an alle: "Glaubt an euch und eure Träume! Aufgeben ist keine Option!"
Zum Buch
Das Buch "Ein Engel, aber flügellos - Aus dem Leben einer Manisch-Depressiven" ist bei Amazon zum Preis von 15,95 Euro erhältlich. Herausgeber: Rediroma-Verlag, ISBN-10 : 3961039194, ISBN-13 : 978-3961039197.