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Kronacher Wirte sehen sich nicht als Hilfssheriffs


Autor: Bastian Sünkel

Kronach, Montag, 12. Oktober 2020

Die Staatsregierung beschließt, Bußgelder für falsche Einträge in den Corona-Kontaktlisten zu verlangen. Doch wie reagiert die Gastronomie? Müssen die Servicekräfte nun zu Überwachern werden? Der FT hat nachgefragt.
Auch die Wirte im Kreis Kronach müssen ihre Gäste registrieren. Nun stoßen sie auf neue Möglichkeiten und alte Probleme. Foto: Bastian Sünkel


Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen. Wer Gastronomen in ganz Bayern noch zu Jahresbeginn gefragt hätte, ob sie sich vorstellen könnten, die Kontaktdaten ihrer Gäste aufzunehmen und ab Oktober diese auch noch zu kontrollieren - der hätte wahrscheinlich einige Bierlängen lang seltsame Blicke auf sich gezogen.

Nun ist es tatsächlich soweit. Seit Mai gibt es in Bayern eine Registrierungspflicht in Gaststätten. Vor einer Woche hat die Bayerische Staatsregierung diese verschärft. Statt auf die Ehrlichkeit der Gäste zu hoffen, ihre persönlichen Daten preiszugeben, und gleichzeitig darauf zu vertrauen, dass diese nicht in falsche Hände geraten, gibt es nun ein Gesetz, dass Falschausfüller zur Kasse bittet. Bis zu 250 Euro muss ein Gast berappen, wenn er offensichtliche Falschnamen wie "Mickey Mouse", "Sherlock Holmes" oder "Schnabel Schneider" einträgt. Bis zu 1000 Euro zahlt wiederum ein Gastronom, der keine Registrierungsliste in seinem Essensbetrieb führt und dabei ertappt wird.

Doch wer hat nun die Pflicht, die Liste zu überwachen? Der Wirt? Die Polizei? Verstößt nicht eine genauere Überwachung der Gäste auch gegen diverse Datenschutzrichtlinien?

Immer die Liste abdecken

Zumindest mit der Datenschutzrichtlinie gibt es eine klare Antwort bereits seit Mai. Die Liste muss so geführt werden, dass sie von Dritten nicht eingesehen werden kann, das heißt, von anderen Gästen. Ob der Gastronom Anspruch auf die Einsicht der Daten seiner Gäste hat, ist allerdings fraglich. Doch die neuen Richtlinien lassen ihm kaum eine Wahl.

"Wir wollen nicht, dass Wirte zu Hilfssheriffs ausgebildet werden", sagt Thomas Geppert, Landesgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga). Die Forderung, die kurzzeitig im Raum stand, dass ein Wirt zahlen muss, wenn sich ein Gast falsch einträgt, sei absurd gewesen. Das habe auch kurzzeitig Kanzlerin Angela Merkel gefordert, sagt der Geschäftsführer. Doch das wäre für Thomas Geppert in etwa so, als würde der Lokführer zur Kasse gebeten, wenn ein Fahrgast sich nicht an die Mundschutz-Pflicht hält. Allein wenn ein Wirt sich gegen die Registrierungspflicht wehrt, also gar keine Liste führt, kann er von Ordnungsbehörden zur Kasse gebeten werden.

Aber wer kontrolliert dann? Geppert spricht von einer Plausibilitätspflicht. Fällt einem Gastronomen auf, dass ein Fantasiename in der Liste eingetragen wird, solle er von seinem Hausrecht Gebrauch machen. "Bei offensichtlichen Fantasienamen soll der Wirt darauf hinweisen, dass der echte Name eingetragen wird."

Rein juristisch könne er durch das Hausrecht auch den Ausweis fordern, wenn ein Gast bedient werden will. Aber das ginge für Geschäftsleiter Geppert schon wieder zu stark in Richtung Hilfssheriff. Schließlich seien es ja Gesundheitsamt und Polizei, die im Infektionsfall einen Gast ermitteln müssen, der sich unter falschem Namen eingetragen hat. Er wird schließlich zur Kasse gebeten, falls er erwischt wird.

Den Mitgliedern der Dehoga gibt er andere Tipps. Zum Beispiel den QR-Code. Eine Möglichkeit, damit sich Gäste ganz ohne Zettel und Stift eintragen können und nicht einmal die Gastronomen den kompletten Namen einsehen können.

Auch Kerstin Bär, die zusammen mit ihrer Schwester Claudia Bethke das Hotel Wasserschloss in Mitwitz leitet, nutzt die Software namens "darfichrein.de". Sie erklärt, dass sie sich dafür einen QR-Code ausgedruckt und ihn auf ihre Rezeptionstheke geklebt hat. Mit dem Handy scannt der ankommende Gast den Code, trägt seine Daten ein und zeigt sein grünes Ticket auf dem Bildschirm. Sein Vorname ist dabei komplett zu sehen, in seinem Nachnamen sind ein paar Buchstaben durch Rauten ersetzt, erklärt die Hotel- und Restaurantinhaberin. Wenn er wieder geht, loggt er sich mittels eines Klicks aus.

Auch der Dehoga empfiehlt seinen Mitgliedern die Software, selbsterklärend: Denn der Verband hat das Projekt zusammen mit der Anstalt für kommunale Datenverarbeitung (AKDB) in München als Reaktion auf die Pandemie ins Leben gerufen. Träger der AKDB sind wiederum kommunale Institutionen: die Bayerischen Städte-, Gemeinde-, Landkreis- und Bezirkstage.

Die Daten werden mit diesem System sicher verschlüsselt auf den hauseigenen Servern in München vier Wochen lang gespeichert. Tritt kein Corona-Fall auf, werden die Daten gelöscht. Andernfalls wendet sich das Gesundheitsamt an den jeweiligen Gastronomen, der die Daten mittels Passwort freigeben kann.

Es gibt immer Schlupflöcher

Doch ein Problem bleibt: Gibt der Gast einen Fantasienamen ein, muss es nicht sofort auffallen. Von Vorteil ist, dass sich der Gast nicht vor Ort überwacht fühlt, weil nicht sein gesamter Name zu sehen ist. Auf der Seite von "darfichrein.de" rechnet ein Zähler hoch, dass sich an 2250 Gaststätten (Stand vergangener Mittwoch) bereits mehr als 1,3 Millionen Menschen über die Softwarelösung eingetragen haben.

Wahrscheinlich greifen gerade stark frequentierte Einrichtungen, wie größere Hotels, auf diese Variante zurück. Das erspart den Inhabern auch das aktenordnerweise Sammeln von Kontaktdaten.

Im Wirtshaus sieht das anders aus. Thomas Welscher führt die "Frische Quelle" in Kronach. Zu ihm kommen viele Stammgäste, da kennt er auch die Namen, erklärt der Wirt. Bei anderen prüft er die Zettel nur kurz am Tisch. Aber eine Mickey Mouse oder Angela Merkel sind ihm noch nie untergekommen. Eher zu schaffen macht ihm das Platzproblem. "Aber meine Gäste sind geduldig. Das akzeptieren sie auch."

Markus Ott ist Brauer im "Antla", und auch er benutzt keine Software, um seine Gäste zu registrieren. Ganz im Gegenteil: Sie registrieren sich dank der Reservierung selbst. "Sonst ist es eh meistens voll", sagt er. Auch ihm sind bislang keine offensichtlichen Fantasienamen untergekommen. Er überlegt kurz. "Nein, auch kein Karl Lagerfeld", sagt er.