Druckartikel: Kronacher Schüler hinterfragen Vorurteile über Flüchtlinge

Kronacher Schüler hinterfragen Vorurteile über Flüchtlinge


Autor: Heike Schülein

Kronach, Sonntag, 06. Dezember 2015

Die siebten Jahrgangsstufen der Gottfried-Neukam-Mittelschule Kronach setzten sich mit der aktuellen Flüchtlings-Thematik auseinander. "Schubladendenken mal anders" heißt ihre Ausstellung, die in der Schulaula zu sehen ist.
Jonas (l.) und Lukas haben sich insbesondere mit der Situation in Eritrea beschäftigt. Sie fragten sich, warum die Menschen aus diesem Land flüchten. Das Bild zeigt sie vor der Meinungsscheibe. Foto: Heike Schülein


Bilder verzweifelter, von der Flucht gezeichneter Menschen, Karikaturen mit rabenschwarzem Humor, jede Menge Zahlen und Fakten, ein gepackter Koffer, anschauliche Bilder-Collagen, eine Wahrsagekugel und ein Kreuzworträtsel - die Ausstellung, die in der Aula der Gottfried-Neukam-Schule aufgebaut ist, behandelt das Thema "Flucht" in allen Facetten. In verschiedenen Themenbereichen hatten sich die Regelklassen der siebten Jahrgangsstufe - die 7b, c und d - im Zeitraum vom 16. November bis 3. Dezember umfassend mit der Thematik auseinandergesetzt. Entstanden ist eine ebenso informative wie anschauliche Ausstellung.

"Die Flüchtlinge sind nicht hier, um ein Handy zu bekommen oder um viel Geld zu haben. Sie kommen zu uns, weil in ihrer Heimat Krieg ist und weil es ihnen dort sehr schlecht geht. Viele Menschen werden umgebracht. Die haben gar keine andere Wahl, als ihre Kinder mitzunehmen und zu fliehen" , das berichtet Jonas.

Er ist zwölf Jahre alt und kommt aus Wilhelmsthal. Durch die Recherchen für die Ausstellung hat er, wie er sagt, viel gelernt - auch, dass viele Vorurteile nicht stimmen.


In Gruppen gearbeitet

Die Schüler der siebten Jahrgangsstufen waren in verschiedene Gruppen eingeteilt. Jonas und auch der ein Jahr ältere Lukas, der in Zeyern wohnt, waren in der Eritrea-Gruppe. Diese beschäftigte sich ausgiebig mit der Situation in dem kleinen, erst 22 Jahre alten Staat im nordöstlichen Afrika und damit, was die Menschen dort zur Flucht treibt.

Nach den Syrern, die dem seit mehr als vier Jahren andauernden Bürgerkrieg entkommen wollen, machen die Menschen aus Eritrea die zweitgrößte Flüchtlingsgruppe aus. Auf der Flucht vor Hunger, Krieg und Verfolgung suchen sie das Glück in Europa und wagen dafür die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer. Bis zu einem Viertel der eritreischen Bevölkerung soll schon geflohen sein, etwa 70 000 dieser Menschen nach Deutschland.
"Es gibt viele Vorurteile, dass die Flüchtlinge wegen eines besseren Jobs nach hierher kommen und den Deutschen ihre Arbeit wegnehmen. Oder dass sie einen schönen Fernseher oder ein Handy wollen. Das stimmt nicht. Die verlassen nicht freiwillig ihre Heimat, sondern weil dort viele schreckliche Dinge passieren", weiß Jonas. In ihrer Heimat gebe es Krieg und Bombenanschläge, Menschen würden gefoltert und kämen ins Gefängnis oder sie würden lebendig begraben. "Wir haben uns damit sehr beschäftigt. Das war sehr interessant, aber auch erschreckend und traurig", meint Lukas.


Selbstständig recherchiert

Das selbstständige Erarbeiten der Ausstellung war ihrer Lehrerin Miriam Fuchs sowie den weiteren verantwortlichen Lehrkräften Susanne Kirschbaum, Kathi Stubenrauch und René Sa Leal sehr wichtig. Die Thematik habe sich angeboten. "Die Dreifachturnhalle des Schulzentrums wurde ja als Flüchtlingsunterkunft verwendet. Das hat unsere Schüler schon sehr beschäftigt", erklärt Fuchs. Diese Problematik und auch die sich im Umlauf befindlichen, fremdenfeindlichen Vorurteile habe man nicht so stehen lassen können. "Das ist kein Thema, das man in einer Unterrichtsstunde in 45 Minuten mal eben so abhandelt", betont Fuchs.

Die Schüler sollten sich das selbst erarbeiten, sich eigene Gedanken machen und auch selbst herausfinden, dass die Vorurteile nicht stimmten. "Es sind viele Stammtisch-Parolen im Umlauf. Manche Schüler plappern die halt einfach nach, ohne sie zu reflektieren und zu hinterfragen", bedauert Stubenrauch. Durch die Ausstellung konnte man dem entgegenwirken. Die Präsentation ist fächerübergreifend erstellt worden, beispielsweise in den Unterrichtsfächern Geschichte, Erdkunde und Sozialkunde. Aber auch Recherchen und Nachforschungen per Internet und in den Tageszeitungen seien Kompetenzen, die die Schüler ihr ganzes Leben lang bräuchten, wie die Lehrkräfte betonten.

Das Projekt sei mit der Zeit mehr und mehr gewachsen. So hätten die Schüler immer neue Ideen entwickelt, wie der gepackte Koffer, ein Kreuzworträtsel, die Meinungsscheibe und die Wahrsagekugel.


Blick in die Zukunft

Bei der Wahrsagekugel äußerten die Schüler Perspektiven für die Zukunft - positiv wie negativ. Als positiv erachtete man, dass Europa vielleicht zu einem Land zusammenwachsen könnte und dass es mehr Arbeitsplätze und Schulklassen geben könnte. Als negative Entwicklungen befürchteten die jungen Leute das Entstehen neuer Terrorgruppen, Straßenschlachten, gefährliche Straßensperren und vielleicht den Zusammenbruch der deutschen Einwanderungsbürokratie.

Die Thematik soll 2016 zum Sommerfest der Gottfried-Neukam-Mittelschule wieder aufgegriffen und gegebenenfalls aktualisiert werden.