Ich habe sie so genannt, weil mich fasziniert hat, in wie vielen Farben und Ausdrucksarten das Eis vorkommen kann. Allerdings war es gar kein bewusstes Projekt. Ich habe mir also nicht gesagt, dass ich einen Winter lang nur Eis fotografiere. Ich glaube, dann wäre auch nie so eine Vielfalt zusammen gekommen. Ich habe das Eis in den verschiedensten Formen und Strukturen einfach immer wieder fotografiert, wenn ich es entdeckte. Etwa in einem kleinen eingefrorenen Bach, in dem man noch die Lufteinschlüsse sieht. Da hat sich immer wieder etwas Neues verändert, weil das fließende Wasser ständig wieder festfror. Dadurch entstanden Strukturen, die aussahen, als hätte sie ein Maler mit dem Spachtel gemacht. Das in einer Serie zusammenzustellen, war spannend.
Stammen die Bilder alle aus der Region?
Außer einem aus der Fränkischen Schweiz und einem, das im Fichtelgebirge am Gipfel des Ochsenkopfs entstand, habe ich alle anderen hier im Frankenwald gemacht. Was mich an dem Preis besonders gefreut hat, war, dass mal ein vergleichsweise unspektakuläres Thema gewonnen hat. Vielleicht ist das für den einen oder anderen Fotografen ein Anreiz, sich ein Thema vor der eigenen Haustür zu suchen.
Wie oft sind Sie unter der Woche in der Natur unterwegs?
Pro Woche helfe ich im Durchschnitt ein- bis zweimal in der Apotheke aus. An diesen Tagen geht zwar leider nichts, aber ansonsten versuche ich, so gut wie jeden Tag draußen zu sein. Das gönne ich mir.
Wissen Sie, was es ist, das sie tagtäglich in die Natur zieht?
Das ganze System. Es funktioniert einfach. Die Natur kann manchmal grausam und zerstörerisch sein, aber sie kann sich auch immer wieder neu erfinden. Sie ist wie ein ewiger Kreislauf, der sich zwar immer verändert, aber doch eins bleibt. Das ist absolut faszinierend. Wenn man einmal in die Thematik eintaucht, entdeckt man auch immer wieder Neues, das man noch nicht kannte.
Zum Beispiel?
Ich wusste bis vor zehn Jahren etwa nicht, dass es hier bei uns eine der kleinsten Eulen gibt: Den Sperlingskauz. Wenn man ihn dann live fünf Meter vor sich hat und er ruft oder gerade eine Maus fängt, kann man gar nicht näher an der Natur und am Leben dran sein. Ich werde oft gefragt, wo ich die Eulen fotografiert habe, aber das beantworte ich dann ganz bewusst nicht.
Weshalb?
Die meisten Eulen sind sehr standorttreu. Aber wenn ich meinen Standort preisgebe, stehen da plötzlich zehn Leute mit ihrem Teleobjektiv und wollen die Eule fotografieren. Dann entstehen diese Fotohotspots, die alle überlaufen sind. Lieber soll man sich die Gegend erwandern und dabei selbst auf neue schöne Stellen stoßen.
Welche Stellen im Frankenwald können sie dafür denn besonders empfehlen?
Etwa den Lamitzblick bei Geroldsgrün. Das ist hier einer meiner Lieblingsorte. Dort gibt es einen Felsen, von dem aus man in ein unverbautes Tal guckt. Da kann man auch gut mal mit dem Fahrrad hin. Eine schöne Alternative wäre auch, in Ruhe die ganzen Frankenwaldtäler zu durchwandern. Da kann man auch am Wochenende noch von relativ ruhigen Momenten sprechen, die andere Gegenden schon ein bisschen verloren haben.
Was sind denn solche Negativbeispiele?
Neben Teilen der Fränkischen Schweiz etwa auch der Staffelberg. In den letzten zehn Jahren ist das da explodiert, die Wege sind dreimal so breit wie früher. Und die Leute laufen teilweise quer durch die Landschaft - und das ist immerhin Naturschutzgebiet. Das ist fast schon ein Ausverkauf. Da ist mein Rat an Fotografen: Sucht euch einen nebligen, ekelhaften Novembertag, an dem die Klause geschlossen hat. Dann ist nicht viel los. Einfach mal spät am Abend auf den Felsen setzen; und dann hört man auch mal den Uhu rufen. Solche Momente kann man im Frankenwald zum Glück noch öfter finden und die schätze ich auch.
Wie bereiten Sie sich auf ihre Fototouren vor?
Das Wichtigste ist, die Kleidung dem Wetter anzupassen. Im Hochgebirge schaue ich immer noch einmal, wie die Gewitterzellen sind und wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass es gewittert? Da muss man dann die Entfernung zur nächsten Hütte so gering wie möglich halten. Im Frankenwald sollte man entsprechend gucken, ob Eisregen angesagt ist und wie die Straßenverhältnisse sind. Da parke ich dann lieber direkt an der Bundesstraße und fahre nicht in irgendwelche kleinen Seitensträßchen rein. Der Rest ist gesunder Menschenverstand.
Das klingt, als ob ab und an auch mal eine etwas heikle Situation zu überstehen ist.
Durchaus. Auch wenn ich sagen muss, dass ich mich für ein Foto noch nie Lebensgefahr begeben habe und auch niemals begeben werden. Natürlich habe ich in der Natur immer ein Restrisiko, aber das habe ich auch im Straßenverkehr. Es kommt wirklich alles auf die Vorbereitung an. Ist man gut vorbereitet ist, kann man sich auch an manche Grenzen herantasten. Als ich noch kein Auto mit Allrad-Antrieb hatte, bin ich öfter mal steckengeblieben. Dafür habe ich aber einen kleinen Klappspaten dabei. Denn man darf das nicht unterschätzen. Wenn ich in Kronach bei Regen losfahre, habe ich im oberen Frankenwald auf 600 oder 700 Meter Höhe schon extreme Wettersituationen mit Schneeverwehungen. Da muss man dann schon sehen, dass man auf den geräumten Straßen bleibt.
Wann mussten sie zuletzt an ihre körperlichen Grenzen gehen?
Das war erst letztes Jahr auf dem Staffelberg. Es herrschte so ein heftiger Schneesturm, dass ich schon Probleme hatte, die Kamera zu bedienen. Das Objektiv schneite ständig zu und die Hände wurden richtig klamm. Ich habe schnell mal 20 Kilo auf dem Rücken, wenn ich mit meinem Equipment losziehe. Da ist das auch körperlich schnell eine Grenzerfahrung. Aber das weiß ich ja und bin entsprechend vorbereitet. 2013, bei einer Tour durch Island, war es damals noch anders. Da wurden wir vom Schnee ziemlich überrascht.
Was war passiert?
Das war während einer ganz spontanen Reise mit einem guten Freund meines Bruders, der sich in Island auch gut ausgekannt hat. Und trotzdem mussten wir aus dem Schnee gerettet werden. Die Straßen dort sind eigentlich alle erhaben, weil der Schnee so nicht liegenbleibt, sondern einfach darüber hinwegweht. In einer Kurve rein hatte sich allerdings ein Loch mit Schnee gefüllt und wir kamen nicht mehr raus. Wir haben dann die Landsbjörk angerufen, das isländische THW. Die kamen mit einem riesigen Fahrzeug mit Ballonreifen und haben uns rausgeschleppt. Das war eine echt grenzwertige Tour. Wir waren überrascht, wie schnell das Wetter umschlagen kann.
Als wir damals hin sind, waren wir erst enttäuscht, weil es nur geregnet hatte. Aber dann ist plötzlich über Nacht ein großer Wasserfall einfach gefroren. Dabei hatte es nur minus zehn Grad. Bis bei uns fließendes Gewässer bei so einer Temperatur zufriert, dauert es sicher eine Woche. Aber da waren die Flüsse und Wasserfälle alle zugefroren, weil die Luft die ganze Energie abtransportiert. Das geht wahnsinnig schnell und war ziemlich faszinierend.
Mit Fotos den Naturschutzgedanken fördern
Wettbewerb: Beim Fritz-Pölking-Preis handelt es sich um einen internationalen Fotowettbewerb, der von der Gesellschaft für Naturfotografie (GDT) vergeben wird. Benannt ist der Preis nach dem deutschen Naturfotografen Fritz Pölking, der als einer der Wegbereiter der modernen Tierfotografie in Europa gilt. Ziel des Wettbewerbes soll unter anderem sein, den Naturschutzgedanken mit den Mitteln der Fotografie zu fördern. Online-Galerie: Fotos des diesjährigen Preisträgers Stephan Amm sind im Internet sowohl auf der Seite http://stephan-amm.de als auch auf http://500px.com/stephan_amm zu finden.