Druckartikel: Kronacher Mediziner nennen gute Gründe für die Grippe-Impfung

Kronacher Mediziner nennen gute Gründe für die Grippe-Impfung


Autor: Marco Meißner

Kronach, Mittwoch, 23. Sept. 2020

Während alle über einen Corona-Impfstoff reden, sollte die Grippe-Impfung nicht unter den Tisch fallen. Warum sie wichtig ist - gerade in Zeiten der Pandemie - erklärt Matthias Georgi vom Kronacher Gesundheitsamt.
Der Kronacher Arzt Horst-Peter Wittmann rät zur Grippeimpfung. Foto: Marco Meißner


Herbstzeit ist Grippezeit: In diesen Tagen trudelt der schützende Impfstoff bei den Ärzten im Landkreis Kronach ein. In einer Phase, in der viele Menschen auf ein Mittel gegen das Corona-Virus warten und eine Überschneidung von Corona- und Grippe-Infektion fürchten, stellen sich die Frage nach dem Sinn der Grippe-Impfung. Matthias Georgi, stellvertretender Sachgebietsleiter am Kronacher Gesundheitsamt beantwortet sie unserer Zeitung.

Wann beginnt die Grippe-Impfzeit?

"Die jährliche Influenzawelle hat in Deutschland in den vergangenen Jahren meist nach der Jahreswende begonnen", erklärt Georgi. Nach der Impfung dauert es zehn bis 14 Tage, bis der Schutz vollständig aufgebaut ist. "Um rechtzeitig geschützt zu sein, wird deshalb empfohlen, sich im Oktober oder November impfen zu lassen." Sollte die Impfung in diesen Monaten versäumt werden, kann es laut Georgi auch im Dezember und selbst zu Beginn oder im Verlauf der Grippewelle noch sinnvoll sein, die Impfung nachzuholen. Schließlich ist nie genau vorherzusagen, wie lange eine Influenzawelle andauern wird.

Wie lange hält die Wirkung der Impfung an?

Die Dauer der Immunität betrage laut Fachinformationen in der Regel sechs bis zwölf Monate, stellt Georgi fest. Innerhalb einer Saison sei also keine Auffrischimpfung notwendig.

Stehen ausreichende Mengen an Impfstoff zur Verfügung?

Georgi meint, dass die Veränderung der Versorgung gut zu überprüfen sei, denn das Paul-Ehrlich-Institut informiert auf seiner Webseite (www.pei.de/influenza-impfstoffe) kontinuierlich über die in Deutschland freigegebenen Dosen an Influenza-Impfstoffen. Wer sollte sich sinnvollerweise impfen lassen, wer nicht?

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Influenzaimpfung für:

• alle Personen ab 60 Jahre

• alle Schwangeren ab dem zweiten Trimenon, bei erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens ab dem ersten Trimenon (ein Trimenon entspricht etwa drei Monaten der Schwangerschaft; Anm. d. Red.)

• Personen mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens (wie zum Beispiel chronische Krankheiten der Atmungsorgane, Herz- oder Kreislaufkrankheiten, Leber- oder Nierenkrankheiten, Diabetes oder andere Stoffwechselkrankheiten)

• Bewohner von Alters- oder Pflegeheimen

• Personen, die als mögliche Infektionsquelle im selben Haushalt lebende oder von ihnen betreute Risikopersonen gefährden können.

Geimpft werden sollten im Rahmen eines erhöhten beruflichen Risikos außerdem Personen mit erhöhter Gefährdung (medizinisches Personal etc.), in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr oder die als mögliche Infektionsquelle für von ihnen betreute Risikopersonen fungieren können. Ebenso geimpft werden sollten Personen mit direktem Kontakt zu Geflügel und Wildvögeln (die Impfung schützt zwar nicht vor der Vogelgrippe, aber es werden damit problematische Doppelinfektionen vermieden).

Wie verträglich ist die Impfung?

"Der saisonale Influenza-Impfstoff ist in der Regel gut verträglich", so Georgi. "In Folge der natürlichen Auseinandersetzung des Organismus mit dem Impfstoff kann es bei der Impfung mit dem Totimpfstoff - wie bei anderen Impfungen auch - vorübergehend zu Lokalreaktionen (leichte Schmerzen, Rötung und Schwellung an der Impfstelle) kommen. Der Lebendimpfstoff aus abgeschwächten Influenzaviren kann eine verstopfte oder laufende Nase auslösen. Unabhängig vom Impfstoff treten gelegentlich vorübergehend Allgemeinsymptome wie bei einer Erkältung auf. In der Regel klingen diese Beschwerden innerhalb von ein bis zwei Tagen folgenlos wieder ab."

Heuer geht zusätzlich Corona um: Macht die Impfung da umso mehr Sinn, um das Immunsystem zusätzlich anzuregen, oder sind das zwei Paar Schuhe?

"Die Gruppen, die ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf haben, sind bei Influenza und COVID-19 sehr ähnlich: insbesondere ältere Menschen ab 60 Jahren und Menschen mit Grunderkrankungen", stellt Georgi fest. Diesen Menschen werde auch eine Influenza-Impfung empfohlen. Die Impfquoten seien jedoch seit Jahren zu niedrig. Gerade im Rahmen der COVID-19-Pandemie sei eine hohe Influenza-Impfquote bei Risikogruppen essenziell, um in der Grippewelle schwere Influenza-Verläufe zu verhindern und Engpässe in Krankenhäusern zu vermeiden.

Welche Ärzte/Einrichtungen nehmen die Impfung vor?

Eine Grippeimpfung kann grundsätzlich von jeder Ärztin oder jedem Arzt durchgeführt werden, wie Georgi erklärt. Ebenso bieten einige Arbeitgeber eine Impfung im Betrieb an. "Achten Sie auf die Hinweise der zuständigen Betriebsärztinnen und -ärzte", rät er.

Aus der Praxis eines Hausarztes

Der Kronacher Allgemeinmediziner Horst-Peter Wittmann hofft auf ein Umdenken in der Bevölkerung. "Früher hatten wir Impfquoten von traurigen 20 bis 25 Prozent", erzählt er über die Grippevorsorge in den vergangenen Jahren. Doch heuer scheint sich seine Hoffnung zu verwirklichen.

"Wir beobachten eine deutlich gestiegene Nachfrage. Die Sensibilität der Menschen für das Thema ist gewachsen", schildert er seinen persönlichen Eindruck zum Start der Impfsaison. Gründe dafür mag es seiner Einschätzung nach mehrere geben, aber sicher sei die Corona-Pandemie einer davon. "Das Thema Infektionskrankheiten ist wieder in den Köpfen angekommen." Das sei aber auch notwendig, "denn die Grippe wird wiederkommen und die Corona-Zahlen werden steigen". Wenn es jetzt gelinge, viele Menschen zur Vorbeugung gegen die Grippewelle zu impfen, könnten schwere Verläufe zumindest in einem Bereich abgefedert werden.

Keine Universalimpfung

Ob eine Grippeimpfung das Immunsystem auch gegen Corona unterstützt? "Die Leute denken ganz unterschiedlich darüber. Manche glauben, sie können beides damit verhindern", sagt Wittmann. Doch dabei handele es sich um einen Irrglauben. "Das geht natürlich nicht", stellt er fest.

Die Impfung helfe aber effektiv gegen eine echte Grippe. Gerade für ältere und geschwächte Menschen sei die eine Gefahr, die leider zu oft unterschätzt werde. Wittmann überträgt diese Einschätzung auf Zahlen: "Wir haben etwa 2600 Verkehrstote in Deutschland pro Jahr. In der Grippesaison 2018 hatten wir 30 000 Tote." Das sei die tödlichste Grippewelle der vergangenen 30 Jahre gewesen. Und es seien Menschen, die noch am Leben sein könnten, wenn sie geimpft worden wären.