Kronacher Kreative: Kunst ist Auslegungssache
Autor: Hendrik Steffens
Kronach, Freitag, 16. Januar 2015
Wussten Sie's? Heute ist der Geburtstag der Kunst. Ok, dieser Feiertag ist eher inoffizieller Natur. Dennoch soll er Anlass sein, dass wir uns mit einigen kreativen Protagonisten im Kreis Kronach über ihr Schaffen unterhalten.
Als Künstler sieht sich Professor Horst Böhm nicht. "Ich bin ein Praktiker, der die Pinsel schwingt. Ich male Bilder." Was die dann seien, müssten andere beurteilen. "Man schreibt kein Gedicht, um Literatur zu machen", pflichtet Schriftsteller Ingo Cesaro bei. Dennoch: Beide gehören zu den bekanntesten Kreativen im Kreis Kronach. Wir nehmen den heutigen "Arts Birthday" zum Anlass, einige der Protagonisten der Kronacher Kunstszene nach ihrem Kunstverständnis zu fragen.
Die blaue Tür zur Galerie von Professor Böhm ist am Ende einer Gasse der Oberen Stadt, unweit des Kronacher Rathauses. In der alten Industriehalle stehen, liegen, hängen Dutzende von Bildern. Dazwischen Staffeleien, Tische, Teppiche, ein Aquarium sowie ein Zitronen- und ein Weihnachtsbaum.
Professor Böhm und Ingo Cesaro haben an einem Tisch Platz genommen und trinken Grünen Tee mit Honig.
Erst mal was Solides
Böhm studierte Anfang der 1960er Wirtschaftsmathematik und -Geographie bis zum Vordiplom, Cesaro lernte Industriekaufmann und studierte später Betriebswirtschaftslehre. Was Solides. Die Kunst fiel in die Freizeit. "Malen und Zeichnen hat mir zu der Zeit Spaß gemacht. Aber es war noch kein Ruf, der mich erreichte", sagt Böhm. Der kam später.
Cesaro war in den 1960ern und 70ern als Verwaltungsleiter bei einer amerikanischen Firma, erst in Frankfurt und dann in der Schweiz tätig. Nachts schrieb er Hörspiele. Mit seiner ersten längeren Erzählung kamen die Aufmerksamkeit der Verlage und der Erfolg als Literat, hauptsächlich als Dichter. Er veröffentlichte in zahlreichen Zeitschriften, schrieb mehr als 300 Bücher mit eigenen Werken. Das brachte ihn langsam weg vom "soliden" Beruf und hin zur Kunst.
Lukrativ ist anders
Cesaro macht und verlegt Literatur, ist Organisator von Kunstveranstaltungen sowie Drucker und Galerist. Er ist viel beschäftigt, aber reich wird er damit nicht - auch weil er viel ehrenamtlich arbeitet. Er lebt von dem, was er "unterwegs" macht, wie er sagt: Dem Organisieren von internationalen Kunst- und Literaturprojekten außerhalb Kronachs und seiner mobilen Handpresse - einer Druckerei im Auto -, mit der er Schulen und Universitäten für Kompaktkurse besucht. "Von Buchhonoraren allein können Sie nicht existieren", meint er. "Ich sage immer: Wenn ich in Kronach die Haustüre Tag und Nacht offen lasse, passiert gar nichts. Man muss aktiv sein und hören, wo sich was tut."
Kunst - was ist das?
Horst Böhm hatte als Lehrender den Vorteil, seine Kunst nicht vermarkten zu müssen, um über die Runden zu kommen. Trends musste er sich nie beugen. Die Herangehensweise, wenn er ein Bild malt, vergleicht Böhm mit einem Schachspiel. Es ergebe sich alles - teils intuitiv und spontan geplant - aus dem ersten Zug. "Bei Schach Matt ist das Bild fertig." Seine kreative Triebfeder dabei nennt er den "Götterfunken".
Was das ist, diese Kunst, sei schwer zu beantworten, finden beide. Aber sie sei überall zu finden: "Fußball ist Kunst, Artistik. Auf dem Level, auf dem er heute gespielt wird", sagt der Professor. Cesaro stimmt zu. Wenn jemand bei der Musik aus dem Radio schief mitsinge, dann mache er auch Kunst. Oder auch nicht. Ist egal, finden beide.
Dass "man gern hinschaut"
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten Steinmetze in der Cranachstadt viel Arbeit. Heinrich Schreibers Großvater war einer. "Der hat mich sicher beeinflusst", sagt Schreiber. Er sitzt in einem Ohrensessel in einem Zimmer oberhalb seiner Werkstatt an der Amtsgerichtsstraße und erinnert sich an die Zeit, als er mit zehn Jahren den Wiederaufbau seiner Schule sah. Das prägte. Künstler will er vom Reporter nicht so gern genannt werden. Eher Bildhauer. Irgendwie sei er auch einfach ein Handwerker.
"Wer Bildhauer sein will, muss sich mit dem Material auskennen", sagt Schreiber. Das lernte er als Steinmetz. Da er Talent hatte, fand er Meister, die ihn die Bildhauerei lehrten. Schlussendlich studierte er an der Münchner Akademie der Bildenden Künste. "Ich hatte einen Professor, der es mochte, wenn Leute schon ein Handwerk konnten", erinnert sich Schreiber. Nebenher zeichnete und modellierte er. Künstler, so könne sich jeder nennen. "Mir ist es sympathischer, Bildhauer zu sein. Und das so anständig wie möglich." Eine Säule hält auch ohne Ornamente. Schreiber ist dafür zuständig, das Funktionale so zu gestalten, dass "es Freude macht, man gern hinschaut", wie er sagt.
Er bezeichnet sich als einen der vier Prozent der Kreativen, die von ihrer Gabe leben können. Es sei oft schwer. Zumal wenn man - wie Schreiber - kein sonderlich extrovertierter Verkäufer der eigenen Werke ist. "Aber man muss ja nicht reich werden. Oder ist es vielleicht schon, wenn man von dem, was man gern tut, leben kann."
Malen allein reicht nicht
Für Martin Ludwig ist Kunst "Nahrung für die Seele". Kultur sei für die meisten Menschen zwar nicht so essenziell wie Essen und Trinken, aber Kulturarmut könne sogar zu Krankheiten wie Depression führen, meint der Maler und ausgebildete Kunsttherapeut. Eine kreative Seite habe jeder und müsse sie auch ausleben. "Malerei ist nur ein Beispiel".
Ludwig ist seit 1987 selbstständig als Maler und Galerist. Seit 2003 veranstaltet er Malreisen, betreibt eine Malschule für Kinder und gibt Kurse für Erwachsene. Ludwigs Bilder zeichnet eine Kombination aus intensiven, abstrakten Farbenspielen und natürlichen Zeichnungen oder Fotografien aus. Obwohl er einen Stil gefunden hat, könnte er vom Verkauf seiner Bilder allein nicht leben. "Es reicht insgesamt, um klarzukommen. Und viel mehr ist auch nicht drin", beschreibt er den hiesigen Markt für seine Kunst. Wohl auch deshalb hat er 2010 seine Ausbildung zum Kunst- und Kreativtherapeuten gemacht. Nur zu einem Drittel lebt er vom Verkauf seiner Bilder.
Die Wertschätzung der Kunst im Kreis Kronach bewertet Ludwig als positiv. Mit der Förderung sei es - wegen knapper kommunaler Kassen - schwierig, aber "man stößt auf offene Ohren", sagt Ludwig. Er verweist auf sein "Frankenwald-Memo", ein Memory mit Frankenwald-Motiven, das derzeit im Weißenbrunner Rathhaus beworben und auch verkauft wird. Man müsse die Türen nur selbst öffnen, sagt er. "Von allein geht nichts, aber wenn man mit einer Idee kommt, sind immer Gespräche möglich."
Geburtstag der Kunst?