Kronacher Kinder lassen ihre Hände sprechen
Autor: Heike Schülein
Kronach, Mittwoch, 29. April 2015
Das gehörlose Ehepaar Krug und die schwerhörige Christine Jandy besuchten die Lucas-Cranach-Schule. Sie erzählten den Drittklässlern aus ihrem Leben und brachten ihnen die Gebärdensprache näher.
Da fliegen die Hände der Kinder nur so in die Höhe! Man könnte fast meinen, ihr Lieblingsfußballteam habe gerade die Meisterschaft perfekt gemacht, so begeistert winken die Drittklässler.
Ein Tor hat Jule-Mai zwar nicht geschossen, aber auch ihre "Leistung" kann sich durchaus sehen lassen. Sie hat gerade ihren Namen mit dem Fingeralphabet dargestellt - mit Hilfe eines kleinen Zettels, auf dem die Buchstaben jeweils einzeln durch bestimmte Fingerhaltungen ausgedrückt werden.
Keine leichte Aufgabe. Da braucht man schon gelenkige Finger, und man muss genau hinschauen, weil sich die dargestellten Buchstaben sehr ähneln. Mit den fliegenden Händen drücken ihre Klassenkameraden ihren Beifall aus - genauso wie es das Ehepaar Werner und Theresia Krug im Alltag tut.
Als Baby erkrankt
Werner Krug, Vorsitzender des Gehörlosenvereins
Werner Krug ist bereits seit Geburt gehörlos. Der gelernte Korbmacher arbeitete vor seinem Ruhestand zuletzt als Helfer in einer Küche. Und auch sonst stehen Christine Jandy und die Krugs mitten im Leben. "Ich fühle mich super. Ich habe ein schönes Leben. Ich gehe zum Schwimmen, zum Tanzen und mache Urlaub", "erzählt" Werner Krug mit seinen Händen.
Fingeralphabet als Hilfsmittel
Die Gebärdensprache kommt ohne hörbare Wörter aus und wird von gehörlosen oder schwerhörigen Menschen zur Verständigung genutzt. Für einzelne Wörter gibt es eine bestimmte Gebärde und zudem das Fingeralphabet als Hilfsmittel bei nicht so gebräuchlichen Wörtern.
Sie ist eine Mischung aus Handbewegungen, Mimik, Mundbildern und Körperhaltung. Die Gebärdensprache des Ehepaars Krug wurde von Christine Jandy "übersetzt". "Aber meistens schaffte es der lebenslustige Johannisthaler, sich auch ohne Worte zu verständigen. So formte er mit seinen Händen ein großes Herz, gerichtet an seine Ehefrau, eine gebürtige Salzburgerin, mit der er seit über 40 Jahren verheiratet ist.
Drei hörende Kinder
Beide lernten sich bei einem Treffen der Gehörlosenvereine aus Bamberg und Salzburg kennen. Gemeinsam haben sie einen Sohn und eine Tochter sowie drei Enkelsöhne, die allesamt hören können. Der Gehörlose streckte seinen Daumen in die Höhe oder auch mal in die Tiefe - für gut oder schlecht. Auch als die Kinder selbst bestimmte Begriffe pantomimisch darstellen sollten, ging ihr hilfesuchender Blick ein ums andere Mal in seine Richtung.
Dem Johannisthaler fiel immer etwas Passendes ein. Ein Affen machte er mit Kratzen am Kopf nach, Schwimmbewegungen standen für einen Fisch, und schließlich "malte" er Schnurrharre für eine Katze in die Luft. Die Kinder hatten viel Spaß und kamen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.
So hatten sie sich eine Begegnung mit gehörlosen oder schwerhörigen Menschen nicht vorgestellt. Es war nämlich offensichtlich, dass die drei Gäste trotz ihrer Einschränkung und den damit verbundenen Schwierigkeiten viel Spaß am Leben haben, sie lustig und aufgeschlossen sind.
Hilfsmittel für den Alltag
Im Alltag verfügen sie über Hilfsmittel wie Wecker oder Haustürklingeln, die blinken und "blitzen". Ganz wichtig sind für sie ein Faxgerät, ein Computer und ein Smartphone zum SMS-Schreiben. Auch Autofahren ist möglich.
"Meine Kolleginnen und ich haben im Unterricht das Thema Ohr und Schall, den Aufbau des Gehörs und auch Störungen sehr ausführlich behandelt", erzählt Lehrerin Susanne Raab. In diesem Zusammenhang habe man auch die drei Gäste eingeladen. Damit wollte man den Drittklässlern ermöglichen, einmal selbst von Betroffenen zu hören, wie ein Leben mit Schwerhörigkeit und Gehörlosigkeit aussieht. "Ich finde es toll, wie interessiert die Kinder sind und wie eifrig sie mitmachen", freut sich die Lehrerin.
Und in der Tat: Ohne Berührungsängste lernten die Schüler einerseits den unverkrampften Umgang mit Gehörlosen. Andererseits konnten sie sich eine Vorstellung davon machen, wie das Leben ohne Gehör ist. Die Jungen und Mädchen zeigten sich dann auch schwer beeindruckt davon, wie die Drei ihr Leben mit Handicap meistern. "Das hat Spaß gemacht, wir haben viel gelernt", meinten die achtjährige Jule-Mai und ihre ein Jahr ältere Freundin Vivienne, beide aus Kronach.
Übrigens: Das gehörlose Ehepaar Krug und Christine Jandy besuchen gerne Kindergärten und Schulen. Interessierte können sich gerne bei ihnen melden.