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Kronacher Jugendamt: Darauf sollten Eltern unbedingt achten


Autor: Marian Hamacher

Kronach, Mittwoch, 24. Juli 2019

Manche Kinder werden früher selbstständig, manche später. Doch ab welchem Alter dürfen sie alleine zu Hause bleiben? Klare Vorgaben gibt es nicht.
Kinder sollten behutsam darauf vorbereitet werden, alleine zu Hause zu bleiben, rät das Jugendamt. Symbolfoto: Irina Schmidt/stock.adobe.com


Kaum ist der Notruf bei der Integrierten Leitstelle Coburg eingegangen, sind Polizei und Feuerwehr bereits auf dem Weg zum Einsatzort im Kronacher Stadtgebiet. Zeit gilt es schließlich, grundsätzlich nicht zu verlieren. Und bei einem solchen Anruf erst recht nicht. Ein Kind sitze im ersten Stock auf dem Fensterbrett und habe angekündigt zu springen, gibt der besorgte Anrufer dem Disponenten durch.

So schnell die Helfer loseilten, hat sich ihr Adrenalinspiegel aber auch schon wieder eingependelt. "Ich konnte ganz normal mit dem Jungen reden. Er wollte auch nicht springen, sondern einfach nur zu seiner Mutter, die nicht zu Hause ist", sagt Christian Büttner, der Kommandant der Kronacher Feuerwehr.

Zum Einsatz kam die Drehleiter der Feuerwehr dennoch. Weil die Haustür versperrt war und sich in der Wohnung kein Schlüssel fand, durfte der sechs Jahre alte Junge in den metallenen Rettungskorb der Drehleiter klettern. "Die Kollegen haben ihn mit auf die Dienststelle genommen, wo ihn seine Mutter, dann abgeholt hat", erklärt Gerhard Anders, der Pressesprecher der Kronacher Polizeiinspektion.

Keine klaren Vorgaben

Nur warum war der Junge überhaupt alleine zu Hause? Sie sei Einkaufen gewesen, habe die Mutter angegeben, so Anders. Eine Entscheidung, die der Pressesprecher persönlich nicht nachvollziehen kann - auch wenn es immer auf das einzelne Kind ankäme. "Wenn ich aber einen Sechsjährigen alleine daheim lasse, der dann auf dem Fensterbrett sitzt, frage ich mich schon, ob die Mutter der Aufsichtspflicht hier entsprechend nachgekommen ist." Daher schalteten die Beamten auch vorsorglich das Jugendamt ein.

Das muss nun eine Antwort auf die Frage finden, ob die Aufsichtspflicht tatsächlich verletzt wurde. Eine knifflige Angelegenheit. Klare Vorgaben macht der Gesetzgeber Eltern nämlich nicht gerade. Zwar heißt es im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), dass die Personensorge der Eltern unter anderem die Pflicht und das Recht beinhaltet, ihr Kind zu beaufsichtigen - was ein paar Paragrafen zuvor aber bereits relativiert wird. Eltern sollten auch die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbstständigem, verantwortungsbewusstem Handeln berücksichtigen, heißt es dort.

Eine Checkliste gibt es nicht

Lässt sich das grob mit "verlasst euch auf euren gesunden Menschenverstand" zusammenfassen? Eltern könnten im Gesetz tatsächlich nicht lesen, was sie im Einzelfall dürfen oder besser lassen sollten, bestätigt Ulrike Martin, die stellvertretende Leiterin des Kronacher Jugendamts auf FT-Anfrage. "Das heißt aber auch, dass Eltern immer gefordert sind, zwischen ihrer Pflicht, ihr Kind zu beaufsichtigen und dem Recht des Kindes auf eine seinem Entwicklungsstand entsprechende Selbstständigkeit, abzuwägen", betont sie. Rechtlich als auch erzieherisch sei das sicherlich nicht immer eine einfache Aufgabe, räumt sie ein.

Eine Checkliste, wann, wie lange und in welchen Fällen man sein Kind für eine bestimmte Zeit alleine zu Hause lassen kann oder wie man den richtigen Zeitpunkt erkennt, gebe es schlichtweg nicht. Das sei "je nach Charakter und Entwicklungsstand des Kindes sehr individuell". Kinder, die im selben Alter sind, könnten in der Entwicklung ihrer Selbstständigkeit unterschiedlich weit sein.

Nicht überfordern

Manche Kinder könnten etwa unter Trennungsängsten deutlich stärker leiden als andere. "Eltern müssen also von Situation zu Situation immer wieder neu abwägen, was sie ihrem Kind zutrauen können", erklärt Martin. "Letztendlich ist es immer die Verantwortung der Eltern, dafür Sorge zu tragen, dass ihr Kind weder sich selbst noch anderen Schaden zufügt."

Wenn Eltern den Zeitpunkt gekommen sehen, ihr Kind für eine gewisse Zeit alleine lassen zu können, sollten sie es behutsam an die Situation heranführen, rät Martin. Wichtig sei, stets Klarheit und Verlässlichkeit zu gewährleisten. "Man sollte alles mit dem Kind vorab - und am besten auch danach - genau besprechen und üben." Fragen, die dabei zu klären sind, seien: "Wie lange bin ich weg?" Und: "Wo gehe ich hin?"

Insbesondere sollten Eltern immer telefonisch für das Kind erreichbar sein und auch für einen Ersatzansprechpartner sorgen. "Man sollte sich auch fragen, wie schnell man wieder beim Kind sein kann", erklärt die stellvertretende Jugendamtsleiterin. Dabei gelte es dann freilich wieder, das Alter des Kindes und dessen Entwicklungsstand zu berücksichtigen. "Keinesfalls sollte man sein Kind überfordern oder auf den Gedanken kommen, es zu Hause einzusperren oder kurz wegzugehen, weil es gerade schläft."

Das scheint den Eltern im Landkreis bislang insgesamt recht gut zu gelingen. "Vorsätzliche Aufsichtspflichtverletzungen sind aber die absolute Ausnahme", sagt Martin. "Eher kommt es vor, dass Eltern ihre Kinder und was sie ihnen schon zutrauen können, überschätzen." Zu welchen Folgen das führen kann, hat der Einsatz von Polizei und Feuerwehr einmal mehr bewiesen.

Familienbroschüre

Informationen über die Betreuungsdienste für Kinder im Kreis Kronach sind in einer Familienbroschüre zusammengefasst. Diese ist als gedrucktes Exemplar verfügbar, kann aber auch hier aus dem Internet heruntergeladen werden.