Kreis Kronach: Angeklagter fehlt bei Urteilsverkündung - So geht es nun weiter
Autor: Marian Hamacher
Kronach, Freitag, 07. Juni 2019
Am Mittwoch (05.06.2019) sorgte eine Verhandlung am Coburger Landgericht für Verwunderung: Der im Kreis Kronach untergebrachte Angeklagte fehlte. Das sind die Folgen.
Noch gilt Christoph Gillot die nahezu ungeteilte Aufmerksamkeit. Kaum hat der Richter Platz genommen, wandern die Blicke der meisten Anwesenden aber schon fragend auf die linke Seite. Zur Anklagebank. Die ist zwar gut gefüllt - allerdings nicht so voll wie während der vergangenen Verhandlungstage. Anwalt, Angeklagter, Dolmetscher, Anwalt, Angeklagter, Dolmetscher, hieß während der sechs Verhandlungswochen die gewohnte Sitzreihenfolge am Coburger Landgericht.
Zur Urteilsverkündung am Mittwochvormittag - verhandelt wurde wegen schwerer Körperverletzung - blieb der Platz neben Verteidiger Michael Linke allerdings leer (wir berichteten). Eigentlich hätte hier der Ältere der beiden Angeklagten, ein 23-jähriger Afghane, sitzen sollen.
Drei Wochen Zeit
Ein Urteil gab es dennoch. "Das ist zwar nicht üblich, aber möglich", erklärt Johannes Tränkle, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Coburg auf FT-Anfrage. Denn prinzipiell müsse ein Angeklagter an jedem Verhandlungstag vor Ort sein. Sofern allerdings ein Verteidiger anwesend ist und keine Aussage des Angeklagten mehr vorgesehen ist, bietet das Strafgesetzbuch der Kammer die Möglichkeit, dennoch weiter zu verhandeln (siehe Infokasten). "Und weil es am Mittwoch nur noch um die Urteilsverkündung ging, ist dieser Weg gegangen worden", sagt Tränkle.
Anders hätte es ausgesehen, wenn die Verhandlung noch nicht soweit fortgeschritten gewesen wäre. Dann hätte die Staatsanwaltschaft drei Wochen Zeit gehabt, den Angeklagten zu finden. "Wenn man die Sitzung innerhalb der Frist nicht neu ansetzen kann, muss die Verhandlung aber wieder komplett bei null beginnen", erklärt Tränkle. Was für den Geschädigten bedeutet hätte, die Strapazen einer Verhandlung erneut durchleben zu müssen. Das blieb dem 51-Jährigen, dem bei einer Schlägerei am Kronacher Marienplatz im Mai 2018 mehrfach gegen den Kopf getreten wurde, nun erspart.
Was nicht strafbar ist
Den 19-jährigen Haupttäter verurteilte das Gericht zu drei Jahren und neun Monaten Gefängnis, dem 23-Jährigen legte es in dessen Abwesenheit 60 Stunden gemeinnützige Arbeit und mindestens drei Termine bei einer Suchtberatungsstelle auf. Erhöhen wird sich die Strafe des Afghanen übrigens nicht.
Es handelt sich nämlich um keine strafbare Handlung, vor Gericht nicht zu erscheinen. "Es kann dann aber ein Sitzungshaftbefehl ergehen, und der Angeklagte wird von der Polizei abgeholt", erklärt der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Haarig würde es für den 23-Jährigen erst werden, wenn er seine Sozialstunden nicht ableistet. Dann droht nämlich ein sogenannter Ungehorsamsarrest.
Die Frage ist, ob er noch überhaupt dazu kommt, die Sozialstunden abzuleisten. "Der letzte Asylantrag wurde zu seinen Lasten entschieden", stellte Gillot nämlich fest. Abgeschoben worden ist der junge Mann, der bisher zusammen mit anderen aus Afghanistan Geflüchteten in der Wohngemeinschaft im Kreis Kronach lebte, nach Angaben des Ausländeramtes aber noch nicht. Seine Mitbewohner hätten ihn seit zwei Tagen nicht mehr gesehen und die in den Gerichtsakten hinterlegte Handynummer sei permanent besetzt, hieß es während der Verhandlung am Mittwoch. Der Verdacht: Der 23-Jährige ist wegen seiner nun drohenden Abschiebung untergetaucht.