Kopfschütteln Richtung Thüringen
Autor: Sandra Hackenberg
Kronach, Donnerstag, 06. Februar 2020
Einen Tag nach dem historischen Wahl-Eklat im Nachbarbundesland finden die hiesigen Parteivertreter deutliche Worte.
Entglittene Gesichter, Zwischenrufe wie auf dem Wochenmarkt und ein fliegender Blumenstrauß - dieses traurige Schauspiel bot sich am Mittwoch im Thüringer Landtag, als FDP-Fraktionsvorsitzender Thomas Kemmerich überraschend zum neuen Ministerpräsidenten gewählt wurde - zumindest für 24 Stunden und 34 Minuten. Dann kündigte er seinen Rücktritt an.
Ein Eintrag in den Geschichtsbüchern wäre dem Aachener damit zumindest sicher. Denn nicht nur die Amtszeit ist rekordverdächtig: Kemmerich ist der erste Landeschef, dem die AfD die Steigbügel gehalten hat. Der Entscheidung zum Rücktritt vorangegangen war ein Besuch von FDP-Chef Christian Lindner am Donnerstagvormittag in Erfurt.
Aus Sicht vom CSU-Kreisvorsitzenden Jürgen Baumgärtner war dies nicht nur folgerichtig, sondern die einzig richtige Entscheidung: "Man nimmt keine Ämter an, die auf Grundlage der Stimmen der AfD zustande kommen. Keine Zusammenarbeit und keine Stimmen von der AfD."
Zwar sei das Verhalten der FDP direkt nach der Wahl inakzeptabel gewesen. Baumgärtner räumt jedoch ein, dass sich auch die Thüringer CDU "nicht mit Ruhm bekleckert hat." So hätte sie den Wahlausgang erst ermöglicht, indem sie keinen eigenen Kandidaten ins Rennen geschickt hat: "Die CDU muss anfangen, wieder ein Profil zu entwickeln. Dann klappt's auch mit den Mehrheiten."
Das Wahlverhalten der Thüringer Christdemokraten müsste auch auf Bundesebene Konsequenzen haben, findet SPD-Kreisvorsitzender Ralf Pohl: "Die CDU hätte sich enthalten können, doch das haben sie nicht. Landesverbände dürfen autonom agieren, doch bei grundlegenden Parteirichtlinien darf es keine Abweichungen geben." Mike Mohring habe sich schlicht verzockt.
Dass Kemmerich die Wahl zuerst angenommen hat, ist laut Pohl "ein Skandal allererster Güte. Er hätte das Mandat ablehnen können. Doch Kemmerich hat es billigend in Kauf genommen, dass er von Leuten der AfD gewählt wurde." Den als rechtsextrem geltenden Thüringer AfD-Chef Björn Höcke hält Pohl für einen gefährlichen Mann, dessen Partei durch den Wahlverlauf die Möglichkeit gegeben wurde, ihre Wichtigkeit darzustellen: "Die AfD konnte so in die Rolle schlüpfen, den Ministerpräsidenten zu wählen. Die Gefahr war offensichtlich, man hatte sie kommen sehen."
Ob es im Vorfeld der Thüringen-Wahl Gespräche zwischen AfD und CDU oder FDP gegeben hat, darüber möchte der Kronacher SPD-Kreisvorsitzende keine Spekulationen anstellen - verweist aber auf ein Zitat des ehemaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden Sigmar Gabriel, das ihm gut gefallen habe: "Wer glaubt, dass FDP und CDU nichts davon gewusst haben, dass die AfD ihren FDP-Kandidaten zum Ministerpräsidenten in Thüringen wählt, glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten."