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Königlich Tettau droht eine Entlassungswelle


Autor: Marco Meißner

Tettau, Montag, 23. März 2015

Bei der traditionsreichen Porzellanfabrik Königlich Tettau zittern die Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze. Geschäftsführung und Gewerkschaft nennen unterschiedliche Ursachen für die Krise.
Die Zukunft der Porzellanfabrik in Tettau ist ungewiss. Foto: Archiv/Ronald Rinklef


Sind es die schwierigen Rahmenbedingungen, welche die Porzellanfabrik Königlich Tettau in die Bredouille bringen? Oder liegt es daran, dass die übergeordnete Seltmann-Gruppe die Zeichen der Zeit nicht erkannt und nicht rechtzeitig reagiert hat? Den etwa 60 Arbeitnehmern in Tettau wird es egal sein, ob die Seltmann-Geschäftsführung oder die Gewerkschaft IG BCE Recht hat. Sie bangen um ihre Jobs.

Seltmann-Geschäftsführer Werner Weiherer will mit offenen Karten spielen, wie er am Telefon von Anfang an betont. Daher geht er im Gespräch mit unserer Zeitung auch gleich ans Eingemachte.

Ja, in Tettau drohen Einschnitte, bestätigt Weiherer, dass man über die Verlagerung von Teilen der dortigen Produktion zu Seltmann nachdenkt. Und ja, Kündigungen würden damit einhergehen. Man werde aber versuchen, den Betroffenen an anderen Standorten Stellen anzubieten. Wie viele der fünf Dutzend Beschäftigten bei der Königlichen in den sauren Apfel beißen müssen und wie vielen man eine Alternative bieten kann, darauf wollte sich Weiherer noch nicht festlegen. "Ich kann Ross und Reiter erst nennen, wenn die Gespräche geführt wurden", sagt er im Hinblick auf den noch ausstehenden Verhandlungstermin mit der Gewerkschaft und dem Betriebsrat.

Was Weiherer jedoch nennt, sind die Gründe für die schwierige Lage bei Königlich Tettau. "Dort sind wir im Premiumgeschirrbereich tätig", sagt er. Seit es im Mittelmeerraum "kriselt", sei Italien als Hauptexportland weggebrochen. "Die Italiener kaufen jetzt Billiggeschirr aus Fernost", unterstreicht der Geschäftsführer das Problem.

Zweiter Brennpunkt: Russland

Inzwischen ist laut Weiherer mit dem Verfall des Rubels in Russland ein weiteres Standbein verloren gegangen. "Da waren wir sehr gut unterwegs", bedauert er diese negative Entwicklung. Weil inzwischen unklar sei, ob die Kunden dort auch zahlen können, schicke man die Ware nicht mehr raus.

Auf dem nationalen Markt habe es die Porzellanindustrie heute ebenfalls schwer. Etwa 40 bis 50 Händler fielen Seltmann jährlich weg. Das summiere sich. Weiherer sucht nun das Gespräch mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft, um einen Interessenausgleich und einen Sozialplan zu erreichen. Erst dann will er öffentlich ins Detail gehen. "Ich glaube, im Moment muss ich das Recht der Belegschaft berücksichtigen, zuerst zu erfahren, was mit ihren Arbeitsplätzen geschieht", betont er.

Bis es zu diesen Gesprächen kommt, kann es aber noch einige Zeit dauern. Gewerkschaftssekretär Sascha Spörl erkennt von seiner Warte aus nämlich keinen akuten Handlungsbedarf. Er sieht erst einmal Seltmann in der Pflicht. "So lange ich keine Zahlen und kein Konzept habe, wie es an dem Standort weitergehen soll, so lange kann ich nicht verhandeln", mahnt er die entsprechenden Unterlagen bei Werner Weiherer an. Bis jetzt habe er sie nicht erhalten. "Ich tappe im Dunkeln", betont er.

Da er davon ausgeht, dass rund 90 Prozent der Jobs in Tettau auf der Kippe stehen, will er nicht ohne handfeste Planungen für das Werk oder einen Einblick in die Bilanzen der vergangenen Jahre in die Verhandlungen gehen.
Worin er Weiherer beipflichtet, ist, dass die Porzellanindus trie generell seit Jahrzehnten schwierige Bedingungen vorfindet. Allerdings fügt er hinzu, dass sich manche Unternehmen darauf eingestellt und weitsichtig die Weichen gestellt hätten - andere eben nicht. "Was wurde bei der Königlichen gemacht?", fragt er rhetorisch, um sich selbst gleich eine Antwort zu geben: "Relativ wenig!"

Genau das wurmt ihn. Die Beschäftigten und ihre Vertreter würden nur dann ins Boot geholt, wenn Geld gebraucht werde. Und die Arbeitnehmer hätten mit dem Verzicht auf Urlaubs- oder Weihnachtsgeld sowie der flexiblen Handhabung der Arbeitszeiten mehrfach ihr Engagement für ihren Arbeitgeber bewiesen. Wohin in der Unternehmensgruppe die eingesparten Gelder dann geflossen sind, könne die Gewerkschaft nicht nachvollziehen. Nennenswerte Investitionen in den Standort Tettau seien jedoch Fehlanzeige.

Watsche für Belegschaft

Darum sieht er den bevorstehenden Schritt von Seltmann mit Verlagerung und Stellenabbau auch aus moralischer Sicht äußerst kritisch: "Die Belegschaft hat es nicht verdient, jetzt so abgewatscht zu werden."
Heikel sei auch die Altersstruktur bei den Tettauer Beschäftigten. Sie seien zumeist aus der Generation "50 plus". Für diese Leute sei es einerseits schwer, aus der angestammten Heimat wegzugehen oder beispielsweise nach Weiden zu pendeln. Andererseits könnten sie kaum neue Jobs finden oder schon an einen Übergang in die Rente denken.

"Es liegt jetzt an Herrn Weiherer, ob er die Zahlen liefern kann und will, sowie daran, ob Seltmann ein Konzept vorlegt, wie es in Tettau mit dann vielleicht noch zehn Beschäftigten weitergehen soll", erklärt Spörl, nicht den ersten Schritt für Verhandlungen tun zu wollen.