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Julius Obermeier: angesehen und integriert


Autor: Redaktion

Kronach, Freitag, 15. April 2016

Vor 80 Jahren wurde der Gundelsdorfer Fabrikbesitzer Julius Obermeier tot in seiner Gefängniszelle aufgefunden.


Julius Obermeier kam am 11. Oktober 1867 in Bamberg als Sohn des jüdischen Kaufmanns David Obermeier und seiner Frau Cäcilia, einer geborenen Morgenroth, zur Welt. Der Vater David führte in Bamberg zusammen mit seinem Schwager Jakob Morgenroth und später mit dessen Sohn Emil eine gut gehende Hopfenhandlung. Gerade der Hopfenhandel war zu diesem Zeitpunkt ein Gewerbe, das florierte und für die Bamberger Brauindustrie von großer Bedeutung war. Die Familie wohnte in dieser Zeit in der vornehmen Hainstraße, die gerade im Entstehen begriffen war und in der sich überwiegend wohlhabende jüdische Kaufleute und Bankiers niederließen. 1894 heiratete er in Bamberg die Witwe Marie Margaretha Dessauer, die fast 15 Jahre älter als er war. Sie war eine Tochter der Lokomotivführerseheleute Georg Konrad und Babette Kellermann und gebürtig aus Neuenmarkt. Marie war zwar Protestantin, aber bereits in erster Ehe mit einem Bamberg Juden, Heinrich (Isidor) Dessauer, verheiratet gewesen. Dies war nicht die einzige Gemeinsamkeit zwischen den beiden Ehemännern, denn wie Julius Obermeier stammte auch Heinrich Dessauer aus einer bekannten Bamberger Hopfenhändlerfamilie.


Wichtiger Arbeitgeber

1898 erwarb Obermeier in Gundelsdorf eine Ziegelei, die er im folgenden Jahr stark erweiterte und die er nach seiner Frau "Marie" nannte. 1910 erfolgte der Umzug des Ehepaars Obermeier nach Gundelsdorf, wo sie zuvor eine repräsentative Villa (den heutige Kindergarten) errichtet hatten. Kurze Zeit später machte ein Brand der Fabrik erneute Bauarbeiten nötig. Obermeier nutzt dies jedoch um seinen Betrieb weiter auszubauen, der mit 50 bis 60 Beschäftigten ein bedeutender Arbeitgeber und wichtigster Steuerzahler der Gemeinde Gundelsdorf war. Seit 1912 betrieb er zusätzlich in der Blumau eine Hufeisenfabrik. Als während des Ersten Weltkrieges die Produktion der Ziegelei aufgrund von fehlenden Arbeitskräften eingestellt werden musste, verlegte sich Julius Obermeier zwischenzeitlich auf die Herstellung von Geschosskörben.


Wohlhabender Fabrikant

Julius Obermeier war zwar formell Mitglied der jüdischen Gemeinde in Kronach und als wohlhabender Fabrikant auch immer in der höchsten Klasse für die Erhebung der Gemeindesteuer veranschlagt, aber am Gemeindeleben nahm er offenbar nur wenig oder gar nicht teil. Auch ein Amt innerhalb der jüdischen Gemeinde versah er zu keinem Zeitpunkt. Viel stärker integriert waren die Obermeiers dagegen im Dorf- und Gemeindeleben von Gundelsdorf und anderen benachbarten Orten. So setzte er sich für die Errichtung der Kapelle für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges ein. Mehr als 10 Jahre war Julius Obermeier außerdem Vorstand des örtlichen Zimmerstutzen-Vereins und wurde 1932 sogar zum Ehrenvorstand erhoben. Auch auf sozialer und kirchlicher Ebene engagierte sich das kinderlose Paar sehr. So spendeten die Obermeiers 1928 anlässlich des Kirchenbaus in Burggrub 10.000 Backsteine, ebenso wie sie im gleichen Jahr unter den Spendern des Haiger Kirchenbaus genannt sind.
Im Fadenkreuz der Nazis


Festnahmen

Bereits Anfang März 1933, nur wenige Tage nach der "Machtergreifung" der Nationalsozialisten, erfolgte die erste Festnahme Obermeiers, der mittlerweile verwitwet war. Nur einen Monat darauf kam es zur erneuten Verhaftung, bei der er mehrere Tage als sogenannter Schutzhäftling erst in Kronach und dann in Bayreuth festgehalten wurde. In beiden Fällen dürfte die Verhaftung keinen direkten Grund gehabt haben, sondern diente vermutlich lediglich der Einschüchterung und Bedrohung - eine Taktik, die man auch bei zahlreichen anderen jüdischen Geschäftsleuten, aber auch politischen Gegnern von Beginn an anwandte. Nur der Umstand, dass Obermeier als Jude ein wohlhabender, erfolgreicher Fabrikant und Arbeitgeber ganzer Familien war, reichte aus, um immer wieder in das Fadenkreuz der Nazis zu geraten. Eine weitere Verhaftung verbunden mit dem Vorwurf der Steuerhinterziehung erfolgte wenig später. Bereits 1934 überführte er sein Unternehmen in eine GmbH und zog sich von der Geschäftsführung zurück, nachdem er als jüdischer Unternehmer immer stärkere Repressalien erfuhr.


Angebliche Rassenschande

Mit dem Inkrafttreten der Nürnberger Rassengesetze im Herbst 1935 wurden nicht nur Eheschließungen zwischen Juden und "Deutschblütigen" verboten, sondern auch sexuelle Kontakte bis hin zu Zärtlichkeiten und Küsse konnten als Rassenschande bestraft werden. Nach der Verurteilung folgte in vielen Fällen die Einweisung in ein Konzentrationslager, in den 40er Jahren wurden in mehreren Fällen sogar Todesstrafen verhängt. Unter diese Anklage der Rassenschande geriet Julius Obermeier, dem eine jahrelange Beziehung zu einer verheirateten Kronacherin nachgesagt wurde, Anfang März 1936. Allein der Vorwurf war ausreichend um bei Obermeier und seiner angeblichen Geliebten Hausdurchsuchungen durchzuführen und Unterlagen zu beschlagnahmen. Obermeier wurde umgehend als sogenannter Schutzhäftling in das Kronacher Amtsgerichtsgefängnis gebracht, während man am Landgericht Coburg mit den Voruntersuchungen begann. Möglicherweise hatten die Nationalsozialisten auf vor, das Verfahren zu einem Schauprozess aufzubauschen.

Doch es kam anders. Am 15. April fand man den 68-jährigen Obermeier tot in seiner Zelle. Die genauen Umstände seines Todes sind nicht bekannt. In offiziellen Mitteilungen wird von einem Herzleiden gesprochen, doch kann man sich denken, was er während seiner einmonatigen Haft zu erleiden hatte. In der nationalsozialistischen Tageszeitung "Bayerische Ostmark wird sein Tod nur am Rande mit den Worten erwähnt, der "Skandal-Obermaier" habe mit dem Tod des Angeklagten "für alle Beteiligten ein sehr günstiges Ende gefunden".


Am nächsten Tag verbrannt

Bereits am nächsten Tag brachte man Obermeiers Leichnam nach Coburg, wo er im dortigen Krematorium verbrannt wurde. Ganz offensichtlich diente dies dazu, etwaige Spuren über die Misshandlung, die er in der Gefangenschaft erlitten hatte, zu vertuschen, denn die Einäscherung eines Toten wird nach den jüdischen Religionsvorschriften eigentlich abgelehnt. Seine Urne wurde in Bamberg auf dem jüdischen Friedhof bestattet, wo für ihn auch ein Grabstein errichtet wurde. Erben seines Vermögens wurden die drei Nichten seiner Frau, die in der Folgezeit die Immobilien und Liegenschaften in Gundelsdorf veräußerten. Die Weiterführung des Betriebs übernahm der langjährige Prokurist der Firma, dem testamentarisch von Obermeier das Vorkaufsrecht zugesichert worden war. Der Besitz Obermeiers wurde mittels einer öffentlichen Versteigerung in alle Winde zerstreut. Nur wenige Jahre später sollte auf dem Gelände seiner Ziegelei schließlich sogar ein Zwangsarbeitslager für jüdische Gefangene errichtet werde.

(Text: Christian Porzelt)