Jugendgerichtshilfe in Kronach: Die Entscheider im Hintergrund
Autor: Marian Hamacher
Kronach, Freitag, 22. März 2019
Viel Verantwortung - und kaum einer weiß es: Auf Basis der Einschätzung von Jugendgerichtshelfern entscheiden Jugendrichter über das Strafmaß. Denn zum Erwachsenenstrafrecht gibt es vor allem einen großen Unterschied. Viel
Null. Ein zufriedenes Lächeln huscht über Katja Grahmanns Gesicht, als sie auf den Zettel blickt, der vor ihr auf dem Schreibtisch liegt. Die Zahl gefällt ihr. 59 Jugendliche oder Heranwachsende bekamen im vergangenen Jahr vom im Kronacher Amtsgericht angesiedelten Jugendgericht eine Strafe aufgebrummt. Acht verschiedene Ahndungsarten stehen in der Statistik zur Auswahl. Hinter den Spalten "Jugendarrest" und "Jugendstrafe" - jeweils gleichbedeutend mit einem Freiheitsentzug - prangt die Null. 2017 sah das noch anders aus. "Letztlich ist jeder Jugendliche, der nicht ins Gefängnis muss, ein Erfolg", sagt Grahmann.
Darauf, ob eine Anklage hinter Gittern endet oder vergleichsweise glimpflich, wie mit gemeinnütziger Arbeit oder einer Geldbuße, hat die 49-Jährige entscheidenden Einfluss. "Meine Aufgabe ist es, dem Jugendrichter zuzuarbeiten und den Jugendlichen zu begleiten", erklärt sie. "Der Richter will wissen, mit wem er es zu tun hat." Daher stellt sie dem Jugendgericht zusammen, wie die bisherige Entwicklung des jungen Angeklagten aussah, aus welchem Umfeld er stammt und wie dessen Persönlichkeit aussieht. "Dann schlage ich noch die Ahndungsart vor, nicht aber die Höhe", betont Grahmann.
Normen und Werte
Seit 2002 arbeitet die Sozialpädagogin im Kreisjugendamt und ist dort unter anderem für die Jugendgerichtshilfe zuständig. Das bedeutet: Sobald ein Strafverfahren gegen einen jungen Menschen eingeleitet wird, der zwischen 14 und 21 Jahre alt ist, wird Grahmann oder einer ihrer fünf Kollegen aktiv - je nachdem, in welchem Bereich des Landkreises der Jugendliche wohnt. Wer in Küps, Neuses, Ziegelerden, Dörfles, Gundelsdorf, Glosberg oder Knellendorf Post von der Staatsanwaltschaft erhält, wird es mit Grahmann zu tun bekommen.
Denn anders als beim Erwachsenenstrafrecht steht im Jugendstrafrecht nicht die Sühne einer Tat im Vordergrund. "Das Ziel ist, die Jugendlichen zu erziehen - und nicht, sie zu kriminalisieren", fasst es Grahmann zusammen. Das Gericht wolle Normen und Werte durchsetzen. Doch welcher Weg führt am schnellsten zu diesem Ziel? Muss der straffällig gewordene Jugendliche nur leicht in die richtige Richtung geschubst werden? Ist er schon komplett vom rechten Weg abgekommen? Muss gar ein ganz neuer Weg eingeschlagen werden? Und wie ist er überhaupt auf die schiefe Bahn geraten?
Es ist an Grahmann und ihren Kollegen, genau das herauszufinden. "Zunächst erarbeite ich einen Lebenslauf und exploriere wichtige Ereignisse im Leben des jeweiligen Jugendlichen", erzählt die Sozialpädagogin. Das seien Punkte, die es ihm in der Vergangenheit schwer gemacht haben. "Ist er oft umgezogen? Ist er in der Schule schon aufgefallen? Sind Krankheiten im Spiel?", zählt sie auf. All diese Kriterien, die die Persönlichkeit beeinflussen, gelte es zu berücksichtigen. "Der Richter und der Staatsanwalt verlassen sich auf meine Einschätzung", ist sich Grahmann ihrer Verantwortung bewusst. Für den Jugendlichen, aber auch für die Allgemeinheit.
Darüber, ob eine Grenze nun überschritten und eine Gefängnisstrafe unausweichlich geworden ist, entscheidet zwar das Gericht, es stützt sich dabei aber auf die Sozialprognose der Jugendgerichtshilfe. "Dafür versuchen wir zu ergründen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass er nicht noch einmal straffällig wird", sagt Grahmann.
Wer schlechte Karten hat
Hat der Angeklagte eine Ausbildungsstelle und einen geregelten Tagesablauf, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Justiz noch einmal ein Auge zudrückt. Wer hingegen nur in den Tag hinein lebt, hat da schon schlechtere Karten.