Jäger machen das "grüne Abitur"
Autor: Karl-Heinz Hofmann
Pressig, Mittwoch, 22. Juli 2015
Angehende Waidmänner müssen mindestens 120 Stunden theoretische und praktische Ausbildung nachweisen, um an der Jägerprüfung teilnehmen zu können.
Seit Herbst vergangenen Jahres leitet Hubert Kelle die Jägerschule des Jagdschutz- und Jägerverbandes der Kreisgruppe Kronach. Ihm stehen als Dozenten und Fachreferenten erfahrene Jäger, Vertreter der Forstdirektion, Amtsveterinär, Rechtsanwalt, Forstingenieur, Förster und Büchsenmeister und weitere Experten in jeweiligen Fachgebieten zur Seite.
Kelle beendete seinen ersten Kurs, der seit Oktober 2014 lief. Das "grüne Abitur" ist vielseitig und verlangt von Hobbyjägern weitaus mehr als nur Leidenschaft für Natur- und Tierschutz. Wer in Deutschland auf die Jagd gehen will, braucht einen Jagdschein. Um ihn zu bekommen, muss zuerst die Jägerprüfung abgelegt werden.
Jäger tragen große Verantwortung, die Wildtiere zu schützen und deren Lebensräume zu verbessern. Die Regulation von Wildbeständen dient nicht nur dem Grundeigentümer, auf dessen Fläche gejagt wird.
Daher stehen Jäger auch immer im Blickpunkt der Interessen zwischen Landwirtschaft, Grundeigentümern, Waldbesitzern und der Gesellschaft allgemein, erklärt Hubert Kelle.
Mindestens 120 Stunden Ausbildung nachweisen
Der künftige Jäger muss mindestens 120 Stunden theoretische und praktische Ausbildung nachweisen, um an der Jägerprüfung teilnehmen zu können. Hier kann der Prüfling erlerntes Wissen in einem schriftlichen und einem mündlichen Prüfungsteil unter Beweis stellen. Der sichere Umgang mit Jagdwaffen und die Schießfertigkeiten werden im gesonderten praktischen Teil der Prüfung getestet.
Die Ausbildung an der Jägerschule Kronach durch die Fachreferenten umfasst die prüfungsrelevanten Fachgebiete der Jägerprüfung, unter anderem Jagdwaffen, Jagd- und Fanggeräte, Biologie der Wildarten, rechtliche Vorschriften, Wildhege, Jagdbetrieb und jagdliche Praxis, das Jagdhundewesen, Naturschutz, Landbau, Forstwesen sowie Wild- und Jagdschadensverhütung.
"Der sichere, verantwortungsvolle Umgang mit Jagdwaffen und Munition ist eine zwingende Voraussetzung, um Wildtieren unnötiges Leiden zu ersparen. Das erlegte Wild ist ein hochwertiges Nahrungsmittel. Ein sorgfältiger und hygienischer Umgang mit dem Wildbret ist daher notwendig", sagt Kelle.
Und der Schulleiter weiter: "Neben dem sachgerechten Handhaben der Waffen und deren Funktion, was durch Referent Matthias Kümmet vermittelt wird, ist der Einsatz der Waffe in der praktischen Jagdausübung bei der Erlegung von Wild und der damit in Zusammenhang stehenden Sicherheitsproblematik ein großes Anliegen. Ein Teil dieses wichtigen Ausbildungsabschnitts ist das Anschuss-Seminar".
18 Anwärter
Im Morgengrauen haben wir den Leiter der Jägerschule Kronach, Hubert Kelle und den Leiter des Nachsuchenrings im Jagdschutz- und Jägerverband der Kreisgruppe Kronach, Alexander Kelle bei ihren Prüfungs-Vorbereitungen begleitet.
Die 18 Jägeranwärter müssen das Untersuchen der Anschüsse auf Pirschzeichen erlernen, um daraus Erkenntnisse über den Sitz der Geschosse und deren Auswirkungen im Wildkörper beurteilen zu können. Zur Darstellung von möglichst praxisnahen Anschüssen wird ein durch Verkehrsunfall getötetes Rehwild verwendet, an dem kaum äußere Verletzungen erkennbar sind.
Das Ziel dieses Wochenendseminars ist für die teilnehmenden Jagdscheinanwärter das Bestehen der Jägerprüfung und die Erlangung des Jagdscheins.
Weder Schnitthaar noch Schweiß (waidmännische Bezeichnung für das Blut des Wildes) finden sich am Anschuss. Voreilig urteilt der Schütze, er habe das Reh verfehlt. Ein verheerender Fehler, wie Nachsuchenführer Alexander Kelle weiß. Denn häufig finden sich auch bei tödlichen Treffern kaum Pirschzeichen.
Pirschzeichen bewerten
Wie die Kursteilnehmer selbst die kleinsten Hinweise am Anschuss finden und richtig deuten, erklärt er den Seminarteilnehmern. Anschaulich vermittelt der Praktiker, worauf sie während und nach dem Schuss achten müssen und wie sie die gefundenen Pirschzeichen bewerten sollten.
Im praktischen Teil zeigt ihnen der Schweißhundeführer künstliche Anschüsse und Pirschzeichen wie Schweiß, Knochensplitter, Schnitt- und Risshaar. Der Berufsjäger gibt seine Erfahrungen weiter und geht auch auf das Verhalten der verschiedenen Wildarten nach dem Schuss ein.
Die Nachsuchenarbeit ist ein Spezialgebiet für jagdliche Hundeführer und praktizierter Tierschutz im Rahmen der Jagdausübung, informiert Alexander Kelle, der mit Jagdhund Quendolina zur Stelle ist.
"Der Jagdschein allein macht noch keinen guten Jäger"
"Nur durch verantwortungsbewusstes, tierschutzgerechtes und waidgerechtes Handeln bei der Jagdausübung können wir als Jäger in der Öffentlichkeit bestehen. Der Jagdschein allein macht noch keinen guten Jäger. Die Einstellung zu Wild, Wald und Natur, das Wissen und verantwortungsbewusste Handeln bei der Jagdausübung, der respektvolle Umgang mit den Mitgeschöpfen spielt für einen guten Jäger eine enorm wichtige Rolle, erklären die beiden Jagdexperten ihren Jägerschülern". Ein nächster Jungjägerkurs an der Kronacher Jägerschule beginnt im Oktober 2015.