Integration kann kinderleicht sein
Autor: Lisa Kieslinger
LKR Kronach, Montag, 04. Sept. 2017
In 21 Kindergärten im Landkreis sind derzeit insgesamt rund 44 Kinder aus Asylbewerberfamilien untergebracht. Wie läuft die Betreuung ab?
Mohamed, Munir, Lilli und Leni stehen zusammen an einem Tisch und basteln kleine Rechtecke zu einer Mauer zusammen. Während die Jungs sich für eine kunterbunte Mischung entscheiden, wählen Lilli und Leni ihre Farben sorgfältig aus. "Mohamed, gib mir noch zwei Blaue und zwei Rosane", sagt Leni zu ihrem Spielkameraden. Der zögert kurz und schaut auf die Rechtecke. Leni bemerkt das und geht zu ihm rüber. "Das ist rosa und das blau", sagt sie zu Mohamed, der die Wörter mit einem Akzent laut wiederholt. "Die Kinder verständigen sich untereinander mit Händen und Füßen, das ist schön zu beobachten", erzählt Jessica Kürschner aus Erfahrung. Sie leitet den Kindergarten in Nordhalben.
Von den 38 Kindern, die dort betreut werden, stammen 15 aus Asylbewerberfamilien. Damit hat der Kindergarten in Nordhalben den höchsten Anteil an Flüchtlingskindern im Landkreis. "Uns haben die Kinder sehr gut getan, besonders im Hinblick auf den Erhalt unserer zwei Gruppen und des Personals", erklärt Kürschner.
Sprachbarriere - ein Problem?
Insgesamt sind im Kreis Kronach 44 Kinder aus Asylbewerberfamilien in 21 von insgesamt 48 Kindertagesstätten untergebracht. Im evangelischen Kindergarten Sonnenschein in Kronach ist derzeit ein sechsjähriger Junge aus Syrien. "Er nimmt alles auf wie ein Schwamm. Unter den Kindern funktioniert alles problemlos", erzählt Andrea Roderer vom Kindergarten Sonnenschein. Eine Sprachbarriere gebe es für die Kinder nicht. "Wenn die Kinder merken, dass er das deutsche Wort nicht versteht, zeigen sie ihm den Gegenstand und reden langsam und deutlich, damit er sich das Wort merken kann", erzählt die Fachkraft für Sprache. Ähnlich handhaben es auch die Erzieherinnen im Umgang mit Flüchtlingskindern. "Wir decken zum Beispiel gemeinsam den Tisch, zeigen einen Gegenstand und sagen dann das deutsche Wort dazu", erklärt Andrea Roderer. Durch den Bezug zu einem Gegenstand oder einem Bild falle es einfacher, eine Sprache zu lernen.
29 970 Euro für Material
Um das in den Kindergärten noch besser umsetzen zu können, gibt es extra Lehrmaterial, das vom Staat gefördert wird. Für den Landkreis Kronach wurde im letzten Jahr eine staatliche Zuwendung in Höhe von 29 970 Euro bewilligt. Dieses Projekt wird aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration gefördert. Michaela Schneider ist im Landratsamt für die Kindergärten und Krippen zuständig und hat im vergangenen Jahr kurzfristig eine Umfrage bei den Kindergärten durchgeführt, wofür sie dieses Geld verwenden würden. "Am Ende haben wir uns dafür entschieden, in Lehrmaterialien zu investieren. Da ist es nachhaltig angelegt", erklärt Schneider. Vom Puppenhaus, über das Kamishibai - ein spezielles Erzähltheater mit großen Bildern -, bis hin zu Bildkarten, auf denen ein Gegenstand in deutsch, arabisch und französisch geschrieben ist. "Diese Materialien sind eine gute Möglichkeit, dass die Kinder miteinander etwas machen. Und nur so kann Integration funktionieren", meint Schneider. Zudem sei es wichtig, dass diese Lehrmaterialien nicht nur für die Flüchtlingskinder angeschafft wurden. "Davon profitieren alle", so Roderer. Das Budget für die Kindergärten sei begrenzt, das meiste gehe für Personalkosten drauf. "Oft ist nicht viel Geld übrig, um in spezielle Lehrmaterialien zu investieren", erklärt Michaela Schneider. Deswegen sei die staatliche Zuwendung eine enorme Erleichterung.
Ein großer Teil davon wurde in Tablet-Computer investiert, von denen jeder Kindergarten einen bekommen hat. "Zum einen kann man damit Sprachspiele machen. Aber noch viel wichtiger für die Erzieherinnen: Die Übersetzungsapp, um mit den Eltern zu kommunizieren", erklärt Schneider. Denn das ist im Alltag eines der Hauptprobleme wie Jessica Kürschner und Andrea Roderer erläutern. "Besonders die Aufnahme gestaltet sich immer schwierig. Manche Eltern wissen nicht einmal das genaue Geburtsdatum ihrer Kinder", erklärt Kürschner. Die Gespräche mit den Eltern würden viel Zeit in Anspruch nehmen. Im Alltag wisse man oft nicht, ob die Eltern verstanden haben, was die Erzieherinnen ihnen sagen. Oft komme es auch zu Missverständnissen.
Die Kinder helfen sich
Bei den Kindern merke man den sprachlichen Fortschritt recht schnell. "Verstehen tun sie schnell. Das Sprechen dauert etwas länger, aber auch da helfen sich die Kinder untereinander", erklärt Kürschner. "Oft übersetzen aber auch ältere Kinder für ihre Eltern, wenn es um Termine oder so etwas geht, das ist natürlich praktisch", erklärt Michaela Schneider. Zudem bietet das Staatsministerium auf seiner Internetseite kleine Videos auf deutsch, englisch, französisch und arabisch an, die von den Eltern angeschaut werden. "Da wird kurz erklärt, wie der Kindergartenalltag bei uns abläuft. Die meisten kennen das ja nicht", erklärt Schneider. Auch dieses Jahr wird es eine Unterstützung vom Staatsministerium geben - knapp 15 000 Euro. In den letzten Wochen hat Michaela Schneider bei den Kitas abgefragt, wo sie das Geld sinnvoll angelegt sehen. Zum einen sollen mit den Mitteln Dolmetscher finanziert werden, um den Kontakt zu den Eltern zu erleichtern. "Zudem haben sich die Erzieherinnen Fortbildungen zum Thema Integration, Trauma und kulturelle Hintergründe gewünscht", erklärt Schneider. "Es gibt Kinder mit einer schrecklichen Fluchtgeschichte. Sie haben Gewalt erlebt oder ein Elternteil verloren. Es ist wichtig, wenn man weiß, wie man damit umzugehen hat", erklärt Jessica Kürschner.