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Industrie 4.0: "Es reicht nicht, nur eine gute Idee zu haben."


Autor: Marian Hamacher

Kronach, Montag, 19. Dezember 2016

Hendrik Montag-Schwappacher, Geschäftsführer des Innovationszentrums Kronach, spricht über ein Thema, das Unternehmen bald öfter beschäftigen wird.
Mit dem Innovations Zentrum Kronach möchte Geschäftsführer Hendrik Montag-Schwappacher Anlaufpunkt und Vermittler für Unternehmen der Region sein. Foto: Marian Hamacher


Er hat sich Zeit genommen. Viel Zeit. Knapp 90 Minuten spricht Hendrik Montag-Schwappacher über die beiden Themen, die ihn derzeit besonders beschäftigen: "Disruption" und "Industrie 4.0". Als Geschäftsführer des Innovations Zentrums Region Kronach (IZK) ist es sein Anliegen, Unternehmen der Region bereit für die Zukunft und auf neue Möglichkeiten aufmerksam zu machen. Im Interview spricht er unter anderem darüber, wo "Disruption" und "Industrie 4.0" überall zu finden sind, wie sich Produktionsprozesse verändern und welche Rolle das IZK in diesem Zusammenhang einnimmt.

"Disruption" ist ja ein eher sperriger Begriff. Was bedeutet er?
Hendrik Montag-Schwappacher: Eine "disruptive Technologie" ist letztlich nichts anderes als eine Innovation, die eine bisherige Technologie vollständig vom Markt verdrängen kann.

Wo könnte ich das in meinem Alltag zuletzt bemerkt haben?
Da nehme ich ein Beispiel, das ich sensationell finde: die "Augmented Reality", also die erweiterte Realität, wenn künstliche und reale Bilder übereinandergelegt werden.

So wie bei der Fußball-Übertragung, wenn im Fernsehen die Entfernung des Freistoßes zum Tor angezeigt wird?
Genau. Die Technologie existiert im Prinzip schon eine ganze Weile. Doch ihren Durchbruch hatte Augmented Reality mit dem Smartphone-Spiel "Pokemon Go", dass eine ganze Produktkategorie veränderte. Dass sich diese fantastische Technologie in diesem Spiel niedergeschlagen hat, ist schon der Wahnsinn. Wir erleben solche Technologien heute als Sensation, morgen in einem völlig neuen Produkt und übermorgen im Alltagsgerät.

Und in welchem Zusammenhang steht all das mit "Industrie 4.0"?
Industrie 4.0 hat mehrere Teile. Disruptive, vernetzte Produktionstechnologie ist nur einer davon. Ein anderer beschäftigt sich etwa mit der Frage, wie Kundenbeziehungen direkter hergestellt werden oder etwa, wie schlau die Maschinen werden. Eine denkbare Anwendung wären Maschinen, die sich selbst überwachen und melden, bevor sie ausfallen, und ungeplante Reparaturen auslösen.

Weshalb spielt "Industrie 4.0" beim IZK eigentlich eine so große Rolle?
Weil wir eine größere Zahl an Industrieunternehmen als Mitglieder haben. Und in diesem Bereich ist die Digitalisierung als Treiber für die vierte industrielle Revolution ein riesen Thema. Gerade was die Produktionsmittel angeht, die sich rapide verändern. Stichwort ist da die werkzeuglose Fertigung - besser bekannt als 3D-Druck. Der kann in einer Vielzahl von Materialien - Kunststoff, Metalle, Keramik oder Beton stattfinden. Das ist natürlich etwas, das die Art und Weise, wie etwas produziert wird, stark verändern wird.

Inwieweit?
Geringere Mengen können mit solchen generativen Herstellungsverfahren vielfach besser hergestellt werden als im klassischen Verfahren. Vor allem dann, wenn es komplexe oder teure Gegenstände in Verbindung mit geringer Stückzahl sind.
Weil die Herstellungsweise so flexibel ist, werden Unternehmen in die Lage versetzt, völlig anders zu produzieren.

Wie äußert sich das?
Ein gutes Beispiel ist der Kronacher Designer Rolf Hering, der Mitglied beim IZK ist. Er entwirft unter anderem Ringe, die innen hohl sind und in dieser Form mit traditionellen Goldschmiedemethoden nicht herstellbar sind - oder es wäre zumindest extrem aufwändig. Er hat bei einem Portal einen Shop, wo er seine 3D-Daten hochgeladen hat. Über dieses System kann der Ring nun gekauft werden. Diese Bestellung wird dann je nach Material an einen 3D-Druckbetrieb weitergeleitet, der den Auftrag ausführt. Anschließend wird der Ring an den Kunden verschickt. Dabei ist es unerheblich, wo der Designer, der Druckbetrieb oder das Portal seinen Unternehmenssitz hat. Das ist "Industrie 4.0 " pur.

Ist diese Unabhängigkeit eine Chance für die Unternehmen aus dem Landkreis, dem demographischen Faktor zu trotzen?
Wenn man wahrnimmt, dass es sie gibt. Das ist der Witz bei der Geschichte. Das Entscheidende ist aber nicht, dass die Technologie zur Verfügung steht, sondern, was man daraus macht. Das Geschäftsmodell muss passen. Es reicht nicht, nur eine gute Idee zu haben. Es muss auch eine Idee sein, die man umsetzen kann und die auch beim Kunden ankommt. Aber da muss man erst mal hingelangen.

Da kommt dann das IZK ins Spiel?
Das ist unter anderem etwas, was vom IZK mit gefördert wird: Also der Prozess der Digitalisierung. Das machen wir in Vorträgen oder zusammen mit anderen Organisationen, wie der IHK, wenn wir einen Workshop mit dem IHK-Digitalisierungs-Check veranstalten. Da können die Unternehmen überprüfen, wieweit sie in der Digitalisierung schon auf dem Weg sind. Und daraus können dann konkrete Handlungsempfehlungen entwickelt werden.

Wie können die aussehen?
Etwa, ein Auftragssystem neu aufzusetzen oder die internen Datenflüsse zu bearbeiten. Aber für die Gestaltung der Zukunft braucht es das Wissen vieler.

Und das wird auf den IZK-Workshops gesammelt?
Das ist das Ziel. Wir bringen Leute zusammen und holen ab, was sie wirklich beschäftigt. Wo sehen sie etwa Potenzial für sich selbst und für die Zusammenarbeit mit anderen? Viele Themen tauchen auf, die nicht im täglichen Geschäft vorkommen, sondern vielleicht erst in naher oder etwas fernerer Zukunft. Dann ist es gut, durch Aktivitäten des IZK wie Workshops und Vorträge darauf vorbereitet zu sein, weil bereits gemeinsam mit anderen ein Stück des Weges gegangen wurde.

Das Gespräch führte
Marian Hamacher