In Stockheim wurden früher Puppen produziert
Autor: Gerd Fleischmann
Stockheim, Donnerstag, 08. November 2018
Einst sorgten zwei Puppenfabriken für Arbeit. Wo jetzt zwei neue Wohnkomplexe entstehen, nahm die Firma Brückner & Och vor 100 Jahren die Produktion auf.
Die Industriegemeinde Stockheim unterlag immer wieder einem steten Wandel. Firmen blühten auf und gerieten in die Versenkung der Geschichte. Beste Beispiele dafür sind die Champagnerflaschenfabrik Sigwart & Möhrle sowie der Steinkohlenbergbau. Darüber hinaus boten im 20. Jahrhundert zwei Puppenfabriken in wirtschaftlich schwieriger Zeit Arbeit und Brot. Sie sind schon längst in Vergessenheit geraten.
In unmittelbarer Nähe der beiden jetzt geplanten Wohnkomplexe auf einer Fläche von 9500 Quadratmetern östlich der B 85 (siehe Fränkischer Tag vom 6. November) befand sich einst die Puppenfabrik Brückner & Och. Darüber hinaus gründete Karl Hartmann im ehemaligen Westflügel des Stockheimer Schlosses (Götzenhaus) ebenfalls eine Puppenfabrik. Die Puppenherstellung wurde von August Och und Karl Brückner hinter dem ehemaligen Gasthaus "Zur Post" (frühere Hausnummer 62, jetzt Kronacher Straße 27) im Jahre 1918 aufgenommen.
Blechspielzeug und Geschosskörbe
Schließlich produzierte ab 1911 Kaufmann Andreas Och (1866 - 1928) auf diesem Areal Blechspielzeug. Bereits 1901 wurde seine Ehefrau Amanda aktiv, die in dem ersteigerten Anwesen oberhalb des ehemaligen Gasthauses "Zur Eisenbahn" ein Lebensmittelgeschäft etablierte. Im Ersten Weltkrieg beschäftigte Andreas Och zahlreiche Stockheimer vorübergehend in seiner Geschosskorbfabrikation für das Militär.
Die Idee zur Puppenherstellung hatten Karl Brückner und August Och aus Südthüringen nach Stockheim gebracht, denn dort - vor allem in Sonneberg - befand sich das Zentrum der deutschen Spielwarenindustrie. Karl Hartmann beschäftigte bis zu 53 Mitarbeiter in seiner Firma. Die Spezialisten holte er sich aus Sonneberg. So stammte beispielsweise Puppengießer Ernst Sahlender aus Thüringen. Meister des Betriebs war August Rebhan, der Vater des ehemaligen Gemeinderats Hans Rebhan.
Unterkleider fürs Militär
Beim Blättern in alten Zeitungen stößt man immer wieder auf interessante Hinweise. So inserierte Karl Hartmann am 24. Juli 1913: "Junge Arbeiter und Arbeiterinnen unter 14 Jahre alt, stellt sofort ein Karl Hartmann, Puppenfabrik, Stockheim." Bis 1914 nahm die Firma eine gedeihliche Entwicklung, die der Erste Weltkrieg jäh unterbrach. Die Produktion musste radikal umgestellt werden. Die Frauen fertigten für das Militär Unterkleider an. Bevorzugt wurden - so ist einer Anzeige im "Fränkischen Wald" vom 10. November 1915 zu entnehmen - Frauen von Kriegsteilnehmern.
Unternehmer Hartmann musste im Ersten Weltkrieg ebenfalls den Soldatenrock anziehen. Bereits am 4. Januar 1915 ist im "Fränkischen Wald" folgende Meldung nachlesbar: "Für seine vor dem Feinde bewiesene Kühnheit und Entschlossenheit wurde dem Puppenfabrikanten Karl Hartmann in Stockheim, zur Zeit Unteroffizier im K. Bayerischen 7. Res. Regiment in Bayreuth, das Eiserne Kreuz 2. Klasse verliehen."
Zum Weihnachtsfest 1916 stellte Hartmann für Kinder bedürftiger Familien 60 Puppen zur Verfügung. Nach dem Völkermorden setzte der Unternehmer alles auf eine Karte und baute an der Bundesstraße 85 im Jahre 1919 eine für die damaligen Verhältnisse großzügige und moderne Produktionsanlage (Hausnummer 106). Die nun frei gewordenen Räumlichkeiten im ehemaligen Schloss nutzte die Firma Trapper & Schober, Korbwaren, die neben Heimarbeitern bis zu zehn Arbeitssuchende beschäftigte.