In die Pfiffer
Autor: Bastian Sünkel
Kronach, Sonntag, 27. Sept. 2020
Uwe Mohr gilt als der Pilzexperte im Kronacher Raum. Mit seinem Wissen hat er sogar schon Leben gerettet.
Ob Uwe Mohr absichtlich Schlappen in den Wald angezogen hat? Es ist durchaus denkbar. Er bewegt sich derart sicher durch die Wälder oberhalb Knellendorfs hinter Kathragrub, als wäre es sein Wohnzimmer, als hätte er den Wald selbst eingerichtet.
Dort: ein weißer Pilz. Dem ehemaligen Inhaber der Cranach-Apotheke und Kronacher Pilzberater reicht ein kurzer Blick. Sein Kommando: Weißer Knollenblätterpilz. Extrem giftig. Stehen lassen. Dann taucht am Wegesrand ein anderer Pilz auf, der in den Augen des Laien extrem giftig aussieht: Ein Schopf-Tintling! So lange er sich nicht von den Rändern seiner langen Kappe her zu schwarzer Tinte verfärbt, ist es durchaus ein Pilz, den er gerne in seiner Pfanne anbrät. Nur bei seinem Verwandten müsse man vorsichtig sein. Der Falten-Tintling lasse sich auch problemlos essen - so lange man dazu keinen Alkohol trinkt. Sonst schüttelt er den Magen und Darm heftig durch. Er endet mit dem alten Pilzsammlerspruch: "Grundsätzlich kannst du jeden Pilz essen - aber manche nur einmal."
In die Pfiffer bei Kathragrub
In den Pilzen, den Schwamma, den Pfiffern, welcher Franke es auch sagt, ist es schnell passiert, das die kostenlose Mahlzeit im Krankenhaus enden kann, wenn man sich nicht auskennt. Der wichtigste Tipp des Kronacher Pilzexperten deshalb vorneweg: "Nur Pilze verzehren, von denen man 100-prozentig weiß, dass sie nicht giftig sind." Alle anderen, das kennt der 79-Jährige aus eigener Erfahrung, können im besten Fall den Appetit verderben, in schlimmeren Fällen den Magen durcheinander wirbeln und im schlimmsten Fall - wie beim Weißen Knollenblätterpilz die Leber - Organe angreifen und den Pilzsucher töten. In solchen Fällen hat das Klinikum bei ihm angerufen. Er erinnert sich, als eine Familie - Vater, Mutter, Tochter - eine Vergiftung durch den Knollenblätterpilz erlitt. An Resten des Abendessens hat Mohr erkannt, welchen Pilz sie gegessen haben und welches Gegengift die Ärzte verabreichen müssen. Anders gesagt: Man fühlt sich sicher mit Uwe Mohr in seinem bewaldeten Wohnzimmer.
Dabei ist die Welt der Pilze ja ein Hochgenuss, wenn man sich auskennt. Die Gesellschaft für Mykologie, so die wissenschaftlich Bezeichnung für Pilzkunde, schätzt, dass in Deutschland derzeit 13 000 Arten wachsen. Der Anteil der Pilze in der Natur liege mit 20 Prozent als zweitartenreichste Lebensform noch vor den Pflanzen, aber hinter den Tieren. Die Wälder in Oberfranken verstecken 250 bis 300 Arten verschiedener Pilze, schätzt Mohr. Doch quasi keinem sieht man von außen an, ob er genießbar ist. Wahrscheinlich ist es sogar nur einer, den jeder an seinen weißen Punkten auf der roten Kappe erkennt: der Fliegenpilz.
Gleich auf den ersten Schritten im Wald hinter Kathragrub steht ein Fliegenpilz auf dem Forstweg. Weiter drin im Wald wartet ein regelrechtes Paradies für alle, die sich nicht den Magen von ungenießbaren Pilzen verderben lassen wollen. Im Korb landen ein riesiger Steinpilz, über den sich Uwe Mohr besonders freut. "Keine Würmer, sehr gut." Dann geht es weiter: Gold-Röhrling, Rotfuß-Röhrling, Perlpilz, der Reifpilz - fränkisch: Köppla. Auch der Hallimasch ist genießbar. Er sollte allerdings mehrere Minuten angebraten werden, sonst schlägt auch er auf den Magen. Was ist aber der Essenstipp des Pilzexperten? Mischpfanne, sagt er trocken. Angebraten mit ein paar Zwiebeln und etwas Salz. Dazu Salzkartoffeln. Seine Frau gibt gern ein bisschen Sahne dazu.