Im Hämmern die Ruhe finden
Autor: Marco Meißner
Grössau, Freitag, 19. April 2019
Wie schwer ist es, völlig unbedarft die ersten Schritte hin zu einer künstlerischen Arbeit zu gehen. In einem Selbstversuch beim Hobbybildhauer gibt es ein überraschendes Ergebnis.
Es ist ein ziemlich grober Klotz, der da vor mir liegt. Ein schwerer Sandsteinquader. Mittendrin ein Knick. Und ein Ende, das an eine Schweinenase erinnert. Künstlerischer Wert: Fehlanzeige! Ob sich das ändern wird, wenn ich mit meinen beiden linken Händen daran zu Werke gehe? Ich kann's mir kaum vorstellen.
Nicht weniger skeptisch reagierte Gottfried Grau einige Tage vor meiner "unheimlichen Begegnung" mit dem Stein. Auf die Frage, ob er mir für einen Selbstversuch als Lehrmeister zur Verfügung stehen würde, war das Stirnrunzeln des Grössauer Hobbybildhauers selbst durch die Telefonleitung unübersehbar.
"Eigentlich ist das nicht der richtige Weg", erwiderte er auf meinen Plan, einen Vormittag lang die allerersten Schritte eines künstlerisch wie handwerklich semitalentierten, um nicht zu sagen limitierten Reporters in der Bildhauerei zu begleiten. "Zum Einstieg bräuchte es eigentlich einen richtigen Kurs", meinte Grau. Denn viel Ersichtliches werde unter dem Strich nach zwei, drei Stunden Arbeit nicht da sein.
Nun stehe ich trotzdem hier, mitten in Graus Garten, quasi seiner Bildhauerwerkstatt. Herzlich und weltoffen wie der 75-Jährige ist, lässt er sich doch auf das Experiment ein.
Dann geht es los. Nicht mit Erklärungen der Werkzeuge. Auch nicht mit künstlerischen Anweisungen. Stattdessen laufen wir vorbei an Graus Steinvorrat. Ein Sandsteinbrocken liegt neben dem anderen. Ich soll mich hineindenken. "Schauen Sie, ob Sie in irgendeinem der Steine etwas sehen, ob einer Sie anspricht", meint der Hobbykünstler.
Dreidimensional denken
Dass dieser Prozess für einen Kunst-Novizen gar nicht so einfach ist, merke ich schnell. Das Gefühl für ein zweidimensionales Fotomotiv bringt der Beruf mit sich. Aber hier ist mehr gefragt. Die Dreidimensionalität im Denken. "Mit der Zeit entstehen eigene Bilder", erklärt Grau. Und während des Arbeitsprozesses am Stein würden sich diese gedanklichen Momentaufnahmen auch immer wieder verändern.
Plötzlich macht es tatsächlich Klick. Ich stehe vor besagtem Quader. Qualitativ kein sonderlich guter Stein, wie Grau feststellt. Aber er hat mich gepackt. Der Zacken ein Ohr, das runde Ende eine Schnauze - das könnte glatt mein Hund werden. Grau nickt. Der Stein wird auf einem Baumstumpf platziert, ausgerichtet und verkeilt. Jetzt wird's ernst.