Hotel "Goldener Wagen": Die Geschichte des einstigen Prachtstücks in Kronach
Autor: Gerd Fleischmann
Kronach, Donnerstag, 18. Juni 2020
Der "Goldene Wagen" war einst das schönste Fachwerkhaus Kronachs. Nach dem stilprägenden Umbau durch einen Steinwiesener residierte in diesem Gebäude sogar einmal das Gefolge Napoleons. Doch im Krieg wurde das Hotel durch amerikanische Artillerie zerstört.
Dort, wo heute geschäftiges Treiben im Kaufhaus Weka den Tagesablauf im Bereich Hussitenplatz/Marienplatz prägt, befand sich einst einer der schönsten Fachwerkbauten Kronachs. Nur noch wenige Kronacher können sich an das außerordentlich markant wirkende Hotel "Goldener Wagen" erinnern, das in den letzten Kriegstagen am 12. April 1945 durch amerikanisches Artilleriefeuer in Schutt und Asche gelegt. Damals brannte die Kreisstadt an allen Ecken und Enden, unter anderem in der Strau und in der Schwedenstraße. Neben dem Hotel befand sich die dazugehörige Brauerei Koch, die den Beschuss einigermaßen heil überstand und erst 1967 abgerissen wurde.
Nach dem Krieg klaffte elf Jahre lang eine hässliche Lücke im Kronacher Stadtbild. Erst 1956 regte sich mit einem ersten Bauabschnitt neues Leben in diesem Bereich. Die Marienapotheke sowie eine Konditorei, ein Blumengeschäft und ein Wollwarengeschäft hatten sich etabliert. Erst mit der Eröffnung des Kaufhauses Weka fünf Jahre später konnte der entscheidende Lückenschluss erreicht werden. Weitere ergänzende Baumaßnahmen folgten.
Viel erlebt im Hotel
Die Zerstörung des Hotels "Goldener Wagen" war ein enormer Verlust für Kronach. In diesem Haus mit einer uralten Gasthof-Tradition wurde Kronacher Geschichte geschrieben, gingen die Honoratioren ein und aus, fanden bedeutende Vereinstreffen statt.
Die ersten baulichen Spuren lassen sich mit der Wirtschaft "Fleischmannhof" bis 1524 zurückverfolgen. Eine entscheidende Wende trat am 20. November 1794 ein: Johann Michel Koch-Dumper aus Steinwiesen kaufte für 3000 Gulden den Gasthof. Koch-Dumper war ein weitgereister, welterfahrener Mann, Angehöriger der französischen Armee und war 1791 nach Deutschland zurückgekehrt. Unter erheblichem Finanzaufwand baute er den Gasthof nach französischer Art um. Jean Koch, wie er sich nannte, stand beim Besuch Napoleons im Oktober 1806 als Dolmetscher zur Verfügung. Einige Monate beherbergte Koch im "Schwarzen Adler", wie sich das Gasthaus in jener Zeit nannte, Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten sowie den Begleiter Napoleons, Marschall Davout.
Frau führt Betrieb weiter
Nachdem 1807 das "Koch'sche Anwesen" auch Poststation wurde, kam es zu der nun entscheidenden Namensänderung zu "Goldener Wagen". Ein Jahr später errichtete Jean Koch neben dem Hotel ein eigenes kleines Brauhaus. Nach seinem Ableben am 2. September 1831 übernahm seine Frau Margaretha den Besitz und führte ihn mit Sohn Conrad weiter, der ab 1833 den Königlichen Poststall übernahm.
Nach dem Ersten Weltkrieg erhielt der "Goldene Wagen" einen zweiten Stock sowie zwei Eck-Erker, so dass das Gebäude außerordentlich attraktiv und sehr einladend auf die Fremden wirkte. 1937 erfolgte eine weitere Modernisierung mit behaglichen Gastzimmern, dem Ausbau von 25 Fremdenzimmern und dem Saal-Erweiterungsbau.
Militärlazarett im Krieg
Georg Koch, der dabei entscheidende bauliche Akzente gesetzt hatte, verstarb im Jahr 1941. Seine Frau Tilde, eine geborene Gampert, verpachtete den Betrieb. Ab 1942 wurde der Gasthof beschlagnahmt und als Militärlazarett genutzt. Am 12. April 1945 fiel er der Beschießung zum Opfer. Kronach hatte sein wohl schönstes Vorzeigeobjekt verloren.