Hat ein Lehrer seine Schüler in Kronach unter Strom gesetzt?
Autor: Friedwald Schedel
Kronach, Mittwoch, 01. Juli 2015
Ein Pädagoge hat Jugendlichen in Kronach jeweils einige Milliampere durch den Körper gejagt, bis es in deren Fingern kribbelte. Ein junger Mann trug Brandblasen davon. Nächsten Mittwoch geht es um den Vorwurf der Volksverhetzung. Die Beweisaufnahme gegen den Angeschuldigten wird fortgesetzt.
Als menschliche Versuchskaninchen benutzte ein Pädagoge mehrere Jugendliche vor gut eineinhalb Jahren. Um ihnen die Wirkung von Stromstößen zu zeigen, ließ er sie mit einem regelbaren Netzgerät verbundene Bananenstecker zwischen Daumen und Zeigefinger der beiden Hände nehmen und drehte den Regler auf, bis es in Händen und Armen der jungen Leute kribbelte, vier bis fünf Milliampere oder mehr durch deren Körper flossen. Einige Schüler klagten nach diesem Versuch über Unwohlsein, einer trug sogar Brandblasen an den Händen davon, weil er deutlich höhere Stromstöße erhielt.
Am Mittwoch stand der Lehrer deshalb vor dem Schöffengericht Kronach, angeklagt wegen Körperverletzung im Amt. Aber nicht nur das: Am kommenden Mittwoch wird die Verhandlung fortgesetzt. Dann steht der Vorwurf der Volksverhetzung im Raum. Staatsanwalt Michael Imhof wirft dem Lehrer vor, dass er einen Schüler mit blonden Haaren als "Arier" herausgehoben, einen tschechisch-stämmigen, aber in Deutschland geborenen jungen Mann als "minderwertige Rasse" bezeichnet habe.
Versuch mit Stromstößen
Am Mittwoch ging es erst einmal um den Versuch mit den Stromstößen. Darüber war der Schulleiter des Lehrers auch über eineinhalb Jahre nach dem Vorfall noch sichtlich erbost. Er habe den Lehrer umgehend beurlaubt, ihm Hausverbot erteilt und die Regierung von Oberfranken informiert, die wiederum die Staatsanwaltschaft eingeschaltet habe, berichtete der Schulleiter als Zeuge. Inzwischen sei der Pädagoge in den Ruhestand versetzt.
Dass dieser die für andere Zwecke gedachten Geräte für die Selbstversuche mit den Schülern verwendet habe, erzürnte den Schulleiter sichtlich. "Das ist so, wie wenn ein Fahrlehrer mit dem Schüler erst einmal einen Unfall baut", beschrieb er das bildlich. Dass der Lehrer diesen Versuch, wie dieser selbst zugab, bereits seit 15 Jahren durchführte, war dem Schulleiter unbekannt. Die betroffenen Schüler hätten den Lehrer, der die folgenden Stunden Unterricht hielt, informiert, der wiederum ihn, berichtete der Schulleiter. Der Vater des Schülers, der Brandblasen an den Händen davontrug, sei aufgebracht zu ihm in die Schule gekommen und habe bei der Polizei Anzeige erstattet, blickte der Schulleiter zurück. Er berichtete auch von Beschwerden von Ausbildungsbetrieben und Schülern über den angeschuldigten Lehrer.
Claus Schwarz vom Landeskriminalamt in München hatte die beim Versuch verwendeten Geräte untersucht und nahm als Sachverständiger zum Stromversuch Stellung. Er kritisierte, dass der angeschuldigte Lehrer die Schüler die stromführenden Kabel in die beiden Hände nehmen ließ, so dass Strom durch den Körper - und somit auch durch das Herz - fließen konnte. Wenn überhaupt, hätte eine Elektrode an den Oberarm angelegt werden dürfen, die zweite an der Hand des gleichen Arms, so dass ein Stromfluss durch das Herz ausgeschlossen gewesen wäre.
Welche Spannung?
Der Sachverständige nahm auch zu den drei am Gerät einstellbaren Spannungen - zwölf Volt, 42 Volt und 250 Volt - Stellung. Bei zwölf Volt hätten die Schüler nur ein leichtes Kribbeln gespürt, bei 250 Volt hätte extreme Lebensgefahr bestanden. Also ging Claus Schwarz von einer verwendeten Spannung von 42 Volt aus. Allerdings konnte er sich die Verbrennungen an den Händen eines Schülers nicht so recht erklären. Bei 42 Volt flössen maximal zehn Milliampere - wie von anderen Schülern an der Skala des Geräts abgelesen - durch. Das führe nicht zu solchen Verletzungen, es sei denn, der verletzte Jugendliche habe Salziges gegessen oder gehöre zu den fünf Prozent an Menschen, die einen geringeren Körperwiderstand als üblich hätten.
Die Aussagen der Schüler
Richterin Claudia Weilmünster befragte eine Reihe von Schülern der betroffenen Klasse als Zeugen, sowohl welche, die nach dem Versuch über gesundheitliche Probleme klagten, als auch solche, die keine Folgeschäden hatten. Durch die Aussagen der jungen Leute wurden die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, der Lehrer habe die Schüler zur Teilnahme am Versuch gedrängt, etwas relativiert. Ihnen sei die Teilnahme freigestellt worden sagten sie. Lediglich eine Schülerin, die einzige junge Dame der Klasse, sei vom Lehrer "überredet" worden.
Die Schüler hatten auch eine Erklärung für die Brandwunden eines Schülers - nicht nur an den Fingerspitzen. Der sei der Letzte in der Reihe, der Versuch eigentlich abgeschlossen gewesen. Einer der Bananenstecker sei über den Tischrand runtergefallen, der Schüler habe ihn aufheben wollen, den anderen Bananenstecker noch in der Hand.
Der angeschuldigte Lehrer räumte ein, dass er die Geräte habe abbauen, den Regler auf Null drehen wollen. Dass der Schüler nach dem Stecker gegriffen habe, habe er nicht gesehen. Wahrscheinlich habe er den Regler in die falsche Richtung gedreht, da dieser in Richtung der Schüler, nicht in seine Richtung gezeigt habe. Der Regler muss wohl aufgedreht gewesen sein, denn die Schüler sahen einen vollen Ausschlag des Zeigers auf zehn Milli ampere.
Schmerzensgeld gezahlt
Dem Schüler, der den Stromschlag erhielt, wurde schlecht und er setzte sich auf den nächsten freien Stuhl. Außerdem trug er Brandwunden davon, die in der Klinik behandelt wurden. Verteidiger Josef Geiger sagte dazu, dass sein Mandant an den verletzten Schüler bereits ein Schmerzensgeld von 2000 Euro gezahlt habe.