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Hat die Mittelschule in Steinwiesen Zukunft?


Autor: Hendrik Steffens

Steinwiesen, Dienstag, 07. Oktober 2014

Der Steinwiesener Mittelschule fehlt seit Sommer die fünfte und die achte Klasse. Mit sieben, beziehungsweise elf Schülern wären sie zu klein geraten - die Jugendlichen weichen nach Kronach und Küps aus. Hat diese Schulform Zukunft?
Die Steinwiesener Mittelschule hat im Sommer nicht alle Klassen voll bekommen. Das Konzept der Mittelschule stellen aber weder Schulleitung, noch Eltern oder Kreisschulamt infrage. Von der Schließung bedroht ist das Steinwiesener Institut nicht.  Fotos: Hendrik Steffens


Sie ist geschrumpft. Nur drei Klassen im Mittelschulbereich hat die Volksschule Oberes Rodachtal in Steinwiesen in diesem Jahr zusammen bekommen: Eine sechste, eine siebte und eine neunte. Sieben und elf Schüler reichten nicht zur Bildung einer fünfte und achte Klasse. Sie wurden den Mittelschulen in Kronach und Küps zugeordnet, die mit Steinwiesen den Schulverbund Mittelschule Kronach bilden. Von der Schließung bedroht ist der Steinwiesener Standort aktuell nicht. Aber hat er Zukunft?

Kleine Standorte sind bedroht

"Wir erleben einen gesellschaftlichen Trend zugunsten der Realschule und des Gymnasiums", sagt Wilfried Holzmann, Leiter der Volksschule (Grund- und Mittelschule) Oberes Rodachtal Steinwiesen. Deshalb hätten viele Mittelschulen mit sinkenden Schülerzahlen zu kämpfen. In Steinwiesen besuchen noch 59 den Zweig der Mittelschule. Ein zweiter Faktor, der Schulen unter Druck setze, meint Holzmann, sei der Bevölkerungsschwund: "Alle kleinen Standorte sind bedroht." Obwohl die in den vergangenen Jahren geschlossenen Verbünde - wie der Verbund Mittelschule Kronach, zu dem Steinwiesen zählt - ein Fortbestehen leichter machen.

"Rein rechtlich dürften - innerhalb eines Schulverbunds - Institute mit nur einem Jahrgang bestehen bleiben", erklärt Uwe Dörfer, Schulamtsdirektor für den Landkreis Kronach. Von der Auflösung sei derzeit keine der Mittelschulen im Kreis bedroht. Abgesehen vom Standort in Steinwiesen haben zudem alle ihre Klassen von fünf bis neun (oder zehn) bilden können.

Derzeit gibt es neben der in Steinwiesen vier Mittelschulen im Kreis Kronach: In Küps (mit 183 Schülern), in Pressig (mit 234 Schülern), in Kronach (mit 437 Schülern) und in Windheim (mit 153 Schülern). Sie sind in zwei Schulverbünden organisiert. Es gibt den Schulverbund Mittelschule Kronach (Gottfried-Neukam-Mittelschule Kronach, Mittelschule Oberes Rodachtal in Steinwiesen und Mittelschule Küps) und den Schulverbund Oberer Frankenwald (Mittelschule Pressig und Mittelschule Windheim). Das Konzept des Verbunds ist in der deutschen Bildungslandschaft vor einigen Jahren populär geworden, um kleine Schulen vor der Schließung zu bewahren.

Gute Verteilung durch Verbund

"Zum einen können gleichmäßigere Klassengrößen realisiert werden, zum anderen die Lehrerstunden besser verteilt werden", erklärt Uwe Dörfer vom Schulamt. Jede Schule darf über ein festes Kontingent von Lehrerstunden verfügen. Wenn diese dann - wie im Fall Steinwiesen - auf sieben Schüler einer 5. Klasse verwandt werden, sei das ökonomisch unklug. Über einen Schulverbund könnten die Klassenzahlen umgelegt und damit Lehrerstunden sinnvoller genutzt werden, sagt Dörfer.

Nach der 4. Klasse treten an der Volksschule Oberes Rodachtal immer mehr Schüler zum Gymnasium oder zur Realschule über. Trotzdem hält Wilfried Holzmann das Konzept der Mittelschule nach wie vor für berechtigt: "Wir bilden sehr praxisnah aus. Das ist in der Wirtschaft gern gesehen."

Die Steinwiesener Jugendlichen bilden sich unter anderem bei einem Schülerpraxiscenter am Beruflichen Fortbildungszentrum in Kronach, einem Berufsorientierungscamp und bei Betriebspraktika weiter. Holzmann und Dörfer sehen hier ein Alleinstellungsmerkmal der Mittelschulen. "Wer praktisch begabt ist, ist an der Mittelschule gut aufgehoben", sagt Dörfer. Zudem könnten Jugendliche an einigen Mittelschulen im Kreisgebiet auch die Mittlere Reife ablegen und sich damit für das (Fach-)Abitur qualifizieren.

Ein Mitglied des Elternbeirates der Volksschule in Kronach mit einem Sohn in der 4. Klasse glaubt: Die Mittelschule ist eigentlich nur für Kinder attraktiv, die den Notenschnitt für die Realschule verfehlen. "Ich denke, der Anspruch ist bei der Realschule höher", sagt sie. Und das wüssten wohl auch spätere Arbeitgeber. Ihr älterer Sohn ist auf das Gymnasium gewechselt, der jüngere wird im kommenden Jahr folgen oder zur Realschule gehen. Die Praxisnähe, die Befürworter der Mittelschule immer wieder betonen, scheint sie nicht zu überzeugen.

Langfristig keine Zukunft

Gerhard Hüfner vom Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) meint, das Konzept Mittelschule hat "langfristig keine Zukunft". Kritisch beobachtet er die Konzentration, der sich kleinere Lehrinstitute beugen müssen.


Zum Hintergrund:

Eine Hauptschule durfte sich nach der Mittelschulreform von 2010/2011 nur dann Mittelschule nennen, wenn sie drei Dinge sicherstellte: berufliche Orientierung, ein Ganztagsangebot und einen "M-Zug", also die Mittlere Reife für geeignete Schüler. "Das können die kleinen Mittelschulen aber nicht leisten", sagt Gerhard Hüfner. Schüler der Volksschule Oberes Rodachtal in Steinwiesen, die ihren Realschulabschluss machen wollen, müssen dafür an die Schwesterschule nach Kronach wechseln.

Ein Argument für die Mittelschulen war 2010 die Wohnortnähe gegenüber den selteneren Realschulen. "Aber die gibt es nicht mehr", sagt der Experte vom BLLV. Zudem hätten Realschüler in der Wirtschaft - abgesehen vom Handwerk - meist bessere Chancen als Mittelschüler mit gleicher Qualifikation, wie Hüfner meint. Langfristig hätten Mittelschulen deshalb keine Überlebensgrundlage. "Nachhaltig wäre nur ein Konzept mit Gymnasium und einer weiteren Schulform, die Schüler nach neun oder zehn Jahren abschließen können", meint Hüfner. Kein optimistisches Bild.