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Großfamilie mit elf Kindern - Was man von Ottilie Gebhardt lernen kann


Autor: Petra Malbrich

Forchheim, Donnerstag, 08. Mai 2014

Ottilie Gebhardt war Mutter von elf Kindern. Drei der Geschwister erzählen, wie ihre Mutter sie geprägt hat und welche Weisheit Ottilies für alle Familien gelten sollte und warum der Muttertag so wichtig ist. Auch jetzt noch.
Die Geschwister Marga Kral, Georg Gebhardt und Rosa Freund können auf eine große Familie blicken.


Wie wichtig eine Mutter ist, weiß man erst, wenn sie nicht mehr da ist. Sie fehlt einfach in vielen Situationen im Alltag. Sogar wenn die Kinder inzwischen selbst Erwachsene sind. Auch wenn es der natürliche Lauf des Lebens ist, richtig vorbereitet, ohne Mutter zu sein, ist man nicht. Gut, dass man nicht im Streit auseinander gegangen ist.

"Das wollte die Mutter nie. Schon als wir Kinder waren, sagte sie immer, wir sollen uns vor dem Schlafengehen versöhnen. Man wisse nie, was passiert", erinnert sich die 51-jährige Rosa Freund. Sie gehört zu den jüngeren der elf Kinder von Ottilie Gebhardt.


Es war immer was los

Sehr lebhaft ging es bei so vielen Kindern schon zu. Streit gab es auch untereinander und sicher blieb auch Schelte nicht aus.

Wenn die Kinder zu lange weg blieben, wenn sie nicht in die Kirche gingen, wenn die eine Schwester die Kleider der anderen nahm oder der ältere Bruder, der auf das Baby aufpassen sollte, es in seiner Verzweiflung, weil es nicht zu schreien aufhörte, unter das Bett legte.

Da war es zwar still, aber das war nicht in Ottilie Gebhardts Sinn. Nur mit den Eltern wurde nicht gestritten. "Man konnte mit ihnen nicht streiten. Die Eltern waren Respektpersonen. Ich habe auch gerne Fußball gespielt. Aber wenn es hieß, bis fünf Uhr ist eine Arbeit erledigt, dann war sie erledigt", sagt Georg Gebhardt, der Viert-Jüngste der Großfamilie.

"Wenn man jetzt heim kommt, ist niemand mehr da", fügt Marga Kral an. Nur der Bruder Hans, der noch im Elternhaus lebt. Trotzdem fehlt etwas. Das Lachen, das Leben, die Plauderstunden, auch wenn dabei gestrickt wurde oder der Fernseher lief. Denn Kinder bleiben immer Kinder und die Eltern die Personen, die sich um die Kinder sorgen, mit ihnen bangen und sich mit ihnen freuen.

"Die Mutter hat die Fäden gezogen, dass alle wieder zusammenkommen", sagt Georg Gebhardt, während er mit seinen Schwestern vor dem Elternhaus steht. Hier wuchsen die elf Geschwister auf in einer kleinen Landwirtschaft, zu der zwei Kühe und vier Schweine gehörten.

Drei Kinderzimmer standen zur Verfügung. Niemand hatte ein Zimmer nur für sich. Mindestens neun Kinder lebten zur selben Zeit im Haus, die älteren waren da schon verheiratet und wohnten in anderen Ortschaften. So war gerade der Muttertag wichtig, kamen doch alle Geschwister mit ihren Ehepartnern und Kindern hierher, um gemeinsam zu feiern. Im "kleinen" Rahmen, ganz familiär, was 50 Leute bedeutete, die im Wohnzimmer, Esszimmer und in der Küche saßen.

Die Tante gerade ein Jahr älter als der Neffe. Oder anders gesagt, Ottilie Gebhardts jüngste Tochter war gerade ein Jahr älter als Ottilies erstes Enkelkind. Aber Ottilie Gebhardt war dann in ihrem Element. Kochen für 50 Mann war ihre Welt. Heute ist der Treffpunkt der Familie an Muttertag das Grab der Eltern. Für das Muttertagsgeschenk legen alle zusammen. Elf Sträuße finden am Grab keinen Platz. Aber darum geht es nicht. Es geht um das Gedenken an die Mutter. "Sie war lustig, gesellig und ,du' - dauernd unterwegs", erzählen die Kinder lachend.

Auch wenn Ottilie Gebhardt vor sechs Jahren gestorben ist, kann man einen Menschen nicht nur mit einigen Eigenschaften beschreiben. Die Erinnerungen sind als Bilder fest in den Gedanken verankert und der Mensch und die Mutter Ottilie lebt durch die Kinder weiter. "Sie hat das Vorbild gelebt", sind sich die Geschwister einig.


Jedem wurde ein Heim geboten

"Auch wenn die Familie selbst sparen musste, war für jeden Fremden Platz und etwas zum Essen da", sagt Hans Gebhardt und vor allem die beiden Frauen erinnern sich nicht nur an die Freundinnen und Kolleginnen, die im Haus übernachten durften, wenn es zu spät für den Heimweg war, sondern auch an die Kriegszeit, als Flüchtlinge zum Hamstern kamen und bei der Familie Gebhardt ein Zimmer zum Schlafen und Essen bekamen. Noch viele Jahre nach Kriegsende kam dieses Ehepaar aus Fürth zu Besuch. Die Kinder nannten die Frau Tante Betty, von der Marga dann sogar einen Petticoat geschenkt bekam.

Manchmal hatten es die elf Kinder satt, immer die Klamotten der älteren Geschwister tragen zu müssen, auf die jüngeren Geschwister aufzupassen oder Heu zu machen, während sich die Freunde im Bad vergnügten. Manchmal konnten sie den selbst gemachten Pressack auf dem Pausenbrot nicht mehr sehen und tauschten es für ein Salamibrot von der Schulfreundin ein. Gerne wären sie auch zum Frisör gegangen, anstatt die Haare vom Vater, dem Hobbyfrisör, schneiden zu lassen. "Wir hatten alle die selbe Frisur. Einmal bin ich zum Frisör gegangen.

Aber er schnitt schief. Als ich meinen Vater bat, sie nachzuschneiden, weigerte er sich", erinnert sich Marga.
Aber sie lernten Verantwortung, Zusammenhalt und die Konsequenzen ihrer Handlungen und sie wussten, was die Eltern für gut befanden und was eher weniger Zustimmung finden würde.

"Ich hatte anfangs schon ein ungutes Gefühl, als ich meine Tochter evangelisch taufen ließ", meint Marga. Auch Georg heiratete eine evangelische Frau. Es passte damals einfach nicht in die Zeit und man wollte nicht aus dem Rahmen fallen. Die Familientradition, sich zu den Festtagen zu treffen, auf jeden Fall alle Geburtstage mit der großen Familie zu feiern, haben sie beibehalten. Nur den Muttertag feiert inzwischen jeder mit seiner Familie. Bis auf das Treffen am Grab. Wenn sie sich dann an die Mutter erinnern, ist immer auch der Vater in ihren Gedanken dabei. "Manchmal denke ich schon, hätte ich doch das eine oder andere noch gefragt", sagt Rosa.