Glasindustrie im Frankenwald bangt um Zukunft
Autor: Veronika Schadeck
Kronach, Sonntag, 12. Januar 2014
Die Glashersteller im Landkreis Kronach fürchten um bezahlbare Energiepreise und ebenso um ihre Versorgungssicherheit. Die heimischen Kommunalpolitiker wollen für die Firmen kämpfen.
Die Rabatte bei der EEG-Umlage für die Industrie sind EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia schon lange ein Dorn im Auge. Am 18. Dezember hat die Kommission das Beihilfeverfahren eröffnet. Der Glasindustrie ist nun bange vor zu harten Einschnitten und vor einer möglichen Abschaffung der Härtefallregelungen für energieintensive Betriebe. Es geht um Geld, um Wettbewerbsfähigkeit, um Versorgungssicherheit, um bezahlbare Energiepreise und vor allem um Arbeitsplätze in der Region.
Der Unternehmer Carl-August Heinz sitzt in seinem "Glascafé". Seine Gesichtszüge werden ernst, wenn das Thema "Energiewende und Beihilfeverfahren" angesprochen wird. Es werde einiges über die politische Schiene versucht, auch den Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer habe man für dieses existenzielle Thema sensibilisiert.
Alternative Amerika
Für Carl-August Heinz seht fest, dass - wenn die Härtefallregelung abgeschafft und die Versorgungssicherheit mit Strom nicht gewährleistet wird - er eine Wanne demontieren und nach Amerika verlegen wird. "Wir können nur noch mit Verlagerungen und Personalabbau drohen, alles andere geht der Politik am A ... vorbei", stellt er fest. Bereits im vergangenen Jahr wurde eine Wanne vom Piesauer Werk aus nach Polen verlegt.
Nicht nur das Beihilfeverfahren, sondern auch die Versorgungssicherheit bereitet Heinz Sorgen, zumal im Jahr 2015 das Kernkraftwerk in Grafenrheinfeld vom Netz gehen wird. Er fürchtet, dass die unregelmäßige Energieerzeugung von Windrädern und Solaranlagen zu Blackouts und Produktionsausfällen führen wird.
Die Glashütten im oberen Frankenwald sind Global Player, sie exportieren ihre Produkte weltweit - auch in Länder wie Amerika und Frankreich, in denen die Strompreise günstiger sind. Bereits bis dato müssen die Betriebe trotz Ausnahmeregelung rund 20 Prozent ihrer Betriebskosten für Energie aufbringen. Gearbeitet wird im Schichtbetrieb, rund um die Uhr. Kommt es beispielsweise zu einem Stromausfall von nur drei Minuten, bedeutet das einen rasanten Temperaturabsturz im Feeder (eine Verlängerung der Glasschmelzwanne), wie Heinz erklärt. Dann müssen etwa 5000 Euro an Energiekosten investiert werden, um die benötigte Temperatur für die Glasproduktion wieder herzustellen.
360 Millionen Kilowattstunden
Rund 360 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr, das entspricht dem gesamten Energieverbrauch der Städte Bayreuth und Bamberg, benötigen die drei Glashütten in der Rennsteig-Region, um Glas produzieren zu können. Rund 5000 Arbeitsplätze stellt die Glasindustrie in der fränkischen und thüringischen Rennsteig-Region zur Verfügung. Indirekt hängt jeder zweite Arbeitsplatz von der Glasindustrie ab. Rund 160 Millionen Euro investierten Heinz-Glas, Wiegand-Glas und Gerresheimer Tettau in den vergangenen Jahren am Rennsteig.
Der Geschäftsführer von Ger resheimer Tettau, Bernd Hör auf, sprach beim Neujahrsempfang der Gemeinde Steinbach von einer existenziellen Frage. "Wir sind für die Energiewende, aber sie muss die Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit unserer Betriebe gewährleisten!"
Reaktionen aus der Politik
Um die Bedeutung der Glasindustrie wissen auch die Politiker. Und die sehen durchaus Chancen, dass bei den Ausnahmeregelungen alles so bleibt, wie es ist. "Das ist das politische Ziel!", unterstreicht MdL Jürgen Baumgärtner (CSU). "Kein Mensch kann Interesse daran haben, dass diese Region 6000 Arbeitsplätze verliert." Er wisse aber auch um die fehlende Lobby der Glasindustrie. Dies berge eine Gefahr.
Baumgärtner spricht von einem regen Informationaustausch, auch mit MdB Hans Michelbach und MdEP Monika Hohlmeier (beide CSU), damit die Belange der energieintensiven Glasindustrie in Brüssel und Berlin Gehör finden. Und sie seien sich einig: "Die Energiewende muss so gestaltet werden, dass keine Gefahr für Arbeitsplätze besteht und die Strompreise auch für den Normalverbraucher bezahlbar bleiben."
Im Hinblick auf die befürchteten Versorgungsengpässe nach der Abschaltung des Kernkraftwerks in Grafenrheinfeld im Jahr 2015 hofft Baumgärtner, dass bis dahin die Thüringer Strombrücke fertig ist. Zudem müsse die Region auch direkt mit einer Stromzufuhr aus dem Norden versorgt werden, räumt er ein.
Er habe wegen der Einleitung des Beihilfeverfahrens viele Briefe von Unternehmern bekommen, betont MdB Hans Michelbach. Auch er sieht gute Chancen für die Industrie. Er begründet dies zum einen mit den anstehenden Europawahlen, zum anderen mit der großen Koalition, die für die Beibehaltung der Ausnahmeregelungen für energieintensive Betriebe sei. Außerdem sagt er: "Solange die Energiepreise trotz Reduzierungen bei der EEG-Umlage noch höher sind, als in anderen europäischen Ländern, kann nicht von Wettbewerbsverzerrungen gesprochen werden!"
Auf ursprüngliches Ziel besinnen
Neben den Bürgermeistern von Steinbach und Tettau, Klaus Löffler (CSU) und Peter Ebertsch (Bündnis für Tettau), ist auch die Industrie- und Handelskammer ist mit im Boot, wenn es um die Bezahlbarkeit der Energiewende und um die Beibehaltung der Ausnahmeregelungen für die Glasindustrie geht.
Die Ausgleichsregelung, so Hans Rebhan, IHK-Vizepräsident und Vorsitzender des IHK-Gremiums Kronach, sollte auf ihr ursprüngliches Ziel zurückgeführt werden, nämlich die stromintensiven, produzierenden Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, zu entlasten. Er wies darauf hin, dass sofort nach dem Bekanntwerden des Beihilfeverfahrens am 23. Dezember eine Telefonkonferenz, unter anderem mit der Europaabgeordneten Monika Hohlmeier und dem Präsidenten der IHK, Heribert Trunk, sowie Unternehmern stattgefunden hat. Darin sind Punkte festgelegt worden, die in die Stellungnahme der Bundesregierung einfließen sollen (bis zum 19. Januar muss diese bei der EU eingereicht werden).