Giftmord auf einer Pferdekoppel in Neukenroth
Autor: Friedwald Schedel
Neukenroth, Montag, 08. Dezember 2014
Der 19-jährige Wallach Chino ist einem Anschlag zum Opfer gefallen. Sein Halter Werner Muffel meint, dass dies ihm gegolten hat.
Wenn Werner Muffel von seinem Haus am Rand von Neukenroth zu seiner Pferdekoppel am nahen Waldrand läuft, dann muss er sich zu jedem Schritt zwingen. Dem durchtrainierten Mann, der ein Fitness-Studio betreibt, fällt jede Bewegung schwer. Er weiß, sein bester vierbeiniger Freund, der 19-jährige Wallach Chino, wird ihn nie wieder in der Koppel begrüßen. Chino ist tot, vergiftet. Dessen ist sich Werner Muffel sicher.
Der Besitzer hat sein Pferd am vergangenen Mittwochnacht tot in der Koppel liegend gefunden. Das Tier hat aus allen Körperöffnungen geblutet, ein deutliches Anzeichen für Vergiftung. Auch als das Pferd aus der Koppel an die Straße zum Verladen geschleift wurde, zog es eine Blutspur hinter sich her, obwohl es keine äußeren Verletzungen aufwies: Das Fell war unversehrt.
Schlaflose Nächte
Werner Muffel ist noch immer fassungslos. "Wer macht so etwas? Wer vergiftet ein so schönes Pferd?", fragt er immer wieder. Er hat einige Tage gebraucht, um den Verlust seines Lieblingspferds wenigstens einigermaßen zu verkraften, hatte schlaflose Nächte. Erst am Montag konnten wir mit ihm sprechen. Aber noch immer fällt es ihm schwer, über die vergangenen Tage zu berichten. Am Dienstag war alles noch in bester Ordnung. Der 19-jährige Wallach Chino, ein fast weißes American Paint horse mit Stammbaum, sowie die 24-jährige Stute Jaiyl und deren Sohn, der neuneinhalbjährige Wallach Sunny, beide Quarterhorse, trabten froh gelaunt zum Zaun, als sie Werner Muffel sahen.
Am Mittwochmittag kam ihm Chino ein bisschen merkwürdig vor. Das Pferd schien anders als sonst, doch es lief in der Koppel umher. Keine Krankheits- oder Verletzungsanzeichen. Werner Muffel kam das Verhalten seines Pferds trotzdem seltsam vor. Deshalb beschloss er, am Abend mit der Taschenlampe noch einmal nach Chino zu schauen. Ein Schock: Der Wallach lag tot in der Koppel, blutete aus allen Körperöffnungen. Die beiden anderen Pferde waren unversehrt. Werner Muffel war wie vom Blitz getroffen.
Gnadenbrot für die Stute
Zuerst wollte er die Pferdehaltung komplett aufgeben, jetzt, wo sein Lieblingspferd Chino tot ist. Doch die alte Pferdedame Jaiyl, die nicht mehr geritten wird, weil sie beim Laufen ein bisschen Probleme hat, genießt bei Werner Muffel ihr Gnadenbrot. Und Wallach Sunny macht seinem Namen alle Ehre und ist ein richtiger Sonnyboy. Doch er vermisst das Führungstier Chino, steht manchmal etwas traurig in der Koppel, schaut in eine unendliche Leere. Jetzt muss Sunny die Führungsrolle einnehmen, die bislang Chino inne hatte. Wenn Leute in der Koppel sind, dann vergisst Sunny die Trauer um seinen Kumpel, dann geht der Wallach neugierig auf die Besucher zu, zupft ein bisschen an ihrer Kleidung, interessiert sich für alles und will die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Auch Jajyl trauert, liegt im Heu und frisst.
Werner Muffel gehen derweil die Erinnerungen an Chino durch den Kopf. Er berichtet von vielen schönen Ausritten in den vergangenen 16 Jahren, zeigt auf eine Lichtung am Berghang gegenüber. "Von dort aus haben Chino und ich immer herüber zu unserem Anwesen gegrüßt", sagt Muffel. Einen Ausflug, den der Pferdehalter immer wieder verschoben hat, kann er nun nicht nicht mehr absolvieren: "Ich wollte immer mal mit Chino zur Festung Rosenberg reiten, hab das immer wieder hinausgeschoben - und jetzt ist es zu spät", sinniert Werner Muffel. Chino war 16 Jahre bei ihm, "länger als jede meiner Freundinnen", sagt Muffel.
Und dann kommen ihm wieder Gedanken an den Giftmörder in den Sinn. Er skizziert, wie es der noch Unbekannte geschafft haben könnte, an die Koppel zu gelangen, Chino den Giftköder zu reichen. "Der hat sich bestimmt aus dem dichten Wald angeschlichen", meint Werner Muffel. Aus der Deckung heraus habe dieser Mensch beobachten können, ob die Luft rein sei. Wäre jemand gekommen, der Unbekannte hätte schnell in der Dickung verschwinden können.
Liebevoll umsorgt
Jetzt schaut Werner Muffel noch öfter als sonst nach den beiden verbliebenen Pferden Jaiyl und Sunny, die er zusammen mit weiteren Pferdefreunden liebevoll umsorgt. Jede freie Minute nutzt er, um sich um die Pferde zu kümmern. Da sie nur in der freien Natur geritten werden, kaum auf befestigten Wegen, Pflaster oder Asphalt, kann Werner Muffel auf das Beschlagen mit Hufeisen verzichten. "Das Eisen brauchen die nicht, wenn sie auf weichem Untergrund laufen", weiß er. Und auf die Gesundheit der Hufe seiner Pferde achtet er, pflegt die Hufe selbst.