Druckartikel: Gewalt gegen Frauen: Wie das Frauenhaus Betroffenen Schutz bietet

Gewalt gegen Frauen: Wie das Frauenhaus Betroffenen Schutz bietet


Autor: Anna-Lena Deuerling

LKR Kronach, Dienstag, 16. Juli 2019

Institutionen wie das Frauenhaus oder der Frauennotruf könnten ohne den Schutz der Anonymität nicht existieren. Das heißt aber nicht, dass die Themen nicht in und mit Hilfe der breiten Öffentlichkeit stattfinden sollten.
Der Verein "Keine Gewalt gegen Frauen" ist Träger verschiedener Einrichtungen zum Schutz und zur Unterstützung Betroffener.  Symbolfoto:pixybay


Die Gewalt habe sich verändert. Prellungen und Knochenbrüche seien das eine. Doch dann gebe es eben auch den psychischen Missbrauch, die Demütigungen, den emotionalen Terror. Egal welcher Gewalt Frauen ausgesetzt sind, das Frauenhaus Coburg will ihnen eines bieten: Schutz und Unterkunft.

Immer öfter kommen Margit Traut und ihr Team vom Frauenhaus an die Grenzen ihrer Kapazitäten. Allein im vergangenen Jahr fanden über 40 Frauen und 50 Kinder keinen sicheren Platz. Die Einrichtung war überbelegt. Dass an jedem Anruf, jedem Hilferuf, den sie abweisen müssen, ein Menschenleben hängt, hat Traut am Montag in einem bewegenden Bericht vor dem Kronacher Kreistag geschildert.

Zuhause nicht sicher

Eines hätten alle hilfesuchenden Frauen, egal aus welcher familiären Situation, Generation oder gesellschaftlichen Schicht, gemein. "Sie sind alle von Gewalt betroffen und zuhause nicht mehr sicher", sagt Traut zu Beginn. Hilfe im Schutz der Anonymität könne man allerdings nicht allen anbieten. Für Obdachlose oder psychisch Kranke sei das Frauenhaus nicht der richtige Platz. "Wir sind kein Heim. Hier muss sich jeder selbst versorgen können."

Im vergangenen Jahr hat das Haus 27 Frauen und 21 Kindern eine Unterkunft bieten können. Vier Frauen und ein Kind kamen aus dem Kreis Kronach. Bei permanenter Überbelegung habe man wieder und wieder Hilfesuchende abweisend müssen. Die Warteliste ist lang.

Die Unterkunft bietet aktuell Platz für fünf Frauen und fünf Kinder. Neben den Doppelzimmern gibt es Badezimmer, einen Gemeinschaftsraum und eine Küche, die alle gemeinsam nutzen. Wie lange die Familien bleiben, komme ganz auf die Situation und das Erlebte an. Und habe oft auch ganz pragmatische Hintergründe. "Durch den schwierigen Wohnungsmarkt dauert es heute tendenziell länger", sagt Traut. Aber auch die Problematik der Frauen sei vielschichtiger geworden. Die emotionale Stabilisierung und Existenzsicherung nehme mehr Zeit in Anspruch. Oft kämen sie mit schwerwiegenden psychischen Problemen, auch Alkohol und Drogen seien immer wieder ein Thema.

Zur Ruhe kommen

"Wir können die Frauen nicht einfach auf den Wohnungsmarkt schubsen", sagt Traut. Denn neben Schutz und Unterkunft sollen die Frauen auch Ruhe finden. Oft läge ein langes Martyrium hinter ihnen, dessen Ausmaß sich oft erst später eröffne. "Viele Frauen untertreiben."

Viel Aufmerksamkeit müsse natürlich den Kindern zuteilwerden. "Die haben in der Regel fast alles mitbekommen, wenn sie nicht selbst Gewalt erlebt haben." Viele seien traumatisiert, die Mutter-Kind-Beziehung gestört. Vor Ort werden Mutter und Kind von drei Teilzeitkräften betreut. "Wir sind personell knapp an der Grenze", sagt Traut. Vor allem da viel wertvolle Zeit in die Verwaltung fließe.

Eine zusätzliche Fachkraft wäre ein Anfang. Aber langfristig braucht das Frauenhaus neue Räumlichkeiten. "Wir wollen keinen Luxus, aber einen gewissen Standard, der den Frauen mehr Privatsphäre gibt." Mit großzügigeren Räumen könne man auch Frauen mit mehreren Kindern aufnehmen. Doch das alles muss finanziert werden. Der Haushalt des Projekts sei jetzt schon so eng geschnürt, dass eine kaputte Waschmaschine zum Problem werde.

Trotz der Unterstützung aus den Kommunen, ist man weiterhin von Spenden abhängig. "Warum findet das so still und leise statt?", fragt Traut. "Das Thema findet wenig Gehör, vielleicht ist es auch nicht lukrativ genug." Frauen, die ihre Geschichte publik machen und Aufmerksamkeit auf das Thema lenken, gebe es nur selten. Zu groß sei oft die Scham. Um den Verein weiterhin bestmöglich unterstützen zu können, will Landrat Klaus Löffler (CSU) nun einen runden Tisch mit allen Beteiligten ins Leben rufen.

Finanzierung und Spenden

Die Finanzierung erfolgt durch die Kommunen (Stadt Coburg, Landkreis Coburg, Lichtenfels, Kronach) und den Bezirk . Der Verein ist verpflichtet, zehn Prozent des Haushaltes zu erwirtschaften.

Der Eigenanteil und andere Anschaffungen, die nicht wie Grundbedarf und Personalkosten abgesichert sind, müssen finanziert werden. Der Verein ist auf Beiträge, Spenden und Bußgelder von öffentlichen Einrichtungen angewiesen. (Spenden an Vereinigte Coburger Sparkassen;

IBAN : DE39 7835 0000 0092 015700)

"Es geht ums Überleben"

Der Verein "Keine Gewalt gegen Frauen" ist neben dem Frauenhaus Träger des Frauennotrufs und der Frauenberatungsstelle. Anni Schuhmann-Demetz stellte die Arbeit der Stellen vor. "Gewalt geht durch alle Schichten", stellte sie fest. Die Frauen, die telefonisch oder vor Ort nach Hilfe und Rat suchen, kämen aus den unterschiedlichsten Milieus und Altersgruppen. Doch nicht nur Betroffene, die psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt erlitten haben, könnten sich anonym an die Stelle wenden.

Auch Vertraute oder Familienmitglieder, die einen Verdacht auf Misshandlung in ihrem Umfeld oder womöglich im Schul- oder Kindergartenkontext haben, könnten den Notruf nutzen. Neben telefonischer Beratung, Information und persönlichen Beratungsgesprächen, leistet die Stelle noch weitere Betreuung. Neben der Begleitung zur Polizei, Ärzten, Anwälten oder vor Gericht, sind es vor allem die Gruppenbetreuungen, die den Betroffenen helfen. Mit dem Erlebten zurecht und durch den Alltag zu kommen, sei die große Herausforderung, nachdem man den ersten Schritt gemacht und sich Hilfe gesucht habe. "Es geht ums Überleben", schildert Schuhmann-Demetz den Kampf, den viele Frauen in der Beratungsgruppe führen.

Erfreulicherweise konnte der Notruf jüngst aufstocken, ein entsprechender Antrag wurde genehmigt. Doch das Personalkorsett sei immer noch eng geschnürt. Wunsch des Vereins wäre, durch zusätzliche Mittel eine weitere Stelle ins Leben zu rufen. Eine Außenstelle in Kronach, die eine räumliche Distanz vor allem zum Landkreisnorden überbrücken würde, wäre eine Option.