"Gefahr für Leib und Leben": So wild geht es auf der illegalen Rennstrecke des Frankenwalds zu
Autor: Sandra Hackenberg
Kronach, Samstag, 18. Juli 2020
Wegen ihrer Kurven ist die Strecke zwischen Schauberg und Jagdshof vom Geheimtipp in der Bikerszene zur illegalen Rennstrecke mutiert. Anwohner berichten von kuriosen bis lebensgefährlichen Szenen.
Dort oben, wo die Langenau in die Tettau mündet und sich der Frankenwald von seiner märchenhaftesten Seite zeigt, liegt der 140-Seelenort Schauberg. Doch die Postkartenidylle an der Grenze zu Thüringen trügt: Seit die Landesstraße zwischen Schauberg und Jagdshof vor drei Jahren freigegeben wurde, ist sie zur illegalen Rennstrecke mutiert.
14 Kurven auf 3,4 Kilometern Länge locken Motorrad-Raser aus ganz Deutschland und sogar dem Ausland an. Dass dort rennstreckenmäßig geheizt werden kann, hat sich in der Szene längst herumgesprochen. Erst am vergangenen Wochenende sollen laut der Polizei Sonneberg wieder Rennen stattgefunden haben. Die Beamten haben vor Ort dutzende Motorradfahrer angetroffen - von 16 Personen wurden die Personalien aufgenommen.
Überholmanöver in den Kurven
Zu den Stoßzeiten am Wochenende sollen sich bis zu 60 Biker auf und am Rande der Strecke aufhalten. Werktags hält sich das Aufkommen zwar in Grenzen - los ist trotzdem einiges, wie sich vor Ort zeigt. Das Brummen der Maschinen ist am vergangenen Dienstagabend bereits in Schauberg zu hören.
Nach dem Ortsschild dauert es nicht lange, bis der erste Motorradfahrer in lederner Rennmontur entgegenkommt. "Würde mich nicht wundern, wenn der gleich wieder hinter uns auftaucht", kündigt der Informant an, der das Auto fährt und lieber anonym bleiben möchte. "Die fahren die Strecke mehrmals hintereinander auf und ab und werden dabei immer waghalsiger."
Getränkestützpunkt mit Bierbank
Er soll recht behalten: Etwa auf halber Strecke taucht besagter Fahrer mit Gothaer Kennzeichen urplötzlich wieder hinter dem Fahrzeug auf und überholt, obwohl die beginnende Kurve nicht einsehbar ist. Das Spiel wiederholt sich am Ende der Strecke ein weiteres Mal. "Das muss man sich mal vorstellen: Die fahren 100 Kilometer aus Gotha her, um dann hier zu rasen."
In einer Einmündung haben fünf weitere Fahrer ihre Maschinen abgestellt. Sie sitzen auf einer Bierbank, beobachten die Fahrt ihres Kollegen und trinken Malzbier. Dann laufen sie die Straße ab und inspizieren eine mit Sand abgedeckte Ölspur. "Die ist ganz frisch. Da hat einer wieder den Abflug gemacht", mutmaßt der Informant. Lediglich zwei Unfälle wurden im vergangenen Jahr dokumentiert. Die Dunkelziffer liegt wohl viel höher. Bremsspuren auf dem Asphalt und Dellen in den Leitplanken sind stille Zeugen unzähliger Stürze - die Gemeindeverwaltung Judenbach schätzt mehrere pro Woche.
100 km/h zu schnell
Wegen den vielen Kurven ist die Geschwindigkeit auf der gesamten Strecke auf 70 Stundenkilometer begrenzt - der Informant berichtet von bis zu 170 km/h, von Kameras, die an den Maschinen angebracht werden, um die Manöver zu filmen und von Rowdys, die ihre Maschine auf dem Hinterreifen durch Schauberg bugsieren.