Familie Bamberger tritt aus dem Dunkeln
Autor: Heike Schülein
Kronach, Dienstag, 02. Juni 2015
Am Montag wurde die Ausstellung "Die Bambergers - Eine jüdische Familie aus Kronach" eröffnet. Viele Nachkommen und Ehrengäste waren dabei. Das Interesse war riesengroß.
"Zu schmerzlich muss die Erinnerung an die Ermordung vieler ihrer Tanten und Onkel beim Anblick von Familienfotos und beim Lesen derer Briefe gewesen sein." Als Georges Segal vor über 20 Jahren sein Elternhaus übernahm, fand er in einer Wäschekommode rund 200 Familienfotos, Ansichtskarten, Briefe und Dokumente aus der Zeit seiner Groß- und Urgroßeltern - meist nicht identifiziert, allenfalls bezeichnet mit Vornamen der Absender oder Feriengrüßen. "Meine Mutter fand nie die Kraft oder Zeit, diese Fotos zu ordnen oder uns Hinweise auf ihre Herkunft zu geben", so Segal in seiner Ansprache.
Der Fund weckte das Interesse seiner Ehefrau Margaret, einer passionierten Ahnenforscherin. Unter großem Zeitaufwand ordnete sie die Papiere nach Stämmen, Familien und Einzelpersonen in Ordnern. Die Sammlung stellten sie dem Aktionskreis Kronacher Synagoge zur Verfügung.
Intensive Vorarbeit
Schnell entstand die Idee einer Ausstellung, die nun - nach zweijähriger intensiver Vorarbeit - am Montag eröffnet wurde. Anhand der Geschichte der Familie Bamberger, deren Kern die neun zwischen 1870 und 1886 geborenen Geschwister bilden, beleuchtet diese exemplarisch die deutsch-jüdische Geschichte in der Zeit zwischen deutscher Reichsgründung 1871 und Drittem Reich beziehungsweise den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Interesse war so groß, dass die Sitzplätze in der Synagoge nicht ausreichten.
Der Vorsitzenden des Aktionskreises, Odette Eisenträger-Sarter, oblag die Begrüßung vieler Mitglieder, Repräsentanten des öffentlichen Lebens, Unterstützern sowie insbesondere rund 20 Nachkommen der Familie Bamberger. Diese hatten zur Eröffnung weite Anfahrtsstrecken aus Israel, Schweiz und den USA auf sich genommen. Die Vorsitzende dankte allen Sponsoren, Unterstützern und Verantwortlichen der Ausstellung, darunter Christian Porzelt für die Konzeption und den Inhalt sowie Rolf Hering für die Gestaltung.
Regierungspräsident war beeindruckt
Regierungspräsident Wilhelm Wenning zeigte sich, auch in seiner Eigenschaft als Stiftungsratsvorsitzender der Oberfranken-Stiftung, beeindruckt vom einzigartigen Projekt. "Die Ausstellung ist für ganz Oberfranken und darüber hinaus von Bedeutung", sagte er. Sie zeige das Bild einer Familie, die sich überhaupt nicht von ihren nichtjüdischen Mitbürgern unterschieden habe und gut integriert gewesen sei.
Da sich die Familienmitglieder als Deutsche empfunden hätten, hätten sie es sich nicht vorstellen können, dass die neuen Machthaber auch ihnen nachstellen würden. Deshalb zögerten sie zunächst, Deutschland zu verlassen, so dass nur einigen die rechtzeitige Auswanderung gelang. Allen Anwesenden legte Wenning den Begleitkatalog ans Herz, dessen Wert auch nach Beendigung der Ausstellung erhalten bleibe. Voll des Lobes zeigte er sich für den Aktionskreis, der bereits das Gebäude vor dem Verfall bewahrt habe.
"Es ist ein besonderer, außergewöhnlicher und einmaliger Anlass, der uns heute zusammenführt", freute sich Kronachs Zweite Bürgermeisterin Angela Hofmann. In der mehr als 1000-jährigen Geschichte Kronachs habe es auch dunkle Zeiten gegeben, in der jüdische Familien Opfer von Mord und Vertreibung wurden - Menschen, die hier ihre Heimat gehabt hätten und fest verwurzelt gewesen seien. "Um richtige Entscheidungen für die Zukunft zu treffen, muss man die eigene Vergangenheit kennen", so Hofmann.
Übertroffene Erwartung
Laut Christian Porzelt sei ihm, als er vor zwei Jahren die wissenschaftliche Aufarbeitung des geschichtlichen Hintergrunds anging, die Resonanz nicht klar gewesen. "Heute wurden meine kühnsten Erwartungen übertroffen", meinte der Student der Geschichte überwältigt. Die Ausstellung verdeutliche, dass die Geschichte der Bambergers, wie auch anderer europäischer Juden, nicht mit dem Schrecken des Dritten Reichs geendet habe.
Die Familie Bamberger mit ihren neun Kindern habe in Kronach eine wichtige Rolle im gemeindlichen wie auch gesellschaftlichen Leben gespielt und sei sehr angesehen gewesen. Er dankte der Museologin Anja Weigelt sowie den Mitarbeitern des Nürnberger Stadtarchivs für die Unterstützung.
"Ohne die Hilfe vom Aktionskreis wäre die Ausstellung nie zustande gekommen", würdigte Georges Segal. Die
Nie über die Kriegszeit gesprochen
Logistik und technischen Abläufe wären von Basel aus nie machbar gewesen. Seine Mutter habe nie über die Kriegszeit gesprochen. Sie habe riesige Angst davor gehabt, was bei einer Besetzung von Basel passiert wäre. Er erinnerte daran, wie 100 000 Juden - und damit proportional zur Bevölkerung mehr Juden als Christen - Dienst im Ersten Weltkrieg geleistet hätten. 10 000 Männer seien gefallen, Tausende verletzt und als Kriegskrüppel zurückgekommen. "Was hat es genützt?", fragte er.
Kein Land in Europa habe sich mit seiner Vergangenheit so auseinandergesetzt wie Deutschland, dessen Regierung nichts beschönigt habe. Auch in Kronach lege der Aktionskreis die Vergangenheit offen dar. Hier werde jüdische Kultur gezeigt und die Synagoge nicht nur als schönes Monument, sondern als Begegnungs- und Gedenkstätte gepflegt. "Was hier in Kronach passiert, ist einzigartig", lobte er.
Musikalisch stimmig umrahmt wurde die Ausstellung von Lina Prell an der Gitarre.