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Fahrschulen im Kreis Kronach trotzen der Krise


Autor: Maximilian Glas

LKR Kronach, Montag, 11. Januar 2016

Die Fahrschul-Branche in Deutschland hat ein Problem: Immer mehr Betriebe müssen schließen, der Berufsstand ist stark überaltert. Im ländlich geprägten Landkreis Kronach sind die Fahrschulen aber weniger stark von der Krise betroffen.
Die Nachfrage für den Führerschein ist in den vergangenen Jahren in Deutschland gesunken. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Foto: Marcus Führer/dpa


Immer weniger Fahrschulen, ein überalterter und männerdominierter Berufsstand: Die Fahrschul-Branche in Deutschland befindet sich auf rasanter Talfahrt. 1999 gab es laut Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände (BVF) noch knapp 14 000 Unternehmen in Deutschland - 2014 waren es nur noch 11 900. "Ich nenne diese Entwicklung natürliche Marktbereinigung", sagt Rainer Zeltwanger, Vorsitzender des Berufsverbands Deutscher Fahrschulunternehmen (BDFU).

Weniger negativ sieht Fahrlehrer Udo Janke aus Marktrodach die Zukunft der Branche: "Ich bin wenig an Statistiken interessiert. Wir sollten die Situation nicht ganz so schwarz sehen, wie sie hochgepusht wird", sagt er. Der 56-Jährige ist ein Spätstarter, schloss seine Ausbildung zum Fahrlehrer erst 2003 ab. Den Traum einer eigenen Fahrschule hatte Udo Janke bereits viel länger. "Ich wollte von klein auf Fahrlehrer werden, hatte aber damals vor der schweren staatlichen Prüfung etwas Angst", gesteht der 56-Jährige. Stattdessen war er bis 2002 für 17 Jahre bei der Firma Dreefs in Marktrodach angestellt. In einer Zeit, in der die Branche schon am Kriseln war, bewies Janke Mut und schulte um. "Finanziell ist der Fahrlehrerberuf nicht reizvoll", sagt Janke. "Man muss ein Mensch sein, der es liebt, mit anderen Menschen umzugehen."


Gegen den Trend

Mit seiner Leidenschaft konnte Udo Janke einige Zeit später auch seine Frau Elzbieta, die zuvor im öffentlichen Dienst angestellt war, anstecken. Seit 2008 führt das Ehepaar gemeinsam eine Fahrschule in Kronach. Trotz des demografischen Wandels und geburtenschwacher Jahrgänge, stieg bei ihnen die Zahl der Fahrschüler in den vergangenen Jahren stetig an. "Es läuft sehr gut", sagt Udo Janke.

Weniger gut stellt sich die Situation bundesweit dar. Die Führerschein-Nachfrage sinkt rasant. Wurden 2007 noch knapp 1,37 Millionen praktische Prüfungen für den Autoführerschein der Klasse B absolviert, waren es sieben Jahre später nur noch knapp 1,15 Millionen. Als Statussymbol habe das Auto für viele junge Menschen ausgedient, begründet der BVF-Vorsitzende Gerhard von Bressensdorf. Diese Rolle hätten Smartphones, Reisen und Kleidung übernommen. Vor allem in Großstädten ist der Führerschein oft überflüssig. Oder, wie Zeltwanger es ausdrückt: "In der Stadt ist ein Auto Mist."


Weniger Sorgen auf dem Land

Deshalb schätzt sich Udo Janke auch glücklich, dass seine Fahrschule in einer eher ländlich geprägten Region steht. "Hier, auf dem Land, ist man mehr oder weniger auf das Auto angewiesen", sagt Janke. "Die Fahrschulen sind daher auch besser besucht als direkt in der Stadt."

Trotzdem müssten sich, so Zeltwanger, einige Regionen darauf einstellen, dass im größeren Umkreis überhaupt keine Fahrschule mehr existiert. Ein selbstständiger Fahrlehrer müsse schon heute nach Alternativen Ausschau halten, um über die Runden zu kommen. "Beispielsweise kann ich mir vorstellen, dass Fahrlehrer irgendwann Gemeindezentren für den Unterricht anmieten." Einige Fahrlehrer würden schon jetzt einen weitaus radikaleren Weg wählen. "Den eigenen Laden zuschließen und sich irgendwo anstellen lassen. Dann ist man einigermaßen abgesichert."

Ein Ende der Fahrschul-Krise ist für Rainer Zeltwanger nicht in Sicht: "Es ist dramatisch. Es gibt zu viele Einmannbetriebe. Und die sind auf kurz oder lang nicht überlebensfähig." Bestätigen kann diese Entwicklung auch Günter Müller. Der 67-Jährige betreibt seit 1979 selbst eine Ein-Mann-Fahrschule in Marktrodach. "Einzelfahrschulen werden immer weniger, es gibt nur noch ein paar Idealisten", sagt Müller.

Einen Rückgang der Fahrschüler könne er aufgrund des demografischen Wandels zwar auch bei sich beobachten, für einen Einzelkämpfer sei er mit rund 90 Fahrschülern pro Jahr aber gut ausgelastet, erklärt er. Dabei liege laut Müller die Durchfallquote in seiner Fahrschule bei unter zehn Prozent. Zum Vergleich: Bayernweit ist im Jahr 2014 jeder vierte Fahrschüler an der praktischen Fahrprüfung gescheitert. Ausschlaggebend für das Bestehen sei nicht alleine das Fahren, sondern auch die mentale Vorbereitung auf die ungewohnte Situation in der Prüfung, so der 67-Jährige.


Arbeitszeiten heute viel flexibler

Seit stolzen 44 Jahren ist Günter Müller Fahrlehrer. "Damals war Fahrlehrer noch ein Traumberuf, es gab keine Nacht- und Sonderfahrten und feste Arbeitszeiten", erinnert er sich an seine Anfänge im Beruf zurück. Heute müsse man in der Branche zeitlich viel flexibler sein, so Müller. Einer von mehreren Gründen, warum er seiner Tochter (18 Jahre) und seinem Sohn (16) nicht empfiehlt, als Fahrlehrer zu arbeiten. "Auch ich würde heute nicht mehr Fahrlehrer werden. Aber nicht weil es mir keinen Spaß macht, ich arbeite sehr gerne mit jungen Leuten zusammen", sagt Müller. "Aber man steht unter Stress, ist stark gefordert und der Verdienst ist kein Vergleich dazu." So sei der Preis für eine Fahrstunde im Vergleich zu vielen anderen Dingen zu DM-Zeiten nur geringfügig angestiegen - etwa von 50 DM im Jahr 2001 auf 32 Euro heute. Ans Aufhören denkt Günter Müller mit seinen 67 Jahren indes noch nicht. "Ich muss weiterarbeiten, ob ich will oder nicht. Die private Rentenversicherung ist durch die Inflation heute nur noch die Hälfte wert", sagt der Fahrlehrer. "Ich schaue von Jahr zu Jahr, solange ich gesundheitlich noch in der Lage bin, mache ich weiter."

Ein Schicksal, das Günter Müller mit vielen Berufskollegen in Deutschland teilt. Der Berufsstand des Fahrlehrers ist überaltert. Angaben des BVF zufolge sind drei von vier Fahrlehrern in Deutschland älter als 45. Fast jeder Dritte ist sogar älter als 60. Auch Fahrlehrerinnen sind eine Rarität. Von den gut 46 500 Lehrern sind 3900 Frauen - also gerade mal acht Prozent. "Hinzu kommt, dass der Nachwuchs wenig Lust hat, den Fahrlehrerberuf zu ergreifen - bei den Verdienstmöglichkeiten kein Wunder", macht Rainer Zeltwanger deutlich. Ausnahmen bestätigen aber auch hier die Regel. So werden die beiden Kinder von Udo und Elzbieta Janke im eigenen Betrieb ausgebildet.

Schon in wenigen Monaten sind der 25-jährige Dominik und Jacqueline (21 Jahre) mit ihrer Ausbildung zum Fahrlehrer fertig. Bereits heute werden die beiden voll im praktischen Unterricht eingesetzt. "Die Euphorie bei den beiden ist aktuell sehr groß", sagt Udo Janke. "Mal schauen, was die Jahre mit sich bringen."


Nachwuchs soll bald übernehmen

Gemeinsam mit seiner Ehefrau möchte Udo Janke nach und nach etwas kürzer treten und dem Nachwuchs das Feld überlassen. "Ich werde auf jeden Fall am Ball bleiben. Wenn die Kinder Hilfe brauchen, mache ich aber gerne weiter", sagt der 56-Jährige. An ein baldiges Fahrschul-Sterben glaubt Janke trotz des rasanten technischen Fortschritts nicht. "Ich werde es zumindest nicht mehr erleben und glaube auch nicht, dass es zu den Zeiten meiner Kinder passieren wird."