Fachärzte kritisieren die mögliche Termingarantie für Patienten
Autor: Vanessa Schneider
Kronach, Dienstag, 11. Februar 2014
Patienten sollen innerhalb von vier Wochen einen Termin beim Facharzt bekommen. Doch die eigentliche Probleme liegen woanders, weiß der Kronacher Gynäkologe Johannes Bühler.
Das Knie zwickt, das Auge tränt oder die Vorsorgeuntersuchung steht an. Arzttermine hätte am liebsten jeder so schnell wie möglich hinter sich. Doch nicht immer bekommen die Patienten auch innerhalb weniger Tage einen Termin beim Facharzt. Der neue Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) setzt sich dafür ein, dass Patienten künftig das Warten weitgehend erspart wird. Er möchte einen Facharzttermin binnen vier Wochen garantieren. Der Bundesverband niedergelassener Fachärzte kritisiert diesen Vorschlag in einem offenen Brief an Hermann Gröhe: "Eine gesetzliche Zwangsregelung (...) geht an den eigentlichen Problemen der ambulanten Versorgung vorbei."
Dieser Meinung schließt sich auch der Kronacher Gynäkologe Johannes Bühler an. Der Vorschlag sei aus seiner Sicht eine "populistische Aussage", die zwar gut klingt, aber die Situation für die Patienten gar nicht verbessern könne. Schließlich mache es kein Arzt gern, seine Patienten ewig warten zu lassen. "Mehr als ein Patient geht eben nicht", sagt Bühler. Schon jetzt seien die meisten Ärzte völlig überlastet, es fehlen Mediziner.
Auch Gröhe hat das erkannt und schlägt vor, Servicestellen einzurichten, die die Koordination übernehmen. Außerdem sollen sich Patienten an ein Krankenhaus wenden, wenn alle Praxen belegt sind. "Aber die Krankenhäuser können das gar nicht abfangen", sagt Bühler. Im offenen Brief heißt es: "Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Terminverpflichtung unter Androhung der Öffnung der Kliniken - die jetzt schon völlig überlastet sind - und eine weitere Reduktion der ohnehin schon unzureichenden ambulanten Budgets durch Bereinigung würde das Problem nicht lösen, sondern eher verschärfen." Auch für den Patienten entstünden durch die Termingarantie Nachteile. Bühler weiß daraufhin, dass jeder das Recht habe, den Arzt seines Vertrauens zu kontaktieren. "Man will seinen Arzt ja auch nicht ständig wechseln."
Kann der Arzt nach der Neuregelung aber keinen Termin innerhalb von vier Wochen anbieten, muss der Patient einen anderen Mediziner aufsuchen, bei dem er nicht in Behandlung ist. Gibt es nicht genügend Fachärzte an einem Ort, müsste der Patient weite Fahrwege auf sich nehmen, um möglicherweise ein paar Tage früher einen Arzt zu konsolidieren. Ob das am Ende besser ist, müsse jeder für sich beantworten.
Terminvergabe nach Dringlichkeit
Die Fachärzte kritisieren in ihrem Offenen Brief zudem, dass der Gröhes Vorschlag unabhängig von der medizinischen Dringlichkeit steht. "Richtig ist, dass - trotz international immer noch kürzester Wartezeiten auf Facharzt-Termine - in Deutschland diese dennoch allmählich für die Patienten spürbar länger werden. Dennoch bekommen alle gesetzlich Versicherten bei entsprechender medizinischer Notwendigkeit nach wie vor kurzfristig Termine beim Facharzt."
In der Praxis des Gynäkologen Johannes Bühler fragen die Arzthelferinnen stets, weshalb die Patientin untersucht werden will. Handelt es sich lediglich um eine Vorsorgeuntersuchung, müsse diejenige länger warten. "Dabei kommt es schließlich nicht auf ein paar Tage an" , sagt Bühler.
Akute Fälle haben immer Vorrang. Der Gynäkologe ist sich sicher, dass Ärzte niemanden mit starken Schmerzen erst einen Termin in ein paar Wochen anbieten werden. "Entscheidend ist: Notfälle werden immer zeitnah behandelt", sagt Bühler. Er und seine Helferinnen kalkulieren deshalb immer einen zeitlichen Puffer ein, um solche Fälle "dazwischen zu schieben".
In der Praxis von Johannes Bühler müssen die Patientinnen auch für Vorsorgeuntersuchungen nicht monatelang warten. Der Gynäkologe lobt die Planung seiner Helferinnen und erklärt, dass in der Frauenheilkunde diese auch leichter sei als in anderen Fachbereichen. Beim Orthopäden dauere die Anamnese meist länger. "Bei Knieschmerzen muss man sich ja den ganzen Körper anschauen. Da reicht nicht nur das Knie. Es sind möglicherweise viele Untersuchungen nötig." Als Frauenarzt macht er viele Kontroll- und Vorsorgeuntersuchungen, die weniger Zeit in Anspruch nehmen.
Sicherlich spiele es bei der Terminvergabe auch eine Rolle, ob die Patientin privat oder gesetzlich versichert ist. Daraus macht Bühler kein Geheimnis. "Doch wer ist schon privat versichert? Das sind höchstens zehn Prozent."
Gebührenordnung überarbeiten?
Bühler betont auch, dass er mit dem jetzigen System unzufrieden ist. Er führt seine Arztpraxis seit 22 Jahren in Kronach, doch immer wieder gab es Änderungen in der Gebührenordnung, die zum Nachteil für die praktizierenden Ärzte ausfiel.
Bühler erklärt, dass für bestimmte Untersuchungen ein gewisses Budget veranschlagt wird. Doch meist ist die Untersuchung umfangreicher und teurer. Zwar wird für einen gewissen Überschuss gezahlt, doch das erfolge erst Monate später. Am Ende bleibe er als Facharzt auf den Mehrkosten sitzen. "Wieso gibt es eine Gebührenordnung, wenn die Beiträge nicht ausgezahlt werden?" Bühler ist sich sicher, dass das auch ein Grund dafür ist, warum sich junge Mediziner gegen eine eigene Praxis entscheiden. Auch der Bundesverband niedergelassener Fachärzte kritisiert das: "Statt gesetzlicher Zwangsmaßnahmen, wären der sukzessive Abbau der Budgetierung sowie feste und angemessene Preise, beginnend für alle fachärztliche Grundleistungen, alle Notfälle und Unfälle, notwendig."
Ärztemangel ist das Problem
Um den Patienten optimal versorgen zu können, brauche es aus Bühlers Sicht, keine obligatorischen Terminvergaben, sondern schlichtweg mehr Ärzte.
"Unsere Sprechstunde beträgt acht Stunden. Hinzu kommen noch etwa eineinhalb Stunden fürs Dokumentieren. Wir können uns auch nicht zerreißen."
