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Facebook-Trend "Necknomination" erreicht Kronach


Autor: Marco Meißner

Kronach, Donnerstag, 06. Februar 2014

Auch immer mehr Kronacher nehmen derzeit bei Facebook am "Socialbeergame" teil. Während einige den Spaßfaktor im Vordergrund sehen, ruft der Rothenkirchener Marcus Löffler zu einer anderen Aktion auf.


Ein launiger Spruch, dann setzt der junge Mann das Glas an. Sekundenlang gluckert der golden-braune Gerstensaft seiner Kehle hinunter, bis das Seidla-Glas leer ist. Geschafft! Ein stolzes Lächeln für die Beobachter und eine Aufforderung an drei Kumpel, es ihm binnen 24 Stunden gleichzutun. Schnitt.

Diese Filmsequenz stammt weder aus einer Dokumentation über fränkische Bierhütten noch aus einer Hollywood-Teeniekomödie. Der halbminütige Streifen steht auf Facebook. Und der junge Kerl ist nur einer von vielen, die sich zurzeit beim Biertrinken "auf ex" von ihren Freunden filmen lassen. "Socialbeergame" nennt sich dieser Trend, der inzwischen auch die jungen Leute im Frankenwald erreicht hat.

Der Gaudi mit Ernst begegnet

Einer, der von seinem Freundeskreis zu einem Auftritt im Netz animiert wurde, ist der Kronacher Philipp Mahr.

"Ich habe natürlich mitbekommen, dass solche Videos im Umlauf sind, hatte aber bis zu meinem eigenen Video noch kein einziges gesehen", erinnert er sich. Sein Cousin aus Regensburg habe ihn zum Mitmachen aufgefordert.

"Ich finde die Aktion witzig. Und man ist natürlich beeindruckt, wie viele hier mitmachen", sagt er. Bei allem Spaß rund um das fränkische Nationalgetränk wird Mahr aber auch nachdenklich: "Schade ist nur, dass viele Leute bei so etwas mitmachen, aber wenn es darum geht, zum Beispiel eine Typisierung im Kampf gegen Krebserkrankungen oder Ähnliches zu machen, die Menschen ihren Hintern nicht hoch bekommen." Seiner Ansicht nach könnte mit vergleichbaren Aktionen sicher auch effektiv für Sinnvolles geworben werden.

Bei diesem Gedanken bezieht er sich auf einen anderen "Leidensgenossen" der Bieraktion, Marcus Löffler. Der hat auch mitgemacht, wollte kein Spielverderber sein. Aber er verzichtete darauf, Nachfolger zu nominieren. Er regte in seinem Video vielmehr dazu an, Blut zu spenden und sich bei der Deutschen Knochenmarkspenderdatei im Kampf gegen Blutkrebs registrieren zu lassen. "Dafür ist auch mehr Zeit als 24 Stunden", animierte er seine Facebook-Freunde im Filmclip zum Mitmachen auch bei ernsthaften sozialen Aktionen.

"Ich habe mit meiner Frau gesprochen, und wir hatten die Idee dazu", erklärt Löffler, der sich selbst schon in der Spenderdatei hat registrieren lassen. Durch sein Verhalten wollte er die Spaßaktion in eine Plattform für wichtige Anliegen verwandeln. Um das Auge für seinen Appell noch mehr zu schärfen, hat er sich auch zum Boykott weiterer Nominierungen entschieden. Das Paar wollte einen anderen Weg aufzeigen. "Wenn wir bloß fünf Leute erreichen, die deshalb Blut spenden, dann ist schon viel geholfen", stellt der Rothenkirchener fest. Die positive Resonanz, die er schon erfahren hat, ist für ihn jedoch die größte Überraschung. Die Sache schlage im Internet offenbar Wellen.

Gefahr für Jugendliche

Und obwohl er selbst die Gaudi mitgemacht, sein Seidla Bier getrunken hat, fordert er alle Teilnehmer dazu auf, sich auch kritische Gedanken über die Aktion selbst zu machen: "Auf der Pinnwand sind immer mehr Videos von Freunden aufgetaucht", blickt er zurück und urteilt: "Das ist schon mehr ein Gruppenzwang. Und ich sehe da schon eine Gefahr, wenn auch Jugendliche ins Boot genommen werden."

Die Schneckenloherin Michelle Thiem ist gerade erst nominiert worden. Ob sie mitmacht oder nicht, das wusste sie am Donnerstag Vormittag noch nicht genau. "Ich find's aber nicht so schlimm", stellte sie fest, dass es sich ihrer Ansicht nach in erster Linie schon um eine Gaudi handele. Natürlich sieht auch sie die Gefahr, wenn Jüngere sich an dem "Exen" ein Beispiel nehmen. Allerdings meint sie, dass bei Jugendlichen, die sich möglicherweise beteiligen und in einem Zug ein Seidla Bier leeren, an einer ganz anderen Stelle die Probleme zu suchen seien.

Zum einen sollten Jüngere ja gar keinen Zugang zu Facebook haben. Zum anderen geht sie davon aus, dass, wer als Jugendlicher solche Trinkspiele mitmache - und sie auch noch schaffe - zu Hause sicher auch zur Flasche greife. Für sie ist es daher zu einfach, eine solche Aktion für den Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen als Alibi heranzuziehen. Vielmehr müssten sich da auch die Eltern fragen, ob zu Hause alles richtig laufe, wenn die Kinder schon "Exen" können.

Das Netz vergisst nichts

Bernd Pflaum, zuständig für die Jugendarbeit am Landratsamt Kronach, sieht die Entwicklung um das "Socialbeergame" mit großer Skepsis. Er schildert uns, was es damit auf sich hat. Die Wurzeln solcher Trinkspiele lassen sich laut Bernd Pflaum auf eine lange Tradition bei den studentischen Verbindungen zurückführen. Sehr kritisch steht er der Tatsache gegenüber, dass die Aktion jetzt ausgerechnet auf Facebook ausufert. Das sei schließlich zurzeit das Medium für junge Leute. "Die Sache wird als lustige, spaßige Aktion dargestellt. Das animiert zum Mitmachen."

Allerdings sei die Geschichte nicht so harmlos. "Da kann schnell ein Gruppendruck aufkommen", nennt er eine Gefahr. "Der Alkohol wird dabei verharmlost", so Pflaum weiter. Daneben sieht Pflaum auch eine Schwierigkeit in den Spätfolgen für die Teilnehmer. "Das Netz vergisst nichts", unterstreicht er. Und wenn das Trinkvideo eines Tages bei einer Bewerbung dem Arbeitgeber in die Finger komme, werfe das sicher kein gutes Licht auf den Bewerber.