Druckartikel: Erwin Pelzig blödelt mit den Kronachern

Erwin Pelzig blödelt mit den Kronachern


Autor: Norbert Neugebauer

Kronach, Freitag, 11. Januar 2013

Trotz einiger Längen im zweiten Programmteil begeisterte Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig in Kronach. Unter dem Motto "Pelzig stellt sich" bot er rund drei Stunden lang gemütliche Unterhaltung.
"Pelzig stellt sich" - und begeistert den vollbesetzten Kronacher Kreiskulturraum bei seinem ersten Gastspiel nach vier Jahren. Foto: Norbert Neugebauer


Er ist wieder da, der fränkische Schlaumeier Frank-Markus Barwasser. Nach vierjähriger Pause ist er zurück auf den deutschen Bühnen; "Pelzig stellt sich" nun wieder live dem Kleinkunst-Publikum. In der Zwischenzeit war der Kabarettist jedoch ebenso regelmäßig wie ausgiebig im Fernsehen zu bewundern und hat sich dazu in anderen Medien getummelt.


Ohne Werbung ausverkauft


Ohne große Werbung sind seine Termine seit dem Tourneestart im Juli fast ausnahmslos ausverkauft. So auch im zusätzlich bestuhlten Kronacher Kreiskulturraum, wo der mit vielen Preisen ausgezeichnete Würzburger nahtlos an seine früheren Gastspiele anschloss.

Äußerlich unverändert - noch immer im biederen Hausmacher-Look mit zerknautschtem Kord-"Hüdli", 70er-Jahre-"Däschli" und kariertem Hemd im Janker - kommentiert er den fortdauernden Wahnsinn in Alltag und Weltgeschehen.

Pelzig gibt es dabei solo oder im Rollenspiel als fränkisches Chaos-Trio mit seinen Schicksalsgenossen, dem Proleten Hadmud und dem sauertöpfischen Dr. Göbel. Querdenkerisch, spitzzüngig, kniebohrerisch-skurril oder auch bauernschlau-durchblickend den Dingen auf ihren trüben Grund gehend.

Er hangelt sich an diversen Stichwörtern durch den dreistündigen Auftritt, wobei sich sein neuer Lieblingsausdruck "kognitive Dissonanz" als roter Faden durch das Programm zieht. "Digital-Immigrant", "Zufall", "die Märkte", "Selbstbetrug", "Gerechtigkeit" oder "Neid" sind die Medien- und Politikbegriffe, an denen er sich wortreich im fränkischen Idiom reibt, die er rhetorisch aufspießt oder auch mal philosophisch durchleuchtet. Requisiten braucht er nicht groß dazu: eine Lostrommel, einen Stuhl, auf den er sich zeitweise fläzt und einen alten Wirtshaustisch mit Getränken für die traute Dreierrunde.


Fast drei Jahrzehnte als Solist


Seit fast 29 Jahren solo auf der Bühne, kennt Barwasser natürlich alle Tricks, um das Publikum zu ködern, obwohl er das in Kronach sicher nicht gebraucht hätte. Das platte Geschlechterspiel ("von den Frauen kommt mehr, auch bei den schwierigen Stellen - die Dödel lachen sowieso") setzt er ebenso wirkungsvoll ein, wie er auch einige Zuschauerkandidaten mittels Lostrommel pointenreich zu neuen Politikerämtern verhilft. So darf sich die Lichtenfelserin Inge Schuberth zur neuen Bundespräsidentin küren lassen und wird am Ende auf Grund des per Briefkuvert rückerstatteten Eintritts gleich wieder als unlautere Spendenempfängerin denunziert. Ja, hinterfotzig - aber der Pelzig will nur (noch) spielen, richtig beißen tut er kaum mehr.


Feingedrechselte Wortspielereien


Im ersten Teil geht's noch eher zur Sache, da kommen ihm die genüsslichen Bonmots und feingedrechselten Wortspielereien sehr locker über die gespitzten Lippen. Er zitiert in scheinbar wahlloser Folge Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker ("Wenn es ernst wird, muss man lügen") treffsicher wie die alten Griechen (die ihre Volksvertreter nach dem Zufallsprinzip wählten) oder die Naskapi-Indianer, deren Knochenschau-Orakel-Praxis er die Kanzlerin verdächtigt. Dabei nimmt er kein Blatt vor den Mund, wird auch mal richtig derb und laut, aber immer irgendwie auf gemütlichem Unterhaltungsniveau.


Leichter, aber auch seichter


Nach der knapp halbstündigen Pause wird's "leichter" und damit auch seichter. Das Programm hat deutliche Längen und trotz vermehrter Publikumseinbindung gibt es merklich Konzentrationsprobleme - "oben" wie "unten". Die Wortkaskaden prasseln zwar weiter routiniert auf die willigen Zuhörer, unter denen es einige dankbare Dauerlacher gibt, aber die Aufnahmefähigkeit nimmt doch verständlicherweise ab.

Barwasser müht sich mit seiner zwiespältigen Haltung zur vielgeforderten "Transparenz" auf diversen Ebenen ab und gibt sich einer "Resthoffnung" hin, aber es "zieht sich". Gut dass zum Finale dann das Trio Infernale zu seinem vierten Stelldichein kommt. Pelzigs Kollegen lassen nun alle Hemmungen fallen und geraten schwer über des Hauptprotagonisten Solo-Fernsehkarriere und einen zunächst anonymen Internetblog aneinander.

Am Ende rüttelt Pelzig das Publikum nochmals auf. "Ich möchte wissen ..." fragt er Verantwortlichkeiten für diverse Ungerechtigkeiten auf der Welt ab, was sicher nicht nur ihn beschäftigt. Aber kurz vor 23 Uhr interessiert das dann doch nicht mehr ganz so sehr. Vielleicht beim nächsten Mal. Er will ja wiederkommen und diesmal nicht erst in vier Jahren.