Entdeckungen am Leuchttuch in Schmölz
Autor: Rainer Glissnik
Schmölz, Dienstag, 26. Juni 2018
In einem Artenkennerseminar der Ökologischen Bildungsstätte Mitwitz lernten die Teilnehmer, heimische Tag- und Nachtfalter zu bestimmen.
Was waren das für blaue Lichter, die kürzlich in Schmölz nachts vom Berg oberhalb der Linsenbergstraße zu sehen waren? Davor huschten die Schemen menschlicher Gestalten. Beim Näherkommen sind mannshohe Gestelle zuerkennen. Unter durchschimmernden Vorhängen drang von an Gestellen montierten Leuchtstäben blaues Licht nach außen, das eine Vielzahl von nächtlichen Flattertieren anlockte.
Immer weniger Artenkenner
Die Teilnehmer kamen von der Ökologischen Bildungsstätte Oberfranken in Mitwitz, die mit ihrem Pilotprojekt "Artenkennerseminaren" Naturinteressierten, deren Wissensdurst über das Durchschnittliche hinausgeht, einen guten Einstieg in "ihren" Themenbereich ermöglichen will. Ziel ist es dabei, dem "Schwund der Artenkenner" wirksam zu begegnen. Denn wenn niemand mehr die uns umgebenden Tiere und Pflanzen genau kennt, ist es um ihren Schutz schlecht bestellt. In den letzten Jahren sind viele Schmetterlings- und Falterarten aus unserer Landschaft verschwunden.Der Bamberger freiberufliche Diplom-Biologe Martin Bücker bemüht sich seit langem, interessierten Menschen bei Artenkennerseminaren Kenntnisse zu vermitteln. "Schmetterlinge für Flatterhafte" lautete das Seminarangebot. Zumeist waren es junge Teilnehmer, die begeistert und äußerst vorsichtig die unterschiedlichsten Falter in vorbereitete Spezialgläser packten. Die Tiere kamen in Kühlboxen, was ihren Bewegungsdrang dämpfte. So konnten sie am Folgetag unter besseren Bedingungen betrachtet und bestimmt werden.
"Morgen früh bestimmen wir die Tiere und später lassen wir sie wieder frei. Hier direkt am Leuchttuch zu bestimmen, wäre zu schwierig",erklärte Martin Bücker. Tagsüber wurden für den Einstieg die Tagfalter gesucht und bestimmt. Diese lassen sich in den einzigartigen Magerrasen-Biotopen des "Muschelkalkzuges" an der fränkischen Linie gut beobachten und bestimmen.
Lockstoffe und Leuchtstäbe
Am Abend stand noch etwas Besonderes an: Eine Exkursion bei hereinbrechender Dunkelheit. Hier wurde dem spezialisierten Biologen Martin Bücker über die Schulter geschaut und assistiert, wenn dieser mittels Lockstoffen und ultravioletten Leuchtstäben als Lichtfanganlage die Nachtschwärmer herbeilockte, die man sonst praktisch nie zu Gesicht bekommt. "Es ist für mich eine freiwillige Fortbildung", erklärt Sofia Drescher ihren Beweggrund zur Teilname an diesem Seminar. Sie studiert in Bayreuth "Biodiversität und Ökologie". Ursprünglich kommt sie aus der Nähe von Ulm, wohnt nun wegen des Studiums in Bayreuth. Bei diesem Studiengang lernt sie enorm viele Bereiche kennen, von Vegetation eben bis hin zu Nachtfaltern. Jeder könne sich sein eigenes Spezialgebiet heraussuchen. "Und man bekommt das Große Ganze vermittelt."
"Dies hier bei Schmölz ist eine sehr artenreiche Region", erklärte Biologe Martin Bücker. "Gerade diese Fläche ist sehr interessant, weil es eine magere Wiese ist." Es existiert ein sehr schöner Waldrand. "Das ist immer guter Lebensraum für Tag- und Nachtfalter."
Vom Altlandrat gemäht
Diese Wiese erweise sich seit Jahren als sehr artenreich. Die Brüder Gerd und Horst Backert haben die Wiese gerne an die Ökologische Bildungsstätte Oberfranken in Mitwitz verpachtet. "Man liest soviel über Bienensterben und Insektenschwund", gab Gerd Backert zu bedenken. Der obere Bereich der Wiese sei natürlich, der untere Teil wurde einige Jahrzehnte landwirtschaftlich genutzt. Heute ist auch dieser Teil Wiese, der von Altlandrat Oswald Marr für seine Hobbylandwirtschaft gemäht wird. Der obere Bereich werde von einem Schäfer gepflegt. "Es ist dort alles Natur",freut er sich. Dieser Bereich sei einfach etwas Besonderes. In den 1930er Jahren sei in dieser Gegend auch einmal ein versteinertes Saurierskelett gefunden worden, berichtet Gerd Backert. Dieser Fund sei auch in einer alten Chronik verzeichnet, davon wurde auch in der damaligen Tageszeitung berichtet.
Seit 1985 ist die Ökologische Bildungsstätte im geschichtsträchtigen Mitwitzer Wasserschloss als modellhafter Zusammenschluss privater und kommunaler Organisationen, Verbände und Vereine eine überregional bekannte Größe im Natur- und Umweltschutz sowie der Erwachsenenbildung. Auch in der Naturschutzforschung ist sie seit Jahrzehnten in der gesamten Region führend. Gefördert wird die Veranstaltungsreihe "Artenkenner" durch das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz im Rahmen der Umweltstationenförderung des Regierungsbezirks Oberfranken. Daneben kooperiert die Bildungsstätte auch eng mit dem Bund Naturschutz in Bayern e.V., der sich die Förderung der Artenkenntnis seit Langem auf die Fahnengeschrieben hat.
"Die Schönen der Nacht"
Sie sind die Unbekannten unter den Schmetterlingen: Nachtfalter. "Die Schönen der Nacht", zeigt sich der Bund Naturschutz begeistert über diese Geschöpfe. Noch immer stehen sie im Schatten ihrer beliebten Verwandten, den Tagfaltern. Übersehen sollten wir sie nicht, denn immerhin gibt es über 3300 Falterarten, die damit 95 Prozent unserer heimischen Schmetterlingsarten ausmachen. Volkstümlich werden sie "Motten" genannt. Nachtfalter benötigen nicht die Blütenpracht ihrer tagaktiven Verwandten und sie sehen so meist unscheinbar aus. Hier behelfen sich die Weibchen stattdessen mit Sexuallockstoffen, um Partner auch über große Entfernungen anzulocken.