Druckartikel: Ein Koffer voller Möglichkeiten

Ein Koffer voller Möglichkeiten


Autor: Marian Hamacher

Teuschnitz, Mittwoch, 14. Dezember 2016

Wenn der eigene Körper nicht mehr will wie er einmal konnte, kann der Alltag zur täglichen Herausforderung werden.
Fünf orangefarbene Musterkoffer hat sich der Kronacher Caritas-Verband angeschafft. Den Inhalt stellt die zertifizierte Wohnberaterin Janet Januszewski auf Basis eines Vorgesprächs dann individuell zusammen... Foto: Marian Hamacher


Mit dem Wecker scheint etwas nicht zu stimmen. "Jetzt ist es Dienstag Morgen" steht in weißen Großbuchstaben auf schwarzem Grund. Falsch ist das nicht. Eine Uhrzeit zeigt das Gerät, das auch optisch eher an einen Tablet-PC als eine Uhr erinnert, aber nicht an. "Demenzkranke können eine Zeitangabe oft gar nicht mehr einschätzen. Ihnen reicht es zu wissen, welche Tageszeit es ist", erklärt Janet Januszewski - die noch einige solcher Produkte zu bieten hat.

Den Inhalt von fünf Musterkoffern hat die 28-jährige Sozialpädagogin auf den Tischen des Teuschnitzer Caritas-Stützpunkts ausgebreitet: Ein Fixierbrettchen, das es ermöglicht, mit einer Hand zu arbeiten, eine Armbanduhr, die auf Knopfdruck eine frei wählbare Nummer anruft, oder eine Greifzange, die das mühsame Bücken unnötig macht.


Den Schalter umlegen

Meist fängt es aber ganz klein an. Mit einer Steckdose. "Die ist bei uns so etwas wie die Einstiegsdroge", sagt Januszewski und hält schmunzelnd eine beige Version in die Luft, an der ein schwarzes Kabel baumelt. "Die ist günstig in der Anschaffung und durch sie sehen viele Betroffene erst, dass man mit Kleinigkeiten eine große Erleichterung erwirken kann", erklärt sie. Das Besondere: Wird ein Schalter auf der Vorderseite nach unten gedrückt, springt der Stecker wie von Zauberhand aus der Dose. Gerade für Gicht-Patienten eine praktische Hilfe.
Seit über drei Jahren arbeitet Januszewski als Leiterin des Projekts "In der Heimat wohnen" in Teuschnitz für die Caritas. Seit Anfang Oktober in einer Doppelfunktion.

Denn nach einer Fortbildung ist die gebürtige Frohnlacherin auch "Zertifizierte Wohnberaterin für ältere und behinderte Menschen". "Das Thema hat mich schon immer interessiert und das Angebot gab es hier noch nicht. Das fehlte im nördlichen Oberfranken einfach", erzählt Januszewski. Als 2015 nach drei Jahren eine Förderung des "Deutschen Hilfswerks" auslief, sei es dann der passende Zeitpunkt gewesen, eine Wohnberatung in Angriff zu nehmen. Nicht nur in Teuschnitz, sondern im gesamten Landkreis.


Kein Verkaufsgespräch

Gefördert wird das Pilotprojekt durch das Bayerische Sozialministerium für zwei Jahre mit insgesamt 40.000 Euro. "Das ist wichtig, denn eine Refinanzierung bekommt man nicht hin", betont Januszewski. Schließlich solle die Beratung kostenfrei sein, damit sie jeder in Anspruch nehmen kann. Unabhängig vom finanziellen Hintergrund. Daran, dass es Bedarf gibt, sieht sie keinen Zweifel. "Viele alte Leute sind alleine, weil Kinder und Enkel wegen der besseren Jobaussichten wegziehen", sagt die 28-Jährige. Dabei bestehe immer öfter der Wunsch, in den eigenen vier Wänden wohnen bleiben zu können.

Hilfe gibt es dabei nicht nur vom ambulanten Pflegedienst, sondern auch durch die mal kleineren, mal größeren Alltags-Helfer der Wohnberatung. "Nach einem ersten Telefongespräch stelle ich einen Musterkoffer individuell zusammen, fahre zu den Klienten und schaue mir die Wohnung von A bis Z an", erklärt die Sozialpädagogin. "Ich stelle aber nur vor, welche Möglichkeiten es gibt. Verkaufsgespräche führe ich nicht." Das sei dann Aufgabe der Sanitätshäuser.


Bodengleiche Dusche

Doch nicht immer bleibt es bei günstigen Investitionen wie die in eine Steckdose. Das Hauptproblem seien Treppen und Bäder. "Hier in der Gegend wurden damals halt Badewannen eingebaut und keine Duschen", sagt sie. Irgendwann komme dann der Tag, an dem der Schritt über den Wannenrand zum unüberwindbaren Hindernis wird: "Da hilft dann nur, eine bodengleiche Dusche einzubauen."

Am Geld muss auch eine aufwendige Renovierung nicht unbedingt scheitern. Aufzuzeigen, welche Finanzierungsmöglichkeiten es gibt, zählt ebenso zu den Angeboten der Wohnberatung wie mit Architekten, Verbänden, Organisationen oder Behörden zu vermitteln. "Je nach Pflegestufe ist es zum Beispiel möglich, bis zu 4000 Euro Unterstützung von der Pflegekasse zu erhalten", erklärt Januszewski. Mit der "BayernLabo", dem Förderinstitut der "BayernLB" sind sogar 10.000 Euro möglich. "Die müssen fünf Jahre genutzt werden. Danach werden sie zur Schenkung", sagt die 28-Jährige. Eine ihrer Aufgaben sei es auch, beim Ausfüllen der Formulare zu helfen ("Die sind mal mehr, mal weniger kompliziert").


Ansprechpartner sein

Wer Interesse an einem Umbau hat, solle aber definitiv darauf warten, bis sie zu Besuch war, sagt Januszewski: "Erst nachdem die Fördergelder bewilligt wurden darf angefangen werden. Ansonsten wird kein einziger Cent bezuschusst."
Einen vollständig abgeschlossenen Umbau hat sie seit Oktober noch nicht begleitet. Doch schon jetzt spüre sie, dass das Angebot angenommen wird. "Die Leute wissen, dass sie einen Ansprechpartner haben, der ihnen hilft."