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Ein "Fahrgeschäft" für die Großen


Autor: Redaktion.

Kronach, Dienstag, 19. August 2014

Wenn die letzte Maß Bier auf dem Freischießen doch eine zu viel war, ist man froh, vor dem Schützenhaus eines der Autos mit den vier Buchstaben auf dem Dach zu finden.
Jens Wich aus Steinberg fährt nebenberuflich am Wochenende für ein Kronacher Taxi-Unternehmen.  Foto: Carlo Fehn


Wann haben Sie in Kronach zuletzt ein Taxi gebraucht? Noch nie? Erst gestern und heute wahrscheinlich schon wieder? Zugegeben: Unsere Kreisstadt ist hinsichtlich zu bestreitender Wege doch relativ überschaubar und gut zu Fuß zu bewältigen. Der einfache Weg von A nach B aus privaten oder geschäftlichen Anlässen, so wie man das aus jedem mittelmäßigen Krimi kennt, stellt hier sicherlich auch nur einen Teil der Einsatzzeiten der lokalen Beförderungsdienstleister dar.

Krankenfahrten, Kurierfahrten, Einkaufsfahrten, Flughafentransfers - all das übernehmen Taxifahrer. Und während sich als Hauptstandorte an 50 Wochen im Jahr der Bahnhofsplatz und der Marienplatz definieren lassen, verlagert sich das Geschehen an elf Tagen etwas außerhalb.

Dann nämlich, wenn viele Menschen das einzige Mal im Jahr eines der Autos mit dem gelb-schwarzen Schild auf dem Dach benötigen.

Möglicherweise hat man dann das Vergnügen zum Beispiel mit Jens Wich. Der 34-jährige Steinberger hat seit zweieinhalb Jahren den Taxischein und fährt nebenberuflich am Wochenende für ein Kronacher Unternehmen.
"Es macht mir sehr viel Spaß", sagt er, "und wenn man nebenher noch etwas dazu verdienen will, Spaß am Autofahren und im Umgang mit anderen Menschen hat, ist es eigentlich ein perfekter Job." Was er dann sagt, mag zunächst überraschend klingen. "Während des Freischießens ist es eigentlich immer am besten."

Möglicherweise alkoholisierte, singende, grölende, vielleicht auch mal pöbelnde Fahrgäste - das soll besser sein als sonst? "Ich kann aus meiner Erfahrung nur berichten", sagt der zweifache Familienvater, "dass ich da noch nie größere Probleme hatte. Was ich meine ist, dass man dann abends, wenn man so gegen halb zehn oder zehn raus fährt zum Schützenplatz, eigentlich wie am Fließband im Einsatz ist und man mit dem ganzen Trubel, der auch herrscht, das Flair und die Stimmung mitbekommt und aufsaugt - auch wenn man in dem Moment vielleicht lieber selbst gerne dabei wäre."


Der Fahrgast hat das erste Wort

Er habe bisher eigentlich noch keine Situation gehabt, die er im Nachhinein als brenzlig bezeichnen würde, sagt er. Andererseits sei es aber auch so gut wie noch nie vorgekommen, dass nicht mindestens einer seiner Fahrgäste bei einer Fahrt alkoholisiert gewesen wäre. "Das ist ja eigentlich - wenn man es genau nimmt - auch gut so und Sinn und Zweck der Sache", analysiert er.

"Wer etwas getrunken hat, soll sich von uns nach Hause bringen lassen. Das ist für ihn und für uns gut." Und für die eine oder den anderen ist es auch einmal eine willkommene Abwechslung, nach dem Festbesuch bei einem lockeren Pläuschchen etwas runterzukommen, sich Ärger und Probleme von der Seele zu reden oder den Chauffeur an der Freude teilhaben zu lassen.

"Ich überlasse eigentlich immer meinen Fahrgästen das erste Wort", sagt Jens Wich. "Wenn jemand nicht reden mag, kein Problem." Aber gerade während des Freischießens komme es eigentlich immer wieder zu Gesprächen. Da interessiert man sich einmal für den Beruf des Taxifahrers und wie das alles so funktioniert. Dann kommt es auch schon mal vor, dass plötzlich Freunde oder Bekannte einsteigen. "Es passiert aber auch, dass mir der ganze Beziehungsstress von vorne bis hinten erzählt wird, ich Ratschläge zu einem Problem mit dem Vorgesetzten geben soll oder anderweitig meine Meinung gefragt ist."


Zuhören und den Ball flach halten

Er sei unter dem Strich aber kein Psychologe und deshalb versuche er stets, einerseits zwar ein angenehmer Gesprächspartner zu sein, andererseits aber den Ball auch flach zu halten. "Wie gesagt, mir macht der Job generell, aber vor allen Dingen während des Freischießens, sehr viel Spaß und das sollen meine Fahrgäste auch merken." Carlo Fehn