Weiter offen ist allem Anschein nach die Frage nach dem April-Lohn. Das vorgezogene Insolvenzgeld greift erst ab Mai, das Geld für den Vormonat fehlt den Angestellten derzeit offenbar noch im Portemonnaie, wie aus Kreisen der Belegschaft zu hören ist. Das Thema ist auch aus Sicht der Gewerkschaft IG Metall ein Knackpunkt für die weiteren Gespräche, wie am Montag zu erfahren war.
Raum für Spekulationen
Letztlich steht die wohl wichtigste Frage im Raum. Wird es eine Entlassungswelle geben? Vogt nennt auf unsere Nachfrage keine konkreten Zahlen, er bestätigt allerdings seine Aussage aus dem SZ-Artikel: "Es ist richtig, dass es zu größeren Einschnitten kommen kann, solange das Unternehmen ohne neuen Investor agieren muss. Dabei ist auch die Verlagerung von weiteren TV-Produktlinien eine Option. High-End-Geräte werden auch in nächster Zeit weiter in Kronach montiert."
In diesem Zusammenhang spricht man bei Loewe "aktuell nicht von Kündigungen, sondern von Anpassungen der Personalkapazitäten während der Eigenverwaltung und nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens". Was mittel- und langfristig passieren wird, macht Vogt von den Plänen eines künftigen Investors abhängig.
"Loewe muss profitabel werden"
Dass das Unternehmen nun ernsthaft über solche Schritte nachdenkt, liegt laut dem Vorsitzenden der Geschäftsführung daran, dass "Loewe als Ganzes profitabel werden muss, um nachhaltiges Wachstum zu erreichen". Das betreffe also nicht nur die Fabrik in Kronach, sondern auch andere Unternehmensteile. Die Qualität und "Made in Germany" sollen darunter nicht leiden. Vogt stellt fest: "Loewe bleibt ein deutsches Unternehmen und die Produkte werden weiterhin in Deutschland konzipiert und entwickelt. Das gilt insbesondere auch für Softwareentwicklung, Qualitätswesen, Kundenservice, Vertrieb und Marketing sowie die Fertigung der High End-OLED-TV-Produkte."
In Kronach, wo die Gewerkschaft für die heutige Betriebsversammlung ein Spiel mit offenen Karten fordert, ist Spekulationen auf Grund der unkonkreten Aussagen weiter Tür und Tor geöffnet. Und unter den Angestellten machen bedenkliche Zahlen die Runde.
Demnach gehen viele Mitarbeiter nicht mehr nur von 30 bis 40 Kündigungen aus. Sie befürchten, dass es rund zwei Drittel des Personals erwischen könnte, dass am Ende nicht einmal mehr 150 Angestellte übrig bleiben werden.
Liest man zwischen den Zeilen von Vogts Aussage, könnte dem Personal sogar eine noch längere Zitterpartie um die Jobs drohen. Denn nochmals auf die kolportierten über 300 Kündigungen angesprochen, stellt er fest: "Das Unternehmen macht dazu derzeit keine Angaben. Aktuell werden unterschiedliche Modelle mit dem Betriebsrat verhandelt. Unser Ziel ist es, so viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie irgend möglich an Bord zu halten. Das geht aber nur, wenn Loewe auf diesem Weg wieder profitabel wird." Doch das wird sich vermutlich nicht von heute auf morgen entscheiden.
Kommentar von Marco Meißner
Loewe kämpft weiter um seine Zukunft. Dass ein solcher Weg auch mit unliebsamen Weichenstellungen einhergeht, überrascht nicht. Dass solche Entscheidungen zunächst dort greifen, wo die große Masse der Kosten ausgemacht wird - also bei den Angestellten - scheint heutzutage ein branchenüblicher Reflex zu sein.
Für die Mitarbeiter von Loewe ist diese Situation aber in dreifacher Hinsicht tragisch. Zum Ersten sind schon einige Betriebsversammlungen seit dem Zukunftskonzept verstrichen, doch mehr als Spekulationen um den Umfang möglicher "Personalanpassungen" bleiben den Angestellten weiterhin nicht. Sie müssen hoffen, dass am Dienstag endlich Tacheles geredet wird. Denn ebenso wie das Unternehmen auf eine langfristige Zukunftsplanung pocht, braucht auch ein Familienvater, ein Häuslebauer oder ein Auszubildender wenigsten eine mittelfristige Gewissheit, wie er sein Leben und seine Finanzen im Griff behalten kann.
Zum Zweiten hat die Loewe-Belegschaft schon mehr als einmal geblutet, um dem Unternehmen aus dem Schlamassel zu helfen. Dass nun allem Anschein nach um ein einzelnes Monatsgehalt gefeilscht werden muss, ist daher ein Schlag ins Gesicht für diejenigen, die zuerst Verzicht üben, dann aber in der innerbetrieblichen Nahrungskette unten stehen.
Und zum Dritten bleibt die Frage nach der nächsten Ungewissheit. Ist die jetzige Situation erst einmal gelöst, stellt sich schon die Frage nach einem möglichen Investor. Welche Vorstellungen hat dieser? Müssen die Loewe-Mitarbeiter vielleicht bald wieder zittern?
Die Unternehmensleitung steht daher in der Betriebsversammlung am Dienstag in der Pflicht. Die Karten müssen auf den Tisch gelegt werden. Ralf Vogt sprach vor der Insolvenz zwar noch positiv von einem "spannenden Weg". Diese Spannung würden sich die Mitarbeiter aus heutiger Sicht aber gerne ersparen.