Dokumentation des Grauens - Ausstellung im Hexenturm in Kronach
Autor: Heike Schülein
Kronach, Mittwoch, 09. April 2014
Am Donnerstag wird die Ausstellung "Zeugen eines Massenmords" im Kronacher Hexenturm eröffnet. Gezeigt werden echte Akten über Hexenprozesse. Bezirksheimatpfleger Günter Dippold referiert um 19.30 Uhr über "Hexereiprozesse im Hochstift Bamberg" im Historischen Rathaussaal.
Es ist ein dunkles Kapitel der Bamberger Geschichte, das auch vor Kronach nicht Halt machte: Die Verfolgung vermeintlicher Hexen im 17. Jahrhundert. Hunderte von schuldlosen Frauen und Männer wurden zwischen 1616 und 1631 im Hochstift Bamberg hingerichtet. Sie hatten unter Folter ausgesagt, mit dem Teufel einen Pakt geschlossen und Schadenszauber ausgeübt zu haben. Der wichtigste Quellenbestand zur Geschichte der Bamberger Hexenprozesse, darunter Protokolle der Verhöre, liegt in der Staatsbibliothek Bamberg. In einer vielbeachteten - in Kooperation mit dem Bezirk Oberfranken erarbeiteten - Ausstellung wurden 2012 in Bamberg eine Auswahl aus dem Aktenmaterial, aber auch andere Objekte zur Geschichte der Bamberger Hexenprozesse sowie Beispiele für historisch fundierte Forschungsarbeiten vom 19. bis ins 21. Jahrhundert in Bamberg gezeigt.
Protokolle, Briefe, Todesurteile
Der Kronacher Hexenturm wurde 1444 errichtet, 1614 durch Baumeister Heinr. Hellerstein und Mathes Hertzog um ein drittes Obergeschoss erhöht. Anlässlich des 400-jährigen Jubiläums hat sich der Lucas-Cranach-Arbeitskreis heuer schwerpunktmäßig dem Hexenturm und der Hexenprozesse angenommen. Bestandteile des Veranstaltungsprogramms sind auch heute Abend die Ausstellung sowie der Vortrag von Dr. Günter Dippold, in dem er einen interessanten Zugang zum Thema schaffen wird. Im Vorfeld der beiden Veranstaltungen erzählen der Bezirksheimatpfleger, Museologe Alexander Süß, Gästeführerin Christa Franz sowie die Leiterin des Kronacher Tourismus- und Veranstaltungsbetriebes, Dr. Kerstin Löw, was die Gäste heute Abend erwartet.
Dass es in der Bibliothek solches Archivgut überhaupt gibt, sei - laut Dippold - höchst ungewöhnlich. Verhörprotokolle, Urteile, überhaupt die Korrespondenz zwischen Behörden und anderes Schriftgut über diese Prozesse galten im frühen 19. Jahrhundert grundsätzlich nicht als archivwürdig. "Die Prozessakten wurden im 19. Jahrhundert als Altpapier verkauft", erklärte der Leiter der Kultur- und Heimatpflege des Bezirks Oberfranken. Durch glückliche Umstände blieben sie erhalten und gelangten in verschiedenen Partien in die damalige Königliche Bibliothek Bamberg: Der größte Komplex wurde vor 1821 erworben, zwei Schenkungen aus Privathand kamen 1854 und 1875 hinzu. Seither dienen sie hier der seriösen Forschung als Quelle. Die Bamberger Hexenprozessakten wurden vor geraumer Zeit von der Staatsbibliothek Bamberg detailliert erschlossen.
Keine Effekthascherei
"Hexereiprozesse gehören zu den historischen Ereignissen, die bei den Menschen auf großes Interesse stoßen", zeigte sich Dr. Dippold sicher. Die Frage sei gewesen, wie das Gedenken an jene Unschuldige zu pflegen sei. Hierfür habe man sich bewusst für eine nüchterne, sachliche und neutrale Umsetzung entschieden - jenseits von Effekthascherei. "Wir haben den seriösen Weg gewählt. Nachgebaute Phantasie-Folterinstrumente, die es anderswo zu sehen gibt, sind in meinen Augen eine Verhöhnung der Opfer. Ein ehrendes Gedenken ist nicht mit Showelementen oder Schaum vor dem Mund zu erreichen", verdeutlichte Dr. Dippold. Der von Kronach eingeschlagene Weg sei absolut richtig und passend.
So sehen es auch die anderen Beteiligten. "Wir wollen den Hexenturm attraktiver machen, aber mit serösen Informationen und ohne, das sensible Thema reißerisch zu vermarkten", betont Dr. Löw. Die Hexenverfolgung ist ein Thema, das die Menschen sehr berührt, zeigte sich auch Christa Franz sicher. "Mich hat noch niemand nach Folterinstrumenten gefragt. Die Menschen sind eher entsetzt", sprach sie über Reaktionen ihrer angebotenen Führung "Hexen und Heldinnen. Es sei wichtig, sich ein eigenes Bild und eigene Gedanken über die Geschehnisse zu machen. Dem schließt sich Süß an, der ergänzt: Jeder Fall ist eine Tragödie. Es wird einem bei jedem Fall "ganz anders". Dazu bedürfe es keiner Showeffekte.
Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen Dokumente der Verfolgung. Es sind Listen der Verhafteten, Banales wie Speisezettel, Bedrückendes wie die Protokolle von Verhören, bei denen die Beschuldigten sich und andere unter Folter ungeheuerlicher Verbrechen bezichtigten, Bestätigungen von Todesurteilen und so genannte Gnadenzettel, durch die die Todesart gemildert wurde. "Das prominenteste Ausstellungsobjekt ist der Abschiedsbrief, den der Bamberger Bürgermeister Johannes Junius im Juli 1628 aus dem Hexengefängnis an seine Tochter schrieb", so Dr. Dippold. In sehr berührender Weise schildere er darin das gegen ihn gerichtete Verfahren und die aussichtslose Lage aller, die in die Verfolgungsmaschinerie geraten waren. Die Ausstellungstafeln wurden Eins zu Eins für Kronach übernommen und gedruckt. Dazu wurde noch auf Idee von Christa Franz eine ortsspezifische Kronacher Tafel - exemplarisch am Fall der Lena Panzerin - entwickelt. Ein großer Dank der Vier geht an die Staatsbibliothek in Bamberg mit ihrem Direktor, Prof. Dr. Werner Taegert. So sei man bei der Reproduktion der Dokumente sehr gut unterstützt worden.
Sonderführungen
Die Ausstellung wird im Rahmen von Führungen von Christa Franz zu sehen sein sowie bei besonderen Anlässen wie den Kronacher Denkmalwochen oder Kronach leuchtet. "Hexen und Heldinnen" sei mehr eine frauengeschichtliche Erlebnisführung. Deshalb entwickelt die Gästeführerin derzeit - mit Unterstützung von Alexander Süß - eine vertiefende Führung. Zudem soll es eine zweite "Spezialführung" geben in Form einer musikalischen Führung in Zusammenarbeit mit der Kronacher Berufsfachschule für Musik. Dies alles sei nur möglich - würdigte Dr. Löw - durch die Kooperation verschiedener Akteure. In diesem Zusammenhang bedankte sie sich auch herzlich bei der KEB Kronach mit Heinz Hausmann und Stephan Renczes.
Und was erwartet nun die Gäste des Vortrags? Laut Dippold sei das Thema noch immer mit großen Klischees und Vorurteilen behaftet, die so nicht haltbar seien. Falsch sei es, dabei immer vom "finsteren Mittelalter" zu sprechen. So reichten die Geschehnisse teilweise bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts, also weit in die Neuzeit. Es sei auch keine rein katholische "Angelegenheit" gewesen. Vielmehr hätten weltliche Juristen und Beamte ein Laster ausrotten und das Gemeinwesen behüten wollen. "Da waren Überzeugungstäter am Werk", stellte er klar. Um solche Klischees aber auch um die Fragen, wie es überhaupt zu den aberwitzig erscheinenden Prozessen kommen konnte, warum es Überzeugungstäter gab und warum die Hexenverfolgung schließlich aufhörte, werde es in seinem Vortrag gehen. "Die Antworten darauf seien nicht einfach, sondern sehr komplexer Art.
Veranstaltungsprogramm zu "400 Jahre Hexenturm"
Donnerstag, 10. April, 18 Uhr: Ausstellungseröffnung "Zeugen eines Massenmords" - Die Hexenprozessakten der Staatsbibliothek Bamberg und Beispiele der Kronacher Hexenverfolgung, Hexenturm, Marktplatz Kronach, 19.30 Uhr: "Hexereiprozesse im Hochstift Bamberg", Vortrag von Prof. Dr. Günter Dippold, Bezirksheimatpfleger in Kooperation mit der KEB Kronach, Historischer Rathaussaal Kronach, Freitag, 2. Mai, 18 Uhr: "Hexen, Trull` und Scheiterhaufen - Kronacher Hexenprozesse", Führung mit Gästeführerin Christa Franz, Treffpunkt: Hexenturm, Obere Stadt Kronach, an beiden Wochenenden von Kronach leuchtet (09. - 11.05., 16.-18.05.): Öffnung des Hexenturms - Fragen und Antworten rund um die Ausstellung mit dem Lucas-Cranach-Beauftragten der Stadt Kronach, Dietmar Lang, und Gästeführerin Christa Franz, Hexenturm, Marktplatz Kronach, Donnerstag, 5. Juni, 19.30 Uhr: "Die Bamberger Hexenverfolgung" aus theologiegeschichtlicher Perspektive, Vortrag von Domkapitular Dr. Norbert Jung, Leiter Diözesanmuseum Bamberg, in Kooperation mit der KEB Kronach, Historischer Rathaussaal Kronach .