Die Unterrodacher Flößer verstehen zu feiern
Autor: Heike Schülein
Unterrodach, Sonntag, 29. Juni 2014
Am Wochenende feierte der Floßverein Unterrodach sein 150-jähriges Bestehen. Das fröhlich-bunte Fest verband Zünftiges nach Flößerart mit Modernem. Die ganze Bevölkerung wurde mit einbezogen.
Kernige, raue und trinkfeste Kerle, die auf ihren schwimmenden Gefährten gut gelaunt die Flüsse hinunter rauschten - so stellen sich heute viele das Flößerleben vor und so spiegeln es auch diverse Flößerlieder wider. In Wirklichkeit verrichteten die Flößer bei Wind und Wetter Schwerstarbeit und dies bei niedrigem Lohn und hohem Risiko. Der am 14. Januar 1864 in Unterrodach gegründete Floßverein war daher insbesondere auch eine Unterstützungskasse mit dem Zweck, verunfallten beziehungsweise kranken Flößern oder deren Hinterbliebenen zu helfen.
Am Wochenende feierte Unterrodachs ältester Verein 150-jähriges Jubiläum. Ihren Auftakt fanden die Feierlichkeiten am Samstag mit einem großen Festabend in der Rodachtalhalle. Am Sonntagvormittag folgte der Festzug durch den Ort.
Vorsitzender Friedrich Fricke freute sich, zum Festabend zahlreiche Freunde der Flößerei - allen voran Vertreter der Floßvereine aus Wallenfels, Neuses, Friesen sowie aus der Partnergemeinde Uhlstädt - als auch Repräsentanten örtlicher Vereine begrüßen konnte. Durch den Abend führte in sehr humorvoller Weise Kreiskulturreferentin Gisela Lang, die von schönen Erlebnissen mit den anwesenden Floßvereinigungen berichtete - mit dem Resümee "Saufen können sie alle gleich gut".
Der Zeit voraus
In ihren Grußworten brachten die Festredner ihre Wertschätzung für den Verein zum Ausdruck, der - als soziale Absicherung gegründet - heute das Erbe der Flößer bewahre und sie für nachfolgende Generationen erlebbar mache. Laut Marktrodachs Bürgermeister Norbert Gräbner habe es in der Flößerei den ersten Tarifvertrag und den ersten Mindestlohn gegeben. Damit sei man den Sozialgesetzen und der späteren Kranken- und Rentenkasse weit voraus gewesen. Heute führten die Mitglieder insbesondere die Jugend an die Flößerei heran, was eine wichtige Aufgabe sei.
Dem schloss sich stellvertretender Landrat Gerhard Wunder an. Die Flößerei, die unseren Vorfahren das tägliche Brot gegeben und zu ihrem Leben gehört habe, dürfe nicht in Vergessenheit geraten. Namens aller örtlichen Vereine gratulierte Hartmut Fleischmann vom TU Unterrodach zum besonderen und seltenen Jubiläum. Dem Floßverein sei es zu verdanken, dass die Geschichte lebendig bleibe. Er stifte Identität in der Bevölkerung und fördere das gute Miteinander, aufgeschlossen gegenüber Neuem - "Der Tradition verpflichtet, der Zukunft zugewandt".
Der Vorsitzende des Flößervereins Uhlstädt, Peter Schröder, freute sich, gemeinsam den Weg des Jubelvereins nun schon 25 Jahre mit begleiten zu dürfen. Kontakte habe es aber bereits vor der Grenzöffnung gegeben. Die Freundschaften setzten sich fort, nunmehr in zweiter Generation.
Wiedendrehtag soll sich etablieren
In seiner Ansprache zeigte Vorsitzender Fricke die vielfältigen Tätigkeiten und Aktivitäten des Vereins auf. In der Zeit nach der Gründung unterstützte dieser viele hilfsbedürftige Mitglieder beziehungsweise Hinterbliebene durch finanzielle Zuwendungen. Nach Inkrafttreten entsprechender Sozialgesetze beschränkte sich später die Tätigkeit nur auf gesellige Veranstaltungen. Heute zeichnet der Verein insbesondere für die Ausgestaltung und Betreuung des 1968 eröffneten Unterrodacher Flößermuseums verantwortlich. Auch an Floßfahrten in verschiedenen Orten Deutschlands wirkte der Floßverein mit. Seit 1989 finden zur Unterrodacher Kirchweih wieder regelmäßige Floßfahrten ab Angerwehr bis zum Museumsgelände statt. Seit drei Jahren wird auch wieder versucht, Wieden zu drehen. Dazu soll ein besonderer Wiedendrehtag fester Bestandteil des Vereinsjahres werden, ab 2015 jeweils am 1. Mai. Die Verantwortlichen besuchen die jährlichen Flößertreffen sowie die deutschen und auch internationalen Flößertage.
Museumskonzept soll angepasst werden
"Im Laufe der Zeit hat sich gezeigt, dass das bestehende Museumskonzept wohl doch veraltet ist", zeigte sich Fricke sicher. Alleiniger Träger des Flößermuseums Unterrodach - einziges Fachmuseum der Welt - ist bislang der Markt Marktordach. Um auch in Zukunft den Anforderungen eines Fachmuseums gerecht zu werden, müsse die Trägerschaft auf eine breitere Basis gestellt werden. Auch die anderen Floßvereine beziehungsweise Gemeinden mit Flößertradition seien in die Trägerschaft mit einzubeziehen. Auch sollte versucht werden, den Landkreis, eventuell auch den Bezirk Oberfranken, in die Verantwortung mit hereinzunehmen.
Die Betreuung des Museum erfolgt derzeit durch ehrenamtliche Mitglieder des Vereins. Hier wolle man versuchen, nachdem die Trägerschaft auf "breitere" Füße gestellt worden sei, hauptamtliche Kräfte in die Ausgestaltung und Führung des Museums mit einzubeziehen. Sinnvoll wäre es, wenn der Markt Marktrodach das umliegende Gebäude mit erwerben könnte. "Es ergebe sich dann die Möglichkeit für museumspädagogische Veranstaltungen", hoffte er. Damit könnten Besucher aktiv am "Flößerleben" teilnehmen.
Der Festabend wurde musikalisch vom Freien Fränkischen Bierorchester umrahmt sowie vom Gesangverein Unterrodach und seinem Patenverein Oberrodach, der Chorgemeinschaft Seibelsdorf und den Kirchenchor Unterrodach, die erstmals zusammen in einem Gemeinschaftschor auftreten. Die Leitung hatte Rainer Endres inne. Verschiedene Altersgruppen der Aerobic Kids sowie der Hip-Hop-Dancers des TV Unterrodach führten - unter der Regie von Gabi Bauer, Alexa Kirschner und Pauline Schirmer - temperamentvolle Tänze vor. Dem offiziellen Teil schloss sich ein gemütliches Beisammensein mit Musik - ebenfalls vom Freien Fränkischen Bierorchester - an.
Flößerleben war alles andere als lustig
Das oft als romantisch verklärte Flößerleben war alles andere als leicht. Dies verdeutlichte Bezirksheimatpfleger Günter Dippold in seinem Vortrag "Flößer - Lust und Frust".
Flößer sein war raue und gefährliche Wirklichkeit, stellte Dippold in seinem sehr informativen Vortrag fest. Viele Männer seien nur deshalb Flößer geworden, weil es im Frankenwald keine andere Arbeit gegeben habe und sie ihre Familien ernähren mussten. Nierenerkrankungen oder Rheuma, Unfälle auf nassen und glitschigen Floßstämmen - Vielen Flößern sei früh die Arbeitskraft geraubt worden oder sie seien jung verstorben. "Flößerei war eine gefahrengeneigte Tätigkeit", so Dippold.
Als Hilfe in der Not gab es fürs Bezirksamt Kronach in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine "Flößerunterstützungskasse", verwaltet von einem "Floßausschuss". Aus ihr erfuhren die Flößer Hilfe, 164 Personen allein im Jahr 1877. Der Floßverein Unterrodach habe den Zweck "engeres Aneinanderschließen unter sich und gesellige Unterhaltung" verfolgt, sich aber vor allem "Unterstützung hilfsbedürftiger, dem Verein angehöriger Mitglieder" auf die Fahnen geschrieben. Mit Einzelbeträgen von zehn oder zwanzig Mark linderte er Not. An der Armut hatten die Flößer keine Schuld. Die Arbeit war mäßig bezahlt. Holz war Handelsgut und Spekulations-Objekt. Ein Kartell mittelrheinischer Holzhändler kontrollierte den Markt und die Preise.
Weltläufige Menschen
Die Bahn als Konkurrentin beim Transport, der Warenverkehr unabhängig von den Fließgewässern, Ersatzmaterialien für Holz und schließlich die Kanalisierung des Mains ab Bamberg für die Großschifffahrt - sie alle wiesen aufs Ende der Flößerei zu. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Armut noch stärker. Endgültig bitterste Not kehrte nach dem Ersten Weltkrieg ein. Die alte Floßwirtschaft war zu Ende. Dennoch feierte man die Feste wie sie fielen - so 1889 das 25-jährige Jubiläum des Floßvereins Unterrodach. Der Blick auf die Flößer habe sich gewandelt. Erachtete man sie einst eher als ungebildete und gewaltbereite Menschen, wurden sie immer mehr zum Naturburschen. Sie galten nicht länger als enge begrenzte Provinzler, sondern - weil sie eben herumkamen - geradezu weltläufig.
"Ein besonderer Schlag waren die Flößer allemal. Und Besonderheit ist es wert, gefeiert zu werden", zeigte sich Dippold sicher. Der Floßverein habe bei seiner Gründung den Zusammenhalt fördern und die Not der Zeit lindern sollen. Dies tue er noch heute. Er eine die Menschen - bei der Feier und ebenso beim gemeinsamen Einsatz für die Traditionspflege. Die heutigen Nöte der Zeit seien Einsamkeit, hemmungsloser Individualismus, Gleichmacherei landauf, landab. Indem er Menschen zusammenführe und er das Besondere des Frankenwalds herausstelle, bekämpfe der Floßverein noch immer die Nöte der Zeit.
Prächtiger Festzug
Befreundete Floßvereine in ihrer schmucken "Flößerkleidung" zogen dann am Sonntag mit dem Jubelverein durch Unterrodach, um damit ihre Verbundenheit und Wertschätzung auszudrücken. Auch örtliche Vereine, politische Prominenz sowie andere Ehrengäste nahmen am großen Festzug teil und bahnten sich ihren Weg durch den Flößerort von der Pfarrkirche zur Rodachtalhalle, wo ein Frühschoppen stattfand. Angeführt wurde der Zug von den Flößermusikanten des TV Unterrodach, die für die stimmungsvolle musikalische Begleitung sorgten. Auch der Musikverein Zeyern hatte sich eingereiht.
In seiner Begrüßung bedankte sich Vorsitzender Friedrich Fricke bei allen Teilnehmern des Festzugs und Gästen für ihren Besuch. Dem Festzug vorausgegangen war ein - von Pfarrer Reinhard Kube sehr stimmungsvoll zelebrierter - Festgottesdienst in der Michaelskirche in Unterrodach, musikalisch wunderschön ausgestaltet vom Kirchenchor Unterrodach. Der CVJM Marktrodach zeigte in einer kleinen Darbietung in der Pfarrkirche unter dem Motto "In Gotts Nooma", wie sie sich die Flößer vorstellten - etwas rau und derb, aber auch herzensgut und gottesgläubig.
Der Frühschoppen wurde musikalisch stimmig umrahmt von den Flößermusikanten des TV Unterrodach. Die Drittklässler der Marktrodacher Schule hatten lustige Sketsche und Geschichten aus ihrer Heimat einstudiert. Dafür erhielten sie ebenso viel Applaus wie für das von allen Jahrgangsstufen gemeinsam angestimmte Flößerlied, bei dem Leonie und Lea als Vorsängerinnen agierten. Schulleiterin Annegret Hümmrich bedankte sich beim Floßverein für eine Spende, mit der neue Bücher für die Schulbücherei angeschafft werden. Zudem stellten die Schulkinder selbst gemalte Bilder über die Flößerei aus, für die auch eine Prämierung erfolgte.
Feucht-fröhliches Vergnügen
Zu einem weiteren Festhöhepunkt ging es am Nachmittag über, als die Flößer zu Floßfahrten vom Angerwehr bis zum Flößermuseum einluden. Trotz des durchwachsenen Wetters "stürzten" sich viele "Passagiere" auf den zusammengebundenen Baumstämm-Bündeln in das mehr oder weniger "feucht-fröhliche" Vergnügen. Am Ende konnten die Verantwortlichen auf ein sehr gelungenes Festwochenende zurückblicken, bei dem einmal mehr der Geist des Flößens in einer sehr beeindruckenden Weise aufrecht erhalten wurde.