Die Thüringer Warte feiert 50. Geburtstag
Autor: Simone Büttner
Lauenstein, Freitag, 30. August 2013
Der "Leuchtturm des Westens" wurde vor 50 Jahren eröffnet und eingeweiht. Der Aussichtsturm gilt als Symbol des Kalten Krieges und der Trennung Deutschlands. Am 8. September soll das Jubiläum gefeiert werden.
Am 17. Juni 1963, dem damaligen politischen Feiertag, wurde mit einer Kundgebung auf einer Schonung auf dem Ratzenberg in Lauenstein der 26,5 Meter hohe Aussichtsturm vom Minister für gesamtdeutsche Fragen und Festredner Rainer Barzel (+2006) eingeweiht. Bei dieser eindrucksvollen gesamten nordbayerischen Kundgebung am "Tag der deutschen Einheit" waren rund 7000 Besucher gekommen, um bei diesem Ereignis, welches vom Gesangsverein Lauenstein und der Stadtkapelle Ludwigsstadt umrahmt wurde, dabei zu sein. Das Örtchen im nördlichsten Zipfel des Landkreis Kronachs hatte noch nie so viele Menschen gesehen.
Die "Thüringer Warte" war nicht der erste "Toorm", wie ihn die Lauensteiner nennen, auf dem 678 m hohen Ratzenberg. Während des zweiten Weltkriegs stand dort, nur wenige Meter daneben ein "Fluwa", ein Flugbeobachtungsturm, der nach Kriegsende als Brennholz verkauft wurde.
Nachdem der "eiserne Vorhang" die Einzugsgebiete im mitteldeutschen Raum von drei Seiten verschlossen hatte, sollte neben der Burg Lauenstein neuer Schwung in den Fremdenverkehr gebracht werden. Eine solche Möglichkeit sah der Lauensteiner Gemeinderat unter Bürgermeister Helmut Wagner in der Errichtung eines neuen Aussichtsturms auf dem Ratzenberg, der ein Schaufenster ins andere Deutschland werden sollte. Das Vorhaben wurde einstimmig am 13.Juli 1962 in der Ratssitzung beschlossen.
Beitrag zur Wiedervereinigung
Bereits zur Grundsteinlegung am 22. April 1963 sagte der damalige Landrat Edgar Emmert: "Dieser Turm möge Zeugnis ablegen von unserer Liebe zur Heimat und von unserem festen Willen zur Wiedervereinigung Deutschlands." In Rekordzeit errichtete die Stahlbauabteilung der Firma Itting die gewaltige Stahlkonstruktion, so dass kurz vor Pfingsten von allen Beteiligten das Richtfest gefeiert werden konnte. Auch der Einweihungstermin wurde solidarisch gewählt, denn zum zehnten Jahrestag des gewaltsamen blutig niedergeschlagenen Volksaufstandes am 17. Juni 1953 sollte eine Kundgebung mit der Einweihung stattfinden. Das Bauwerk wurde planmäßig trotz des engen Zeitrahmens fertig gestellt.
Der Besucherstrom übertraf bald alle Erwartungen. Bereits ein Jahr nach der Einweihung zählte man 35 000 Besucher. Von der Aussichtskanzel bot sich ein herrlicher Blick auf den Thüringer Wald, das Thüringer Schiefergebirge, weit hinein ins Saaletal und auf die Höhen des Frankenwaldes. Was für uns als Schaufenster ins "Grüne Herz Deutschlands" galt, wurde von den Menschen jenseits der unseligen Grenze als "Leuchtturm des Westens" gesehen und bezeichnet. Im Volksmund allerdings bezeichnete man "drüben" den Turm auf dem Ratzenberg als "Ittingsturm", weil sich bis nach der Wende 1989 hartnäckig das Gerücht hielt, die aus Probstzella stammende und nach dem Zweiten Weltkrieg nach Ludwigsstadt emigrierte Firma Itting hätte ihn gestiftet.
Fünf Jahre nach der Einweihung zählte man bereits 180 000 Besucher. Ende des Jahres 1992, nach fast 30 Jahren seines Bestehens, zählte die Statistik 905 943 Einzelbesucher. Nicht enthalten sind hier unzählige Besuchergruppen, organisierte Grenzlandfahrten, etc., so dass die tatsächliche Besucherzahl nahezu doppelt so hoch gelegen haben wird. Es folgten Kundgebungen zum 17. Juni und auch prominente Besucher waren auf dem Ratzenberg zu Gast, im Oktober 1964 Bundespräsident Heinrich Lübke, am 17. Juni 1965 Herbert Wehner, später Vizekanzler Mende und 1983 der Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen Heinrich Windelen.
Nach der notwendigen Instandsetzung durch die Witterungseinflüsse und zeitgemäße Abnutzung der Materialien wurden die Asbestzementplatten durch eine Blechverkleidung ersetzt. So konnte die Thüringer Warte am 1. April 1994 wieder eröffnet werden und in einer Feierstunde am 14. Mai 1994 wurde im Turminnern eine Erinnerungstafel, gestiftet von den "Heimattreuen Probstzellaern" enthüllt. MdL Heinz Köhler brachte in seinem Grußwort die Bedeutung auf den prägnanten Punkt: "Dieser Turm ist gebaut worden als Symbol des Kalten Krieges, als ein Symbol der Trennung Deutschlands, als ein Symbol der Sehnsucht vieler Menschen, die ihre Heimat verloren hatten."
Ausstellung zur Grenzgeschichte
Eine weitere historische Gewichtung hat der symbolträchtige Aussichtsturm im Juni 2009 durch die Stadt Ludwigsstadt und die Geologisch-Heimatkundliche Arbeitsgemeinschaft (GHAG) erhalten. Im Eingangsbereich unter den 114 Treppen hinauf zur Aussichtsplattform befindet sich eine "Ausstellung zur Grenzgeschichte" im thüringisch-fränkischen Grenzgebiet. Sie wurde mit großem Zeitaufwand realisiert, bietet Einblicke und Anschauungsmaterial. Sowohl auf mittelalterliche Grenzziehungen bis zur deutschen Teilung, dem Kalten Krieg und der Wiedervereinigung - 25 Schautafeln zeigen die Chronologie und die Auswirkungen der einstigen Teilung des Landes auf Verkehr, Wirtschaft und Industrie auf.
Am "Tag des offenen Denkmals" am Sonntag, 8. September, wird der Geburtstag der "Thüringer Warte" mit einem kleinen Festakt um 14 Uhr gefeiert. sbüt