Die Mitwitzer Montessori-Schule wächst weiter
Autor: Sonny Adam
Mitwitz, Montag, 01. Oktober 2012
Im Juli konnten Schüler der Montessori-Schule Mitwitz zum ersten Mal den Quali ablegen - heuer gibt es einen M-Zug. Fernziel ist eine Montessori-Oberschule.
Die Montessori-Schule ist eine besondere Schule. Es gibt dort keine Noten, sondern am Ende des Jahres ausführliche Wortgutachten. Der augenfälligste Unterschied ist aber die Klassengröße. Gelernt wird in jahrgangsübergreifenden Lerngruppen. Und pro Lerngruppe stehen den Schülern zwei Pädagogen zur Verfügung.
"Ich wollte den Stress mit den Noten und den Druck, den ich bei meinem großen Sohn vor allem in der vierten Klasse Grundschule erlebt habe, nicht noch einmal durchmachen, deshalb hab ich den Kleinen an der Montessori-Schule angemeldet", erklärt Vater und Vorstandsmitglied des Trägervereins, Uli Detsch aus Haig. "Aber mir war es auch wichtig, dass es nach der Grundschule weitergeht und dass es eine Perspektive gibt."
Das soziale Miteinander steht im Mittelpunkt. Schon ab der Grundschule müssen die Kinder ihr Lernen selbst mitorganisieren. Es geht auch viel ums praktische Tun, ums "Begreifen" mit speziellen Montessori-Materialien. Schon ab der fünften Klasse machen die Kinder Praktika und verfassen darüber Berichte. Die Spanne reicht vom Biobauernhof bis zum Optiker.
Förderung entsprechend der Fähigkeiten
Gudrun Jersch-Bittermann aus Rugendorf im Landkreis Kulmbach wollte für ihr Nachzüglerkind explizit eine andere Pädagogikform. Und die Tatsache, dass an der Montessori-Schule Kinder entsprechend ihrer Fähigkeiten gefordert und gefördert werden, aber möglichst ohne Druck, hat der Mutter gefallen. Inzwischen besucht ihrer Tochter die fünfte Klasse.
Die "Montes", wie sie sich selbst nennen, brauchen keinen Gong, haben keine Eintaktung in 45-Minuten-Stunden. "Warum sollen wir denn die Schüler aus ihrer Konzentrationsphase reißen. Die sollen ihre Arbeit machen - und wenn sie fertig sind, sind sie fertig", erklärt der Leiter der Sekundarstufe, Mathias Schmitt , das Konzept.
Mit 13 Kindern fing man vor acht Jahren an. Inzwischen gehen 180 Schüler in Mitwitz an dieses besondere Schule, zu der die Eltern ihren eigenen Beitrag dazuzahlen. "Im nächsten Jahr werden es 200 Schüler sein", konstatiert Schmitt und freut sich über den Erfolg.
Tatsächlich wird das Angebot der Montessori-Schule stetig erweitert: Im vergangenen Jahr haben sieben Schüler der Abschlussklasse den qualifizierten Hauptschulabschluss bestanden. "Die Beste mit einem Durchschnitt von 1,3 - wir hatten vier mal Durchschnittswerte zwischen 1,3 und 2,1", zieht der Leiter der Sekundarstufe Bilanz. Die Schüler fertigen zusätzlich eine große Montessori-Arbeit an - ähnlich einer Seminar- oder Facharbeit.
Fünf Schüler in der zehnten Klasse
Neu ist auch der M-Zug: "Wir haben die zehnte Klasse für den mittleren Bildungsabschluss im Mai genehmigt bekommen - die Zeit war knapp, deshalb haben wir auch nur eine Kleingruppe von fünf Schülern. Aber das macht nichts - die Betreuung ist sehr individuell", erklärt Schmitt. Freiarbeit ist ein zentrales Element. Und es gibt auch ein so genanntes Selbstlernzentrum, in dem sich die Schüler selbstständig in ihre Aufgaben vertiefen können. "Aber eine Lehrkraft steht natürlich immer zur Verfügung", so Schmitt.
Montessori-Schulen haben im Vertrauen auf die natürliche Wissbegier von Kindern und Jugendlichen nun seit vielen Jahren die Erfahrung gemacht, dass Schülerinnen und Schüler in einer gut vorbereiteten Umgebung ohne Druck voller Freude lernen und Leistung erbringen.
Durch den rasanten Anstieg der Schülerzahlen platzt die Montessori-Schule längst schon wieder aus allen Nähten. Deshalb wird noch in diesem Jahr angebaut: Die Verwaltung wird ausgegliedert, eine neue Küche (gekocht wird biologisch) und Bibliothek sollen entstehen. Und dann ist im Hauptgebäude endlich mehr Platz für die Lerngruppenzimmer.
Kneipp-Anlage geplant
Sobald der Neubau fertig ist, soll eine Kneipp-Anlage entstehen. Denn die Montessori-Schule will sich als Kneipp-Schule zertifizieren lassen. Schon jetzt wird größter Wert auf Bewegung und Sportförderung gelegt. In Punkto Ernährung unterhält die Montessori-Schule ein eigenes Lädchen, das frische Bioprodukte anbietet. Und Aromen und spezielle Düfte werden ebenfalls bereits eingesetzt. So werden die Klassenzimmer jetzt in der Erkältungszeit mit Thymian beduftet. Lavendel wirkt eher beruhigend, Zitrone belebend, erklärt Simone Beetz, die Expertin für diesen Bereich. Im Winter treten die Montessori-Schüler Schnee.
Das nächste Ziel ist eine Montessori-Oberschule. In einer solch staatlich anerkannten Fachoberschule sollen die Montessori-Schüler bis zur Fachhochschulreife geführt werden. "Die machen dann die gleiche Prüfung wie an den staatlichen Schulen", so der Leiter der Sekundarstufe. "Der einzige Unterschied ist der Weg zu diesem Ziel", sagt Schmitt.
Angebot für alle Schüler mit Mittlerer Reife
Geschäftsführerin Gudrun Jersch-Bittermann: "Kronach kämpft seit Jahren um eine FOS-Zweigstelle, bislang vergeblich. Mit einer staatlichen anerkannten Montessori-Fachoberschule wollen wir das Bildungsangebot in der Region bereichern. Und das wäre ein Angebot für alle Schulabgänger mit einem guten Mittleren Schulabschluss und entsprechender Leistungsbereitschaft."
Besonders stolz ist der Leiter der Sekundarstufe darauf, dass die Schüler ihre Kenntnisse auch in praktischen Arbeitsgruppen fördern können. Die Montessori-Schule hat eine Kunst- und Holzwerkstatt, eine Schneiderwerkstatt und eine Selbstbauwerkstatt.
Generell ist natürlich zu jederzeit auch ein Wechsel von der Montessori-Schule an jede andere Schule möglich. "Wenn Kinder aufs Gymnasium wollen, müssen sie eben zum Probeunterricht, weil wir ja keine Noten haben", erklärt der Leiter der Sekundarstufe. Aber viele Schüler wollen gar nicht in ein anderes Schulsystem.