Druckartikel: Die Ära der Steinkohle ist zu Ende

Die Ära der Steinkohle ist zu Ende


Autor: Gerd Fleischmann

Stockheim, Freitag, 23. November 2018

50 Jahre nach Schließung der Stockheimer Zeche St. Katharina ist nun auch im Ruhrgebiet "Schicht im Schacht".
Stockheimer Bergleute vor Kohle lediglich mit Pickhammer, Pfannschippe und Keilhaue um 1955Repro: Gerd Fleischmann


Ende März 1968 endete die Förderung in der Stockheimer Steinkohlenzeche St. Katharina. Damit wurde eine 400-jährige Bergbautradition im Haßlachtal endgültig zu Grabe getragen. Fünfzig Jahre später heißt es im Ruhrgebiet - mit 5,2 Millionen Einwohner das größte geschlossene Siedlungsgebiet Deutschlands - ebenfalls "Schicht im Schacht".

Einstmals förderten nach dem Zweiten Weltkrieg 500 000 Bergarbeiter in 137 Zechen an der Ruhr jährlich an die 150 Millionen Tonnen Steinkohle. Damit konnten deutschlandweit 70 Prozent des Energiebedarfs gedeckt werden. Mit dem Aufschwung von Kohle und Stahl kam nach dem Völkermorden das deutsche Wirtschaftswunder zustande. Hunderttausende von Gastarbeitern aus Italien, Griechenland und der Türkei sorgten für eine friedvolle Multi-Kulti-Gesellschaft. Schließlich waren unter Tage alle schwarz.

In den sechziger Jahren begann das Zechensterben. Spottbilliges Heizöl sowie wesentlich günstigere Importkohle beispielsweise aus Argentinien sorgten für den Niedergang. Und damit begannen die Probleme. Die Subventionen für die Kohleförderung in Höhe von rund einer Milliarde Euro pro Jahr laufen Ende 2018 aus. Dann ist Schluss mit dem Steinkohlenbergbau in Deutschland. Symbolisch erhält am 21. Dezember Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die letzte Steinkohle auf Prosper-Haniel in Bottrop, die vor etwa 310 Millionen Jahren in den Sumpfwäldern des Karbon entstanden war. Stockheims Steinkohle ist dagegen 20 Millionen Jahre jünger.

Zuletzt arbeiteten noch 2600 Kumpel auf der Zeche Prosper-Haniel in einer Tiefe von 1256 Metern und förderten 1,8 Millionen Tonnen. Milliardenwerte schlummern nun unter Tage, denn die Bergbautechnik mit Walzenschrämladern, Kohlenhobel und Schildausbau verschlang immense Summen. Nicht zu vergessen das kapitalintensive Abteufen der Schächte.

Der Berg gab und forderte viel

Unvergessen bleiben die Leistungen der Knappen, die eine Kameradschaft pflegten, die einmalig ist. Schließlich musste sich in den Tiefen der Erde jeder auf jeden verlassen. Trotzdem: Der Berg gab viel, doch er forderte auch. Abertausende sind an ihrem gefährlichen Arbeitsplatz tödlich verunglückt. Selbst im relativ kleinen Stockheimer Revier gab es an die einhundert Opfer zu beklagen. Erfreulicherweise hält der Knappenverein Stockheim und Umgebung unter der Leitung von Heiko Eisenbeiß die Erinnerung an die Bergbauära wach. Dazu zählen aber auch Bergmannskapelle und Förderverein Bergbaugeschichte.

Unterstützung finden sie durch die Bergleute aus Recklinghausen, die die musealen Bemühungen in Stockheim massiv unterstützen. Ohnehin sind die Verbindungen der Stockheimer Bergleute zum Ruhrgebiet uralt. Denn in Krisenzeiten wanderte so mancher Frankenwäldler an die Ruhr, um der Arbeitslosigkeit zu entrinnen. Bei der Stilllegung am 1. Mai 1911 - davon betroffen waren 556 Bergarbeiter - wanderten beispielsweise alleine 52 Haiger aus, um in fremden Revieren Arbeit und Brot zu finden.

Ein Boom bleibt

In unterschiedlichen musealen Einrichtungen wird die Erinnerung an die Steinkohlenära wach gehalten. Das deutsche Bergbaumuseum Bochum sowie die Zeche Zollverein in Essen - sie ist aufgrund ihrer einmaligen Architektur Unesco-Welterbe - legen - wie viele andere Einrichtungen - Zeugnis ab von der stolzen Bergbauära.

Wenigstens ein Boom bleibt der Branche: Der Zechentourismus lockt Jahr für Jahr Tausende Menschen in das nun grün gewordene Ruhrgebiet. Zumindest die Erinnerung an tüchtige Kumpel bleibt erhalten, war doch die Steinkohle Deutschlands Motor nach dem Zweiten Weltkrieg und wichtige Antriebsfeder des Wirtschaftswunders.