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ZukunftsDesign" in Kronach: Der Zukunft über die Schulter geschaut


Autor: Marian Hamacher

Kronach, Dienstag, 02. August 2016

Das erste Semester des neuen Studiengangs "ZukunftsDesign" in Kronach ist geschafft. Doch wie studiert es sich auf dem Loewe-Gelände? Ein Besuch.
Thomas Kneitz (vorne) stand als "Coach" vor der Aufgabe, seiner Projektgruppe den Weg zu einem Ergebnis aufzuzeigen, ohne dabei die Richtung vorzugeben. Fotos: Marian Hamacher


Der Nachweis für Kreativität? Haftnotizen! Gelbe, grüne, pinke - die farbigen Blätter kleben wie wild durcheinander gewürfelt an einer braunen Pappwand. Auch die zahlreichen umgeblätterten Seiten des Flipcharts zeugen von eifriger Nutzung. Komplett digital ist auch die Gegenwart nicht, in der Ideen für die Zukunft erarbeitet werden - vier Laptops und einem Tablet-Computer auf den Seminar-Tischen zum Trotz.

Vier Monate haben die 20 Premieren-Studenten des Studiengangs "ZukunftsDesign" der Hochschule Coburg über Problemstellungen diskutiert, Lösungsansätze besprochen und Konzepte entwickelt. Allerdings nicht in Coburg, sondern auf dem Loewe-Gelände in Kronach. Sogar ein eigener Campus soll hier bald entstehen.


Von der Arbeit freigestellt

Die letzte Aufgabe des Semesters: eine Powerpoint-Präsentation erstellen, um den Arbeitgebern der Studenten zu verdeutlichen, worüber diese sich seit dem Semesterstart am 15. März die Köpfe zerbrochen haben. Die Firmen sollen schließlich wissen, weshalb sie ihre Angestellten mal drei, mal vier Tage die Woche freistellen. Denn auch wenn am Ende des Studiengangs ein Master-Abschluss wartet, der ganz normal zur Promotion berechtigt, ist der Weg dorthin alles andere als herkömmlich. "Hier sind einige Studenten, die schon arbeiten oder schon gearbeitet haben", erklärt Elke Schwinger. Die 56-Jährige ist in Coburg Professorin für Philosophie und unterrichtet in Kronach mit "Ethik und Werte" eines von acht Modulen, die für die Studierenden auf dem Stundenplan stehen.

Das Besondere: Ihre Abschlüsse machten die angehenden "Zukunfts-Designer" in den unterschiedlichsten Fachgebieten. "Der eine ist Ingenieur, der andere Personaler oder Designer", sagt Schwinger. Interdisziplinarität nennen Fachleute diese Mischung. Sie ist es, worauf es dem Studiengang vor allem ankommt. "Dadurch entsteht eine ganz besondere Dynamik. Die Mischung macht die Arbeit in der Lehre hochinteressant und produktiv", sagt die Philosophie-Professorin begeistert. Die jungen Projektteilnehmer brächten "super Aspekte ein, die auf der Höhe der Zeit sind. Gerade gestalterisch." Die Älteren hätten dagegen den Vorteil zu wissen, wie es in der Wirtschaft zugeht und was dort umsetzbar ist.


Ein anderer Blickwinkel

Drei Themen wurden zu Semesterbeginn aus den Vorschlägen der Studenten ausgewählt - für jede Gruppe eines. Wer in welcher landete, entschied das Los. Die Mischung: reiner Zufall. "Ein Maschinenbauer muss sich bei uns ebenso mit Umweltthemen auseinandersetzen wie ein Designer", sagt Projektkoordinator Tobias Beuschel. "Man muss sich da reinfinden." Nur wenn ein anderer Blickwinkel eingenommen werde, entstünden auch Innovationen - von denen sie sich in Kronach einige erwarten.

Lena Grimm ist mit 23 Jahren die jüngste Studentin. Seit einem Jahr arbeitet sie in Helmbrechts bei einem "Startup", das nachhaltige Kleidung herstellt, sammelte dort aber bereits während ihres Textildesign-Studiums berufliche Erfahrung. "Ich kann schon jetzt einiges mit in unsere Firma nehmen", sagt Grimm. "Als Designer gingen wir zum Beispiel immer recht unkonventionell an Themen heran. Hier - mit den vielen Ingenieuren - wird viel geordneter vorgegangen." Daran habe sie sich orientiert und wolle zukünftig strukturiertere Pläne für Projekte etablieren.

Für Heinz Werner ist "ZukunftsDesign" bereits sein drittes Studium. "Wenn man die beiden Staatsexamen nicht zusammenzählt, ist es sogar mein vierter Abschluss", sagt er und grinst. Auf ein Lehramtsstudium in Mathematik und Physik folgte einige Jahre später das Diplom in Maschinenbau. Nach einer Unterbrechung von zwölf Jahren als Instruktionsingenieur unterrichtet er seit 15 Jahren an der Fachoberschule in Hof wieder als Lehrer.


Unterschiedliche Sichtweisen

Das neue Studium erkennt die Schulbehörde ihm als Fortbildung an. Mit 60 Jahren bildet Werner das Ende der Altersspanne bei den Studierenden. "Wir Älteren zählen zu den Erfolgsgaranten. Schließlich sind wir keine Studienabbrecher, sondern haben unser Ding immer durchgezogen", sagt er. "Wir alle bringen unterschiedliches Wissen und Sichtweisen mit. Das sollte man sich bewahren, denn das fördert das Verständnis zwischen den Generationen."

Auch er nehme schon nach dem ersten Semester eine ganze Reihe an Aspekten mit, die er in seiner täglichen Arbeit umsetzen und an die Schüler weitergeben könne: "Etwa Kreativitätsmethoden in einfacherer Form wie Brainstorming und Brainwriting." Dass er sich im Rahmen der Projektarbeit vermehrt mit Punkten beschäftigen musste, die er aus seinen Fachgebieten nicht kannte, macht ihm nichts aus: "Dann ist es auch egal, wofür ich zuständig bin."


Ein Coach für die Gruppe

Im Seminarraum steht Thomas Kneitz entspannt am Fenster und beobachtet mal ernst dreinblickend, mal schmunzelnd die Diskussion der Studenten. "Die Rechnung haben sie doch schon längst aufgestellt, sie müssen sie doch nur noch reinsetzen", sagt er kurz und verfällt gleich wieder in die Beobachterrolle. Kneitz ist der Coach der Studenten. Jede Gruppe hat einen erfahrenen Experten aus der Wirtschaft an die Seite gestellt bekommen. "Ich habe dafür zu sorgen, dass die Gruppe nicht abschwirrt, darf aber nicht Einfluss aufs Ergebnis nehmen", erklärt der stellvertretende Sprecher des Innovationszentrums Kronach seine Aufgabe als Coach.

Im Grunde sei er wie ein Fußballtrainer. "Aber mit dem Unterschied, dass ich nicht die Aufstellung vorgebe, sondern sage nur: ,Wir wollen gewinnen. Da ist das Tor'", sagt Kneitz. Die Probleme sollen selbst gelöst werden. Es gehe nicht darum, dass seine Gruppe ein perfektes Ergebnis abliefere, sondern eines, das auch ihres ist.