Druckartikel: Der "Struwwel" verbindet Lars Hofmann und Samuel Rauch

Der "Struwwel" verbindet Lars Hofmann und Samuel Rauch


Autor: Sabine Memmel

Kronach, Freitag, 05. Juli 2013

Lars Hofmann und Samuel Rauch verbindet eins: der "Struwwelpeter". Zum 15-jährigen Bestehen des Jugendtreffs erzählen der alte und der neue Leiter, worauf es bei der Arbeit mit Jugendlichen ankommt , wie sie mit Problemen umgehen und dass Schlägereien dazugehören.
Samuel Rauch (links) und Lars Hofmann  Foto: Sabine Herteux


Lässig sitzen sie auf ihren Barhockern. Die Arme auf den Tresen gelehnt. Hier fühlen sie sich wohl. Hier fühlen sie sich zu Hause. Hier ist all das, was Lars Hofmann und Samuel Rauch verbindet: der "Struwwelpeter". Am Sonntag feiert der Jugendtreff in der Rodacher Straße sein 15-jähriges Bestehen, den Förderverein gibt es seit zehn Jahren. Zeit, zurückzublicken. Auf all das, was war. Auf all das, was den "Struwwel" ausmacht.

Am 1. April 1998 öffnete der "Struwwelpeter" in der Rodacher Straße seine Pforten. Entstanden ist er aus zwei Jugendeinrichtungen: dem Jugendcafé "Struwwel" der Christlichen Arbeiterjugend (CAJ) in der Judengasse und dem Jugendzentrum "Old School" der Stadt Kronach in der Rodacher Straße. Die Trägerschaft haben die Stadt und der Landkreis Kronach, die Katholische Kirche und die CAJ gemeinsam, wobei die CAJ 2002 ausgestiegen ist. 1999 hat Diplom-Sozialpädagoge Lars Hofmann (43) die Leitung des neuen "Struwwelpeters" übernommen. Seit 2009 ist der Diplom-Sozialpädagoge und -Soziologe Samuel Rauch (34) der "Struwwelpeter"-Chef.

Herr Hofmann, erzählen Sie uns von den Anfängen. Die Zusammenlegung der beiden Jugendeinrichtungen war damals bestimmt nicht einfach, oder?
Lars Hofmann: Es war eine schwierige Zeit, zwei Einrichtungen mit unterschiedlichen Gästen und Konzepten prallten aufeinander: Gymnasiasten und Studenten aus dem "Struwwel" und sozial benachteiligte Jugendliche aus dem "Old School". Aus dem ehemaligen "Old School" sind immer weniger gekommen.

Was haben Sie und Ihr Team dagegen unternommen?
Hofmann: Wir haben versucht, den "Struwwelpeter" für jeden zu öffnen. Wir waren in Schulen im ganzen Landkreis und haben klargemacht: Jeder ist willkommen. Für jeden ist etwas geboten. Wir wollten dem "Struwwel" ein neues Gesicht mit einheitlichem Konzept geben. Es hat drei Jahre gedauert, bis sich das eingependelt hat. Aber es hat gefruchtet.

Der Ruf war anfangs nicht überall der Beste. Manche Bürger machten sich Sorgen, dass Jugendliche im "Struwwel" kiffen oder andere Drogen nehmen würden.
Hofmann: In dieser Zeit gründete sich der Förderverein mit Vertretern aus der Stadt, dem Landkreis, dem Kreisjugendring und so weiter, um für eine positive Öffentlichkeitsarbeit zu sorgen. Außerdem haben wir einige Male im Jahr unser "Kulturcafé am Montag" angeboten, mit Lesungen oder auch Theater. Wir sind ganz bewusst auf Erwachsene zugegangen, damit sie für uns als Multiplikatoren wirken.

Wie ist das heute, Herr Rauch? Gibt es Probleme mit Drogen oder anderem?
Samuel Rauch: Am Wochenende hatten die Jugendlichen eigentlich immer die Schlüsselgewalt und somit auch die Verantwortung über den "Struwwel". An den letzten Wochenenden war allerdings die Hölle los: Notarzteinsätze und Schlägereien. Jetzt ist wieder ein Hauptamtlicher vor Ort. Ab Herbst wollen wir die Verantwortung wieder langsam an die Jugendlichen zurückgeben.
Hofmann: Schlägereien passieren. Auf dem Klo wird gekifft. Das gehört alles dazu. Wir sind keine Insel, sondern ein Teil des Lebens.

Herr Hofmann, Sie und Ihr Team haben damals aber auch für einen guten Ruf gesorgt: Sie haben Kronacher Firmen eingeladen, um gemeinsam mit den Jugendlichen den "Struwwel" neu zu gestalten.
Hofmann: Das war zum fünften Geburtstag des "Struwwels". Dieses Projekt war eine super Sache, da viele Jugendliche vorher keinen Zugang zum Arbeitsmarkt hatten und auf diese Weise Maler-, Putzer- und Dachdeckerfirmen ihre Fähigkeiten zeigen konnten. Zwei Jugendliche haben anschließend sogar eine Ausbildung bekommen, andere immerhin ein Praktikum.

Der "Struwwel" war und ist eine wichtige Anlaufstelle für Jugendliche. Kein Wunder, Sie haben viele Ideen gemeinsam in die Tat umgesetzt.
Hofmann: Vorrangig war und ist natürlich die klassische Jugendsozialarbeit, also die Begleitung der Jugendlichen in schwierigen Situationen. Schnell etabliert haben sich aber auch unser offenes Jugendcafé und unsere Kulturarbeit. Die Jugendlichen haben unter anderem Konzerte selbst organisiert. Anfangs hatten wir viel Punkmusik, später aber auch Rock und Hip Hop. Wir hatten ein Programm, das es sonst nirgends gab und waren damit erfolgreich.

Und dann kam ja auch "Festung rockt" dazu.
Hofmann: Richtig. Vier Jahre haben wir noch "Inge rockt" vom damaligen Jugendcafé "Struwwel" im Industriegebiet fortgeführt. Irgendwann war unter den Jugendlichen aber der Wunsch nach einem schöneren Gelände da. Viermal waren wir dann erst auf dem Landesgartenschaugelände, ab 2007 auf der Festung. Gleich im ersten Jahr hatten wir 900 Besucher.
Rauch: Das Festival ist inzwischen ein richtiges Markenzeichen geworden. Wir wollen vor allem regionale Bands fördern. 2008 habe ich dort übrigens noch mit meiner damaligen Band "Lowtus" gespielt. Dass ich mal im "Struwwel" arbeiten würde, hatte ich zu dieser Zeit noch nicht geahnt.

Herr Hofmann, 2009 haben Sie die Leitung des "Struwwelpeters" abgegeben. Warum?
Hofmann: Ich konnte viel einbringen, ich habe viel gelernt und mich weiterentwickelt. Ich bin stolz auf das, was hier alles passiert ist. Diese zehn Jahre waren sensationell. Für mich waren wir das beste Jugendzentrum in ganz Nordbayern. Aber man kann nicht ein Leben lang in der offenen Jugendarbeit tätig sein, weil man für die Jugendlichen irgendwann nicht mehr cool sein kann und will. Man wird ja älter.
Rauch: Es war aber gut, dass Du so lange im "Struwwel" warst. Denn Kontinuität ist etwas, das den Jugendlichen sonst eigentlich fehlt.
Hofmann: Dennoch muss auch immer wieder ein Wechsel her, damit wieder etwas mehr Schwung reinkommt.

Und was machen Sie jetzt stattdessen, Herr Hofmann?
Hofmann: Seit März 2010 bin ich freiberuflich. Ich habe eine Ausbildung in Meditation und Konfliktmanagement gemacht und bin nun in vielen Unternehmen und Organisationen tätig.

Herr Rauch, wie sind Sie auf den Job im "Struwwel" gekommen?
Rauch: Ganz zufällig durch eine Stellenanzeige. In meiner ersten Woche hat Lars mich noch intensiv begleitet und mir gezeigt, worauf es ankommt. Und war auch danach immer als Ansprechpartner für mich da.

Wie war für Sie der Start im "Struwwel", Herr Rauch?
Rauch: Es war nicht leicht für mich. Lars ist hier eine Ikone. Das waren große Fußstapfen. Das war mir vorher schon bewusst. Anfangs hat es auch Widerstände gegeben. Viele hatten ein Problem damit, dass Lars nicht mehr da ist.
Hofmann: Das ist ganz normal, wenn ein Wechsel da ist.
Rauch: Die Erwartungen waren nicht zu erfüllen. Ich habe es aber durchgehalten und bin froh darüber. Es ist eine sehr erfüllende Arbeit.

Haben Sie schon eigene Akzente gesetzt?
Rauch: Die Strukturen von damals haben sich bewährt. Wir haben viel übernommen. Es ist schon bewundernswert, was Lars hier aufgezogen hat. So ein Haus wie hier gibt es nicht oft. Neu ist seit letztem Jahr das Afrikafest. Eigentlich wollten wir nur eine Art afrikanischen Abend machen. Bei der Premiere letztes Jahr kamen aber über 1000 Leute. Am 27. Juli ist es übrigens wieder so weit.

Was ist für Sie beide das Besondere an der Jugendarbeit?
Hofmann: Jugendlichen in schwierigen Situationen zu begleiten und zu versuchen, ein Teil ihrer Lebenswelt zu werden. Außerdem Wurzeln schaffen, damit sie nach dem Studium zurückkommen. Sonst stirbt unsere Region aus.
Rauch: Ich war selbst als Jugendlicher regelmäßig in einem Jugendzentrum. Da habe ich viel mitgenommen. Ich freue mich, wenn ich jungen Leuten helfen und mit ihnen zusammen etwas aufziehen kann. Jugendliche suchen hier einen Ort, an dem sie einfach sie selbst sein können. Der "Struwwel" ist ein Ort, der Jugendlichen Halt gibt. Und das soll er auch bleiben.

Das Gespräch führte Sabine Herteux


Jazz-Frühschoppen:
Der "Struwwelpeter" lädt am Sonntag, 7. Juli, ab 10 Uhr die gesamte Bevölkerung zu einem Jazz-Frühschoppen mit der Gruppe "Schmoelz" in der Scheune des Jugendtreffs ein. Ab 14 Uhr spielt die junge Kronacher Cover-Band "But Out". Dazu gibt es Kaffee und Kuchen. Gegen 16 Uhr soll die Veranstaltung langsam ausklingen.