Der letzte Zeitzeuge und das Kreuz
Autor: Veronika Schadeck
Hirschfeld, Mittwoch, 22. Mai 2019
Der Hirschfelder Heimkehrer-Kameradschaftsverein erneuert das Friedenskreuz. Was Frieden bedeutet, weiß der letzte lebende Kriegsheimkehrer im Ort.
Es war im Jahre 1941, als die Jugend von Josef Förtsch endete. Der damals 17-Jährige wurde zum Reichsarbeitsdienst einberufen und landete wenige Monate später in Russland. Seine Botschaft, nämlich aus dem Krieg Lehren zu ziehen und sich für Frieden einzusetzen, ist eindringlich. Diese soll nicht zuletzt durch das Friedenskreuz am südlichen Ortsausgang von Hirschfeld zum Ausdruck kommen. Dort wird derzeit ein neues Friedenskreuz errichtet.
Josef Förtsch, der in wenigen Wochen seinen 95. Geburtstag feiert, ist noch der einzig lebende Zeitzeuge im Dorf, der den Krieg als Soldat miterlebt hat. Millionen von Menschen mussten ihr Leben lassen. Millionen von Familien wurden auseinandergerissen. 18 Soldaten waren es aus der Gemeinde, die im Krieg starben, 13 wurden vermisst, beginnt er bei einem Treffen zu erzählen. "Und das alles wegen so einem Schwindel!"
Während der 94-Jährige erzählt, entsteht der Eindruck, dass er zwei Leben hat. Das zweite beginnt mit seiner Rückkehr aus der amerikanischen Gefangenschaft. In seinem ersten Leben war Josef Förtsch Soldat. Und fast noch ein Kind. Beim Reichsarbeitsdienst sei ihnen gesagt worden, dass sie stolz darauf sein könnten, einen Beitrag zum Endsieg zu leisten. Der Endsieg kam aber nie, sagt er - stattdessen ging es nach Russland und Frankreich in den Krieg. Während seiner Erzählung hält der Rentner mehrmals inne. Es ist, als ob die Erinnerungen überhand nehmen. Er berichtet von eiskalten Nächten, die er mit seinen Kameraden in Russland in meterhohem Schnee verbracht hat. Er war außerhalb des Kessels von Stalingrad stationiert. Er spricht von Sonnenblumenfeldern, Lehmhütten, von Stalinorgeln, mörderischen Kämpfen, von Hunger, Heimweh und sterbenden Soldaten.
Noch heute kann er sich an die Situation erinnern, als er einem russischen Soldaten in einem Sonnenblumenfeld gegenüberstand. "Wir schauten uns an und keiner von uns hob das Gewehr!" Es spricht von viel Glück, dass beide in diesem Moment von keinem weiteren Soldaten beobachtet wurden, denn sonst hätten sie das mit ihrem Leben bezahlt. Und er meint: "Wir hätten vielleicht Freunde werden können!" Er spricht vom Irrsinn des Krieges, auf Menschen schießen zu müssen, die man gar nicht kennt.
Der Kriegsalltag, so Förtsch weiter, bestand darin, auf Befehle zu warten. "Mit der Zeit stumpft man ab - das Angstgefühl weicht!" Und dann fragt er: "Was hätten wir tun sollen? Kriegsdienst verweigern, Fahnenflucht, etc.? Alles hätte den Tod bedeutet."
Den D-Day miterlebt
In Russland erlitt Josef Förtsch Erfrierungen. Die Krankheit wurde im Schwarzwald geheilt. Ende 1943 kam er nach Frankreich. Dort erlebte er den D-Day, die Invasion in der Normandie mit. 175 000 amerikanische, britische und kanadische Soldaten sollten Europa befreien. Sie kamen mit schweren Panzern, Geschützen, Flammenwerfern. etc. Er berichtet von Kämpfen, von vielen Toten, davon, dass er sich mit Kameraden in Gräben verschanzt hat. Er kam in die amerikanische Gefangenschaft, wo es täglich eine Dose Reis und drei Kekse gab.
Als er wieder zurückkam in sein Heimatdorf, war die Unbeschwertheit der Jugend vorbei. Er war jedoch voller Dankbarkeit, dass er noch sein Leben hatte. Zusammen mit weiteren Rückkehrern, die letzten vier kamen 1949, wurde im Jahre 1954 die Heimkehrer-Soldaten-Kameradschaft gegründet und der Beschluss gefasst, ein Friedenskreuz aus Dankbarkeit und als Mahnmal zu errichten. Dieses soll die nachfolgenden Generationen an diesen Wahnsinn erinnern. Ein Kreuz deshalb, weil es auch Hoffnung bedeutet.