Der Himmel an Silvester als Orakel für den Frankenwald
Autor: Alexander Grahl
Kronach, Freitag, 07. Dezember 2018
Eine bunte Palette an Prophezeiungen spiegelt sich im Brauchtum und Volksglauben des Frankenwaldes am "Kindelstouch" und am "Neujoaschheilichoamd" wider.
Wenn der Weihnachtsfrieden wieder der Hektik des Alltags weicht und der Zauber der Heiligen Nacht seine magischen Kräfte langsam verliert, beginnt die Zeit "zwischen den Jahren". Die Redewendung umfasst den Zeitraum zwischen dem Ende des alten Jahres und dem Beginn des neuen Jahres. Mit dem 28. Dezember, dem Tag der unschuldigen Kinder, offenbart sich im Einklang mit den zwölf heiligen Nächten ein weiterer bemerkenswerter Tag, nämlich der "Kindlestouch", der Tag, an dem "gepfeffert" wird.
In einer Niederschrift eines Lahmer Bürgers von 1897 heißt es: "Man sagt bei uns zu Lande, wer früh am Morgen gepfeffert wird, bleibt grün das ganze Jahr hindurch. Es ist streng darauf zu achten, dass die Pfeffergerte, mancherorts auch ,Lebensrute‘ genannt, grün und frisch ist. Es besteht vielfach die abergläubische Annahme, dass eine Person mancherlei Krankheiten ausgesetzt ist, wenn sie nicht der Sitte gemäß gepfeffert wird."
Das Protokoll fährt fort: "Wehe dem Manne, der es aus Vergesslichkeit oder aus irgendeiner anderen Ursache unterlassen hatte, seine zarte Ehehälfte mit einem grünen Myrtenzweig zu dengeln und hierbei ein hübsches Sprüchlein zu sagen; er sah für längere Zeit kein gutes Gesicht und Revanche wurde ihm geschworen. Um mit den Worten des Dichters zu reden, lag in diesem Brauch der Grundgedanke: O dass sie ewig grünen bliebe, die schöne Zeit der jungen Liebe."
"Was wird die Zukunft bringen?"
An Silvester feiert man den "Neujoahschheilichoamd" im "Dreiländereck" nordöstlich von Wallenfels mit seiner reichen Fülle an Aberglauben und Brauchtum. Zunächst einmal verbietet auch der Silvesterabend das Aufhängen von Wäsche, wenn man keine "Kuhhaut aufhängen", also kein Stück Vieh verlieren will. Außerdem darf ab dem Mittagläuten niemand mehr arbeiten, da es ihm für das ganze Jahr schlecht bekäme. Heute steht auch die Frage aller Fragen im Mittelpunkt: "Was wird die Zukunft bringen?"
In der Grümpel prophezeit man: "Wenn sich in der Silvesternacht ein Stück Vieh losreißt, dann stirbt im kommenden Jahr ein Angehöriger der Familie: Reißt sich ein Ochse los, dann stirbt der Hausherr, reißt sich eine Kuh los, die Hausherrin, und reißt sich ein Kalb los, stirbt eines der Kinder."
Der Bauer aus dem Fischbachtal ist vor allem auf das Wetter im folgenden Jahr neugierig. Um es zu erforschen, füllt er zwölf nummerierte Nuss- oder Eierschalen mit Salz und stellt sie über Nacht in feuchte Luft. Am Neujahrsmorgen kann er analog zum Feuchtigkeitsgrad des Salzes das Wetter im jeweiligen Monat in seinem Niederschlag bestimmen. Das Gedeihen jeder Feldfrucht erkundet man mit folgendem magischen Tun: Für jede Feldfrucht füllt man einen Teller mit Wasser, legt darunter einen Zettel mit dem jeweiligen Fruchtnamen und lässt das ganze bis zum Neujahrsmorgen unberührt stehen. Zeigen sich Bläschen auf dem Wasser, bedeutet es, dass diese Frucht gedeihen wird.
"Grüna Klües mit Eiebrüh"
Auf eine angenehme Art ist die Frage der Menge der zu erntenden Gerste zu beantworten. Um dieses Orakel unter Dach und Fach zu bringen, bedarf es nur des Leibgerichtes eines jeden echten Frankenwäldlers, nämlich "Grüna Klüeß mit Eiebrüh". Hat die Hausfrau im oberen Haßlachtal das übliche Maß davon gekocht und hat die ganze Familie, ohne sich zurückzuhalten, davon gegessen, so lässt jeder übrig bleibende Kloß einen Schock Gerste erwarten. Daneben probiert man auch Hirsebrei. Der Grund liegt in dem Glauben, dass von nun an das Geld nicht mehr ausgehen könne.