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Das Virus doch nicht abgehängt?


Autor: Bastian Sünkel

Kronach, Sonntag, 16. August 2020

Der Landkreis hatte keinen einzigen Covid-19-Fall mehr. Doch seit der Test-Panne in Bayern ist die Angst vor einer zweiten Welle da. Die kurzzeitig letzte Patientin erzählt, wie es ihr ergangen ist. Im Gesundheitsamt gibt es Veränderungen.
Eine Straßenszene im Corona-Sommer: Der Mund-Nasen-Schutz lüftet kurz durch. Ist das die Ruhe vor dem Sturm? Foto: Bastian Sünkel


Anna sagt, eigentlich war es gar nicht so schlimm. Sie ist gerade 30 geworden, sportlich, ernährt sich gesund, fühlt sich gut, erzählt sie aus ihrem Leben. Sie ist alles andere als Teil der Risikogruppen, für die Covid-19 drastische Folgen haben könnte. Es ist alles gut, wären da nicht die anderen.

Anna ist nicht der richtige Name der für kurze Zeit letzten Corona-Patientin im Landkreis Kronach. Sie sagt, sie will anonym bleiben, um sich davor zu schützen, noch einmal im Zentrum von seltsamen Blicken und Gesprächen zu stehen. Das war für sie schmerzhafter als die Symptome des Virus'.

Kurzzeitig "auf Null"

Kurzzeitig war der Landkreis Kronach auf Null. In Corona-Zeiten muss man nicht mehr aussprechen, was "auf Null" bedeutet und selten hatte das Nichts einen positiveren Beigeschmack. Als vor knapp zwei Wochen im Landkreis keinen Covid-19-Patienten mehr gab, klang die Pressemitteilung des Landratsamtes positiver als sonst. Auch wenn es keine große Jubelfeier gab. Corona war für eine Woche verschwunden.

Kurz nach ihrem 30. Geburtstag im Juli verspürt Anna ein Kratzen im Hals und Kopfschmerzen. Sie hat die vergangenen Tage gefeiert, geraucht, ihr Leben ohne Umschweife genossen. Die Symptome verschwinden, um in der folgenden Woche verstärkt wieder aufzutauchen. Husten, Schüttelfrost, der Kopf. "Eine Woche später hat es mich komplett zerlegt." Anna geht zum Arzt.

Er nimmt es gelassen und erklärt ihr, dass ihn an diesem Tag schon fünf Patienten mit Symptomen einer Sommergrippe aufgesucht haben. Der Corona-Test wird nur zur Sicherheit gemacht.

Am nächsten Morgen klingelt Annas Telefon. Der Test sei positiv ausgefallen. Als nächstes meldet sich das Gesundheitsamt. Die amtliche Anordnung kennt mittlerweile auch jeder, der nie an Covid-19 erkrankt ist: zwei Wochen Hausquarantäne. Weil sie schon eine Woche überstanden hatte, bleibt noch eine übrig. Anna erzählt, dass in dieser Woche nicht viel mit ihr anzufangen war. Sie habe viel geschlafen und ihre Schmerzen auskuriert. Immerhin erhielt sie die Erlaubnis mit ihren Hunden rauszufahren und spazieren zu gehen, wenn es Orte sind, an denen sich niemand aufhält. Nach der Woche ist sie wieder gesund.

Doch es gibt eben neben der medizinischen eine andere Seite der Krankheit: die soziale. Auf einer Liste sammelt sie die Namen aller, die ihr zum Geburtstag gratuliert haben und die ihrer Sportmannschaft. Genau das, was ihr eh schon durch den Kopf schießt, als ihr der Arzt das Testergebnis mitteilt. Wen habe ich angesteckt? Wer hat mich angesteckt? Wie werden Familie, Freunde und Kollegen reagieren? Ohne dabei panisch zu werden. "Ich war erstmal vor allem entspannt, hätte aber auch nichts anderes machen können."

Sie ruft ihre Freundeliste an, damit sie vor dem Gesundheitsamt mit ihnen sprechen kann. "Da war ein bisschen Panik bei den Freunden", erinnert sie sich. Wer sie angesteckt hat, weiß sie bis heute nicht. Das Testergebnis fiel bei allen negativ aus. Helmut Weiß, der Leiter des Gesundheitsamts in Kronach, ruft sie an. Es handle sich in Annas Fall um einen Virenstamm, der nicht so ansteckend sei, wie andere. Doch gerade bei ihren Kollegen - mehr als 50 Mitarbeiter - blieb nach ihrer Rückkehr Skepsis. Die einen fragen: "Wie? Du bist schon zurück?" Blicke treffen Anna auf dem Gang, die sie so nicht kannte. "Die Ungewissheit war für alle schwierig."

Dass das Gesundheitsamt sehr genau nachgefragt hat, sieht sie auch als ein Zeichen an: War da bereits etwas Respekt vor einer zweiten Welle zu spüren?

Als die Anzahl der Corona-Infizierten in Kronach vergangene Woche wieder auf eins kletterte, machten sich bayernweit auch andere Unsicherheiten breit. 900 Positiv-Getestete erhielten ihr Ergebnis spät oder bis zum Freitag überhaupt nicht. Es ist von unleserlichen Personenangaben die Rede und weiteren Pannen. Am Freitagnachmittag wird von mehr als 1000 ahnungslosen Infizierten berichtet.

Ist das der Beginn einer neuen Welle? Wie bereitet sich das Gesundheitsamt in Kronach darauf vor?

Pressesprecher Alexander Löffler erklärt auf Nachfrage des FT, dass das Kronacher Landratsamt darauf vorbereitet sei, sollten die Covid-19-Fälle markant ansteigen. "Auf die Strukturen, die wir gleich zur Beginn der Corona-Pandemie aufgebaut haben, können wir innerhalb kürzester Zeit wieder zurückgreifen."

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Gesundheitsamt profitiert

Außerdem gibt der Pressesprecher bekannt, dass auch das Gesundheitsamt in Kronach von einer bayernweiten Aufstockung des Personals profitiert. In Kronach werden in den nächsten Wochen fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die neu geschaffenen Stellen besetzen. Sie werden allein für die Ermittlung und Nachverfolgung von Kontaktpersonen eingesetzt werden, erklärt Löffler. "Zudem stellt uns die Regierung von Oberfranken zusätzliches Fachpersonal zur Verfügung."

Auch Positiv-getestete Reiserückkehrer gibt es bislang im Landkreis nicht.